Worum's geht:
Der Aufbruch aus Eddarta erfolgt erst, als Rikardon und Tarani die Anfänge
einer Gesellschaftsreform eingeleitet haben. Indomel und Zefra fügen
sich aber nur zum Schein und verfolgen ihre eigenen Pläne, wobei
über Indomel noch ein geistiger Einfluss besonderer Art hängt.
Auf dem Weg nach Westen in den Hochgebirgspässen wird Rikardon von
einem heftigen Erdbeben überrascht. Der Vulkan im Tal der sha'um
bricht aus. Buchstäblich in letzter Minute retten die sharit viele
Großkatzen und auch Jungtiere. Der alte Statthalter erwacht plötzlich
aus der Agonie und gibt sich als Zanek, erster König von Gandalara,
zu erkennen. Mit seiner Hilfe gelingt es letztlich nach schweren Kämpfen
den versklavenden geistigen Einfluss von Tinis zu brechen und Raithskar
zu befreien - aber der Untergang Gandalaras ist trotzdem besiegelt. Rikardon
hatte erkannt, dass die ummauerte Welt Gandalara das ausgetrocknete Mittelmeer
ist und der gigantische Wasserfall bei Gibraltar bildet sich, weil sich
die Kontinentalplatten auseinanderbewegen: Gandalara wird ertrinken, weil
seine Lebewesen auf Meereshöhe in der dünnen Luft nicht atmen
können. Rikardon leitet einen Generationenplan zur Rettung ein...
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Warum's so gut
ist:
Verschiedene Facetten der vorausgegangenen Bände werden jetzt erst
endgültig deutlich und in die Gesamtgeschichte einordenbar. Der Erzählstrom
wird spannend, obwohl er sich nicht verzweigt, es bleibt bei der Ich-Erzähler-Perspektive.
Die Spannung kommt aus der Geschichte selbst und nicht aus besonderen
Effekten der Informationsunterdrückung. Erst spät dämmert
Rikardon die Erkenntnis, aus vielen Puzzlesteinen gewonnen (keine Bodenschätze,
nur Kupfer, etwas lokales Meteoreisen, hauptsächlich Salz als einziger
Rohstoff überall, lokal Marmor, Wasser nur von oben vom Rand der
allumfassenden Hochgebirge), dass diese Welt der Tiefseeboden des völlig
trockengefallenen Mittelmeers sein muss, 4000 bis 5000m unter dem üblichen
Meeresspiegel. Dieses Tiefland, die ummauerte Welt Gandalara, ist eine
Extremwüste, wie sie derzeit auf der Erde nicht existiert.
Nach relativ jungen geologischen Erkenntnissen gab es in der Erdgeschichte
eine Zeit, in der das heutige Mittelmeer eine ausgetrocknete Salzsenke
war. Hier spielt sich das ganze Geschehen ab. Garrett schrieb diesen Zyklus,
als die geologischen Zusammenhänge gerade entdeckt waren, aber das
Szenario des Bosorus-Durchbruchs ins Schwarze Meer war noch unbekannt.
Ebenso die jüngsten Frühmenschenfunde in der Sahara zu Beginn
des 21. Jhs., die mit rund 7 Millionen Jahren die derzeit ältesten
sind. Diese Entdeckungen machen Garretts Story heute fast aktueller, als
zu der Zeit, in der sie geschrieben wurde.
Durch tektonische Verschiebungen öffnet sich die Straße von
Gibraltar und die tiefste Senke der Welt beginnt sich zu füllen.
Der einzige Ausweg ist dort, wo der Fluss, den wir als Nil kennen, in
die riesige Senke mündet. Eine Zivilisation mit Ähnlichkeit
zur orientalischen Kultur Nordafrikas und der Sahara steht vor einem riesigen
Umbruch, der die neanderthalähnlichen Menschen genauso erfasst, wie
die telepatisch veranlagten Großkatzen.
Der All-Geist, ein Gesamtbewusstsein, nimmt alles auf, wenn es ihm durch
Menschen mit einer besonderen spirituellen Ausbildung eingeprägt
wird - besser kann man die Akasha-Chronik, das Weltgedächtnis, kaum
schildern. Im siebten Band wird die Struktur des All-Geistes deutlich
herausgearbeitet, aber auch eine andere Region, aus der die Entität
Zaneks zum dritten Besuch in Gandalara kommt - einem Ort der Zufriedenheit
und des Friedens, der Einheit und der Individualität, ohne Sorgen
und doch mit Bewußtssein (S. 224). Es ist dies eine ganz präzise
Beschreibung der hierarchisch gegliederten übersinnlichen Welt.
Die psychologisierenden Auseinandersetzungen Rikardons mit Keeshah, dem
sha'um, zur Verdeutlichung des Unterschiedes der Verantwortung gegenüber
einem Individuum und der Gesellschaft als Abstraktum gehören mit
zu den Höhepunkten des Buches. Die telepatische Großkatze erringt
eine dritte Bewusstseinsstufe.
Einschränkend muss gesagt werden, wer z.B. die Filme von Emmerich
wie The Day After Tomorrow als mit Pathos überfrachtet ablehnt
und die übermittelte Botschaft übersieht, wird bei der Beurteilung
dieses Buches bzw. des Gesamtzyklus zu einem deutlich anderen Urteil kommen.
Die moralische Botschaft an die Verantwortung der Regierenden ist deutlich,
die Verpflichtung zur Selbstschulung und Selbsterkenntnis ebenso.
Insgesamt kann man zum Gesamtzyklus sagen: In sieben Bänden entfaltet
sich die fremde und doch teilweise vertraute Welt, hervorragend geschildert
und naturwissenschaftlich präzise recherchiert und auch beim wiederholten
Lesen nicht langweilig. Die Hauptcharaktere machen eine deutliche Veränderung
und einen Reifeprozess durch. Moralische Verantwortlichkeit ist keine
Verbalhülse, sondern wird errungen und gelebt.
(rezensiert von: wolfcrey)
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