Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Anton und seine Freunde erleben auf der Suche nach dem Schatz der Kalifen
viele Abenteuer. Leider sind die meisten davon nicht neu. Kaum haben die
Kinder das Labyrinth betreten, begegnen sie einem Clown, der sich zu einem
bunten Luftballon aufbläht und zerplatzt und kurz darauf noch einmal
einen Auftritt als Kopf mit "Dolchzähnen" hat. Auch wenn
das gruselige Geschöpf darauf besteht, kein Clown sondern ein Harlekin
zu sein, würde Stephen King Es sicherlich wiedererkennen,
falls er ihm je begegnete. Die Déjà-vu-Erlebnisse ziehen
sich durch den ganzen Roman. Es gibt einen Zwerg, der sich unsichtbar
machen kann, die Kinder treffen auf einen Riesen, der nur ein Auge auf
der Stirn hat, ein Schwert, das seinem Besitzer magische Kräfte verleiht,
ist von einem Flammenkreis umgeben und stellt rätselhafte Fragen
wie die Sphinx persönlich. Der Leibwächter des Kalifen heißt
ausgerechnet Halef und sein Gesandter hört auf den Namen Mohammed
Ali, der sich von seinem Namensvetter Muhammad unter anderem dadurch unterscheidet,
dass er nicht boxt. Dies sind nur einige Beispiele.
Nein, eins zu eins hat der Autor seine Vorbilder nicht umgesetzt, aber
der Leser merkt allzu deutlich, woraus er seine Inspirationen geschöpft
hat. Diese Vorgehensweise findet man immer wieder in Kinder- und Jugendbüchern.
Vielleicht hoffen die Autoren darauf, dass Kinder noch nicht so viel Leseerfahrung
besitzen und deshalb nicht merken, dass sie nichts Originäres vorgesetzt
bekommen. Aber wenn man sich dermaßen auffällig aus der Weltliteratur
und anderen bekannten Werken bedient, warum schickt man dann seine Helden
nicht gleich in eine phantastische Parallelwelt, in der die Originale
leben und neue Abenteuer bestehen müssen, jedenfalls sofern die Originale
nicht mehr dem Copyright unterliegen? Anton und seine Freunde hätten
auf Alberich anstatt auf Zillipoch treffen können, der Riese dürfte
Polyphem heißen, das Schwert wahlweise Balmung oder Excalibur und
wenn ein "Halef" auftaucht, dann bitte der einzig wahre und
das ist und bleibt im deutschen Jugendbuchbereich nun einmal Hadschi Halef
Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Odysseus und
Sindbad wären sicher auch Bewohner dieses phantastischen Landes und
Anton und seine Freunde könnten dort spannende, witzige und unterhaltsame
Abenteuer erleben, ohne dass der Leser das Gefühl haben müsste,
ihm solle möglichst unauffällig etwas Altes als Neues verkauft
werden.
Es gibt auch Fehler in diesem Buch; Rechtschreibfehler und andere. Einen
falsch geschriebenen "Cumputer" werden die Kinder noch erkennen
und nicht in ihren aktiven Sprachschatz übernehmen, wenn aber aus
einem "Mohr" ein "Moor" wird, dann ist das in Zeiten,
in denen die durch die Rechtschreibreform verursachte orthographische
Sprachverwirrung noch immer anhält, problematisch.
Als es um die Cheopspyramide geht, sagt der Kalif, sie sei 146 Meter hoch,
"das haben wir nachgemessen". Der Kalif kann die Maßeinheit
"Meter" aber gar nicht kennen, da sie erst viele Jahrhunderte
später festgelegt wurde und zu seiner Zeit Körpermaße
gebräuchlich waren.
Und der Zwerg Zillipoch besteht immer wieder darauf, dass er kein Zwerg,
sondern ein Gnom ist, später erklärt er beleidigt, er sei ein
Gnom und kein Zwerg.
Um Spannung zu erzeugen, wurde die Geschichte nicht nur mit Anspielungen
auf Märchen, auf die Odyssee, die Nibelungen- und Artussage, sondern
auch mit allen Arten von Gefahren vollgestopft, die bei Kindern (mäßige)
Angst, Schrecken und Aufregung erzeugen können. Es gibt Zauberer,
Riesen, Dämonen, Piraten, Drachen, Tiger, Vampire, Ghule usw., die
alle recht schnell und mit wenig Aufwand besiegt werden. Dadurch ist schon
früh klar, dass die Kinder trotz aller Abenteuer nie ernsthaft Schaden
erleiden werden, was die angestrebte Spannung stark mindert.
Leider muss man sagen, dass in diesem Falle weniger mehr gewesen wäre.
Hätte sich der Autor auf den orientalischen Kultur- und Märchenkreis
konzentriert und wäre er nicht der Versuchung erlegen, seine Geschichte
mit allerlei Personen, Wesen und Geschehnissen "aufzupeppen",die
sich in anderen Werken als Spannungsträger bewährt haben, dann
hätte Anton Grübel und der Schatz der Kalifen ein origineller
und spannender Roman werden können.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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