Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Es ist ein düsteres Heldenepos, das ganz der Figur Haris/Caines gewidmet
ist, einem egoistischem Haudrauf, der zwischen seiner unterdrückten
Existenz als Hari und seinem überragenden Helden-Alter-Ego Caine
gefangen ist, einem Charakter, der mit seiner äußerst aufdringlich-virilen
Präsenz zwar nicht gleich sympathisch ist, aber von der ersten Seite
an mitzureißen vermag.
Man findet sich auf einer Erde der nahen Zukunft wieder, mit einem rigiden
Kastensystem, in dem Privilegierte sich die Zeit damit vertreiben, Schauspielern
zuzusehen, sogar ihre Rollen zu verkörpern, wenn sie auf der per
Technologie erreichbaren Welt Overworld Abenteuer erleben, und zwar keine
kuscheligen Abenteuer aus dem Kinderfernsehen, sondern die blutdurchtränkte
Realität einer feudalen Welt, in der das Faustrecht herrscht. Diese
Gewalt kommt auch ungefiltert beim Leser an, und dadurch werden nicht
nur die Kampfszenen schön realistisch, sondern auch die letzte Mahlzeit
im Magen rebellisch. Der Brutaltiätsfaktor schwingt sich in diesem
Roman in ungeahnte Höhen auf, und fast könnte man meinen, die
Gewalt sei ein reiner Selbstzweck, ein voyeuristischer Aufsehens-Erreger.
Aber die Anwendung und Instrumentalisierung von Gewalt ist auch ein zentrales
Motiv der Handlung: Stover stellt eine Gesellschaft dar, die an ihren
größten Stars schätzt, daß man durch ihre Augen
brutalste Tötungen erleben kann, und eine archaischere (?) Gesellschaft
auf Overworld, in der Gewalt das vornehmliche Machtmittel ist (verkörpert
in dem in jeder Hinsicht gewaltigen und gewalttätigen Herrscher Mael'Koth)
- und er stellt nicht zuletzt die Frage, zu welchen Zwecken Gewalt eingesetzt
wird und wie sie im Menschen, vor allem seinem Helden Caine, verankert
ist. Nichts desto trotz gibt es gerade in der ersten Hälfte des Buches
Szenen, deren Sinn bzw. deren Härte man hinterfragen muß, und
Caine erscheint am Anfang als roher Typ, der nach seinen "Helden"taten
auch noch witzige Sprüche auf den Lippen hat. Konsequenterweise geht
die Gewalt in der zweiten Hälfte des Buches auch deutlich zurück,
als Hari immer mehr mit seiner Rolle Caine interagiert.
Auch Overworld, ein relativ gewöhnliches Fantasy-Setting, in dem
Stover auch Elfen und Zwerge untergebracht hat, wird in all ihrem Dreck
und ihrer Brutaltität gezeigt - dennoch gibt es Szenen voller Fantasy-Helden-Pathos,
die aber von Caines zynisch-egoistischer Art schnell gebrochen werden.
Overworld ist im Vergleich zu anderen Settings etwas blaß, ebenso
die meisten Charatkere abseits von Caine - allerdings sind es meist universelle
Archetypen, so daß man die Lücken leicht selbst füllen
kann.
Die Beziehungen zwischen Overworld und der Erde sind vielschichtiger,
als es den Anschein hat, und ein idealer Ausgangspuntk für Caines
verschachtelte Pläne, das Unmögliche, das das Studio von ihm
verlangt, umzusetzen. Entsprechend clever ist auch die Auflösung,
und über die Handlung hinweg verteilen sich etliche Dreh- und Angelpunkte,
an denen sich wieder neue Blickwinkel einstellen. Dazu trägt auch
der überlegte Einsatz verschiedener Erzählperspektiven ein:
Caine zum Beispiel berichtet in der Ich-Perspektive, wenn er "auf
Sendung" ist und man ihm wie seine Zuschauer über die Schulter
blickt, und die Perspektive schwenkt zwischenzeitlich auch zu einer Hand
voll weiterer Personen. Dies macht sich Stover auch für den Spannungsaufbau
zunutze, da er mit distanzierteren Perspektiven dem Leser Informationen
vorenthält.
In die actionreiche Handlung sind eine Reihe moralischer Spiele und Fragen
eingebettet, die allerdings nicht für den Leser beantwortet werden,
sondern nur für den eingeschränkten und nicht gerade moralisch
integren Standpunkt der Charaktere. Dabei wird auch der Leser selbst angesprochen,
als Zuschauer - die treibende Kraft hinter Caine - in sein Abenteuer mit
einbezogen.
Wenn man die Brutalität auf sich nehmen will, ist Heroes Die
eine absolute Empfehlung, ein vielschichter, verschachtelter Roman, der
neben jeder Menge Action und interessanten Ideen auch einen erstaunlich
gefühltvollen Blick auf Zwischenmenschliches erlaubt.
(rezensiert von: mistkaeferl)
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