Worum's geht:
Nachdem Cija durch eine lange Seereise aus Atlantis flüchtete, kommt
sie in einer unbekannten Stadt an. Der Kapitän des Schiffes beschließt,
die Bordkasse etwas aufzubessern und Cija in ein Bordell zu verkaufen,
aber der Schiffsjunge Aal hilft ihr zu entkommen und bringt sie im Bordell
seiner Mutter unter. Cija erkennt schnell, daß Prostitution sie
endgültig zerstören würde. Doch sie hat Glück im Unglück,
denn ihr erster Freier ist ein romantischer Junge, der ihr zusammen mit
seinen Kumpels eine weitere Flucht ermöglicht. Mittels eines Tricks
gelingt es, seine Mutter davon zu überzeugen sie und ihre Tochter
im Haushalt mit aufzunehmen. Dort lebt sie für eine Zeit zufrieden,
bis sie feststellt, daß sie in ihrer Geburtsstadt angekommen ist
und ihr Vater, der Hohepriester, verzweifelt nach ihr sucht - um sie zu
töten...
|
|
|
|
Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Das Geschehen trägt sich ausschließlich in der namenlosen Stadt
von Cijas Geburt und dem umliegenden Dschungel zu. Im Gegensatz zu den
Vorgängerbänden wird die Umgebung kaum geschildert. Die Stadt
ist heruntergekommen, denn in den letzten Jahrzehnten wurde sie wiederholt
geplündert und seitdem der König des Nordreiches Zerd ausschickte,
wurde es besonders schlimm. Die Stadt hatte niemals viele Steinbauten,
aber nach den letzten Besetzungen besteht sie fast nur noch aus Holz-
und Strohhütten. Dominiert wird die Stadt im doppelten Sinne vom
Tempel - zum einen ist da das monumentale Bauwerk und dann die omnipräsente
Priesterschaft. Sie ist verhaßt - aber auch so sehr gefürchtet,
daß die meisten Opfer ohne Gegenwehr mitkommen. Und Opfer gibt es
viele, denn die Götter verlangen danach. Ganze Plätze sind mit
den Überresten von unliebsamen Bewohnern, die den Opfertod starben,
übersäht. Aber nicht nur die Gewalt der Priester verunsichert
die Stadt - Adlige feiern Orgien, bei denen die auf der Straße gefangenen
Frauen schlimmstes zu erwarten haben; Kriminelle, Bordellwirte und Sklavenhändler
sind keineswegs zimperlicher. Die Gesellschaft erinnert entfernt an die
der Azteken. Die Schilderungen lassen bisweilen ein leichtes Gefühl
von Urbanität aufkommen.
Die magischen Elemente sind offensichtlicher und gewöhnlicher als
früher. Cija hat einen Schutzzauber gelernt, die Priester nutzen
zuweilen welche, eine Unsterbliche demonstriert ihre Macht, es gibt Affenmenschen,
Geister und Dinosaurier. Gaskell bietet eine bunte Palette; es paßt
zwar alles zum Setting, wirkt z.T. unausgereift und aus bloßem Selbstzweck
eingeworfen - etwas uninspiriert, wenn auch mit einigem Geschick umgesetzt.
Cija ist wieder die zentrale Figur; die ehemalige Göttin ist weit
herum gekommen und heruntergekommen. Sie will keinen Mann mehr, sie will
keine Intrigen in feinen Palästen mehr, sie will nur noch in Frieden
ein einfaches Leben führen und sich um ihre Tochter Seka kümmern
(wenngleich es Cija nicht besonders stört, als sie diese bei ihrer
Pflegefamilie zurücklassen muß). Das ist alles ohne weiteres
nachvollziehbar - wenn man ihre Vorgeschichte kennt. Ein paar mehr Erläuterungen
wären hier hilfreich gewesen. Cija ist ein wenig aktiver als in den
Vorromanen, aber immer noch eine ungewöhnlich passive Figur - da
aber die Handlung rascher voranschreitet, bemerkt man dieses nicht so
sehr. Es treten ein paar bekannte Figuren - wie Zerds stumme Tochter Seka,
Cijas inzestuöser Halbbruder und Liebhaber Smahil und Cijas göttliche
Mutter - und einige neue Gesichter - wie Bronza und Urga, die kecken Schwestern
des romantischen Jungen, der Cija aus dem Bordell rettet, und der Rest
ihrer bodenständigen Familie, der einfache Affenmensch Ung-g, bei
dessen Stamm Cija eine Zeit lang lebt, und der mächtige und korrupte
Hohepriester, Cijas Vater, der sie dringend töten will - neben etlichen
anderen auf. Insgesamt sind die Figuren einfacher, aber kräftiger
charakterisiert - Cijas Verhältnis zu Smahil wird z.B. auf deren
Liebesbeziehung reduziert.
Cija führt ihr Tagebuch weiter, aber die alltäglichen Einträge
sind mittlerweile fast komplett verschwunden. Rasant gerät die junge
alleinerziehende Mutter von einem Abenteuer ins andere. Auch wenn sie
immer das potentielle Opfer ist, kann sie häufig vor dem Schlimmsten
durch eigenes Handeln oder fremde Hilfe fliehen.
Die thematisierte Sexualität ist allerdings etwas befremdlich; im
Bordell wird darüber diskutiert, ob es das kalte Bett unter dem Fenster
oder ob es "[...] der Fick mit dem Esel [war], der [die Prostituierte]
so fertiggemacht hat." (S. 346) Später hat Cija Sex mit
einem der Affenmenschen. Auch Zwangsprostitution wird angerissen. Doch
die Themen werden nicht tiefer behandelt und scheinen eher grelle Aufhänger
als ernsthaft behandelte Phänomene zu sein. Es fehlt ihnen sehr stark
an eindringlicher Schilderung, um so verstörend wie die Vorgänger
zu sein.
Im Land der Affenmenschen ist der 4. Band des Zyklus' um Cija,
und man merkt es sehr deutlich. Die Erzählstränge, die aus den
ersten drei Bänden in diesen hineinreichen, werden kaum erläutert,
vielfach fehlt es so an Tiefe: Es sollte ein Schock sein, wenn sich herausstellt,
daß die namenlose Stadt Cijas Heimatstadt ist - wie soll sich dieser
aber ohne das Vorwissen einstellen? Es lohnt sich nur diesen Band zu lesen,
wenn man wissen will, wie es mit der kleinen Göttin weitergeht, denn
einige Stränge werden hier zuende gebracht, andere bleiben allerdings
noch offen. Sonst wird man von einer halbtrivialen, halbverstörenden
Abenteuergeschichte aus der Opferperspektive "unterhalten."
Gaskells Stil ist rund und poliert, die Geschichte läßt sich
flüssig lesen und die Wortwahl ist zumeist treffsicher, wenngleich
sie bisweilen zum Vulgären neigt. Aber der Stil unterstützt
die Tagebuch-Fiktion überhaupt nicht mehr.
(rezensiert von: Theophagos)
|
|
|