Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Das Geschehen ist im prähistorischen Südamerika angesiedelt,
aber dieses ist dem Leser so fremd, das es genauso gut eine Sekundärwelt
sein könnte. Die Nordländer und die Südländer hassen
sich, da beides starke chauvinistische Reiche sind - zu dumm, daß
die Nordländer mit einer schwachen Armee von unerfahrenen Soldaten
mitten unter ihren 'Verbündeten' im Südreich stehen. Der Leser
erhält Einblick in das Leben am Hofe des Gottkaisers, seine prachtvollen
Gebräuche, die dekadenten Adligen und den großen Einfluß
der Priesterkaste - Cija würde sich wohlfühlen, wären da
nicht ihre Alpträume.
Die phantastischen Elemente sind wieder sehr unaufdringlich, aber dennoch
handlungsbestimmend; erst am Ende treten sie deutlicher auf. In diesem
Zusammenhang finden auch die vielen Zufälle der Geschichte eine Erklärung
- ob sie dem Leser zusagt, steht auf einem anderen Blatt.
Figuren treten wieder sehr viele auf, wird allerdings den 'ersten' Teil
nicht gelesen hat, wird sicherlich nicht alles nachvollziehen können.
Wie schon im Vorgänger gibt es kaum klare Positionen, beinahe keine
Figur ist einfach gut und keine ist einfach böse; alle haben ihre
persönlichen Gründe zu handeln, wie sie es tun. Cija ist kein
naives Kind mehr und auch wenn sie zuweilen vermeint frei und glücklich
zu sein, haben sich die Mißhandlungen tief in sie eingegraben und
so kann sie Ruhe nicht lange ertragen. Nachdem der Mord an Zerd unsinnig
geworden ist, irrt sie ziellos weiter, meistens ist sie bemüht darum
sich zu verstecken, da sie vielen gegenüber zur Verräterin geworden
ist; sie scheut nicht mehr den Tod, sondern das zu Tode gefoltert werden.
Cija hat gelernt Gewalt und Demütigungen zu ertragen oder davon zu
laufen, so reagiert sie denn auch auf Probleme. Smahil, ihr grausamer
Liebhaber, Zerd, der sie ebenfalls begehrt, Kaselm, der Hohepriester,
vor dem alle Höflinge Cija warnen, aber auch Ooldra, die Cija so
sehr haßte, und einige mehr spielen eine Rolle in Cijas leidenreichen
Leben.
Die Geschichte schließt nahtlos an den Turm der Göttin,
den 'ersten' Teil, an - kein Wunder, da die Autorin diese 'zwei' Teile
als einen Roman schrieb und erst viel später getrennt wurden. So
geht Cijas Odyssee, eine Queste ohne Ziel, weiter, sie wird einer Vielzahl
von Prüfungen unterzogen, bei denen sie von vornherein keine Chance
hat, zu bestehen. Zunächst versucht sie einfach nur Frieden und Ruhe
zu finden, doch der freundliche, alte Priester geht ihr nicht aus dem
Sinn - als sie diesen erneut trifft, nimmt ihr Leben eine weitere Wendung.
Was ist das eigentlich für Fantasy? Cija nimmt an einem großen
Feldzug teil, Schlachten werden geschlagen, Beute wird gemacht, es wird
Gebrandschatzt und Vergewaltigt. Dumm nur, daß sich beide Seiten
nichts geben - ein Soldat ist ein Soldat ist ein Soldat, egal ob er dieser
oder jener Fahne folgt, am Abend will er Saufen und eine Frau. Dümmer
noch, daß Cija kein Soldat ist - sondern eine Frau. Der Leser erlebt
Cijas Leid, wie sie permanent der einen oder anderen Form von Gewalt ausgesetzt
ist, wie sich ihre Seele immer mehr verformt, bis ihr eine weitere Vergewaltigung
gar nicht mehr soviel ausmacht. Der Leser erlebt zunächst ihren sozialen,
dann ihren seelischen Verfall - ein 'Happy End' kann es da nicht geben.
Wer eskapistische Literatur sucht, sollte einen großen Bogen um
dieses Werk machen, wer dagegen ein Argument gegen den Eskapismus-Vorwurf
gegen die Fantasy braucht, der wird hier fündig. Es ist Heroic Fantasy
mit einer sehr düsteren Atmosphäre - aus der Opfer-Perspektive.
Das ist zwar sehr originell, aber leider nicht ohne Fehler. Zum einen
erleidet die arme Cija wirklich die Qualen der Welt - mehrfach. Da wäre
sicherlich weniger mehr gewesen. Die psychischen Folgen der Mißhandlungen
hätten deutlicher herausgestellt werden können, gerade wenn
sie in Frieden lebt, sollten diese zum Tragen kommen. Aber statt dessen
erleidet sie ein Ungemach nach dem anderen, Zeit zum Reflektieren stellt
ihr die Autorin kaum zur Verfügung. Die vielen Zufälle sind
ebenfalls störend, auch wenn sie eine Erklärung finden. Diese
ist jedoch zu banal und es fehlt ihr ein Clou. Warum muß Cija all
das Erleiden? Man weiß es nicht. Ihr Vetter scheint sie einfach
nicht zu mögen - wie viel ernüchternder wäre es doch, wenn
es keinen besonderen Grund für ihr Leid geben würde? Dann hätte
die Geschichte aber auch ohne Zufälle konstruiert werden müssen.
Das Ende schließlich wirkt etwas übereilt, so als wenn der
Autorin die Puste ausgegangen sei. Was sonst 100 Seiten oder mehr in Anspruch
genommen hätte, braucht nur noch einen Bruchteil davon. Neigt die
Autorin sonst auch zu langwierigen Beschreibungen, die das Geschehen etwas
in die Länge ziehen, so ist es am Ende deutlich zu knapp.
Wie schon erläutert, ist die Trennung zwischen dem 'ersten' und 'zweiten'
Band nachträglich geschehen, daher wird, wer nur einen von beiden
liest, diesen kaum vollständig verstehen können.
Sprachlich ergibt sich kaum überraschend kein Unterschied zum Vorgänger,
Gaskell ahmt den Tagebuchstil einer jungen Frau aus gebildeten Verhältnissen,
die Erbärmliches durchleiden muß, perfekt nach.
(rezensiert von: Theophagos)
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