HELDENHERZ

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Berwertungsschlüssel:

5 Sterne = spitze
4 Sterne = gut
3 Sterne = geht so
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1 Stern = übel
Wertung: 5 von 5
1 Rezension
-Die Zerrung in der Wade zwackte. Die Nasdaq war abgeschmiert, Weinregal und Kühlschrank leer, die Kunden drängelten, seine freien Mitarbeiter ließen ihn hängen, der Porsche hustete, beim Sushi-Service lief seit Tagen nur das Band mit der Urlaubsansage, und er hatte seit mindestens drei Wochen keinen Sex gehabt. Magnus Morgenstern hatte wirklich Probleme. Dachte er wenigstens.-
Zyklus/Band -
Autor Sven Böttcher
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 2000 als "Psychopathos", neu: 2003
Verlag rororo
ISBN 3-499-23278-2
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 387
Probekapitel -
Worum's geht:
Ein Bote sucht den Marketing-Experten Magnus Morgenstern auf und versucht ihm klarzumachen, dass er berufen sei, mit sechs anderen Trigonen die Welt zu retten. Azrael, der Schattenblick, ist beiden dicht auf den Fersen und Magnus versteht und glaubt kein Wort. Andere Dämonen sind den Trigonen auf der Spur und einer nach dem anderen stirbt, Thor Hammerskold sogar im vollen Bewusstsein seiner magischen Kräfte. Der Ignorant Magnus allein bleibt übrig, das leichteste Opfer für die Kräfte des Bösen. Knapp entkommt er einem Anschlag und begibt sich zusammen mit der Ex-Freundin Katharina und dem alten Gelehrten Sebastian in die Höhlung, in der die Hamburger Vorstadtvilla verschwunden war. Eine Reise in der Unterwelt beginnt und Azrael ist hinter ihnen. Nach einigen knapp überstandenen lebensgefährlichen Auseinandersetzungen akzeptiert Magnus widerwillig seine Bestimmung und erhält einen Lehrer und Weggefährten, den die Geschichte als Wieland, den Schmied kennt. Als Magnus dem Fenriswolf begegnet, der ersten großen Prüfung, wird der Höllenfürst entgültig auf ihn aufmerksam...

Warum's so gut ist:
Die Handlung ist linear, ohne Zeitsprünge und ist weitgehend aus der Sicht des Protagonisten geschildert. Als Nebenstränge laufen die Dialoge im Himmel und die in der Hölle separat und doch das Geschehen auf der Erde begleitend, einige Übersichten über Abläufe in der Welt oder bei den Trigonen wie bei den Tagesschau-Nachrichten und im Mittelteil Katharinas Erlebnisse.
Vom Sprachstil her ist das Buch sehr locker, teils im Jugendjargon geschrieben, dort wo es passend ist, auch vulgär, aber trotzdem nicht ausufernd.
Die Komposition erinnert an eine Mischung aus Faust und Apokalypse, das Ganze bei einem guten Joint verquirlt. Die Anspielungen auf gehobene Literatur, Mythologie und Religion sind zahlreich, ohne den Mittelteil der Johannes-Apokalypse zu kennen, versteht man die Welt des Bösen nicht. Nordische Mythologie wird ebenfalls oft bemüht, indische nur zart. Die gesamte Palette der Gegenwartsunterhaltungsszenerie fließt ein in Anspielungen, Querverweisen, kleinen Szenen. Wieland, Zwerge und Motorrad-Altrocker in einem Aufwasch beanspruchen schon die Phantasie ganz beträchtlich.
Fast so nebenbei ist das Buch aber ein moderner Einweihungsroman, der die individuelle Auseinandersetzung mit dem Bösen als zentrales Motiv hat. Die göttlichen Mächte bleiben betrachtend und kommentierend im Hintergrund (-> Prolog im Himmel). Die letzte und schwerste Prüfung, die der Trigon (= Dreieck -> göttliches Dreieck?) zu bestehen hat, ist die mit seinem Doppelgänger, der all sein Wissen, seine Gedanken kennt und ihm den Spiegel der Seele vorhält in der vorletzten, tödlichen Auseinandersetzung. Diese Prüfung der absoluten Wahrhaftigkeit sich selbst gegenüber ist bei jeder spirituellen Schulung eine große Hürde und am Lebensende eine Pflichtübung - wie bei Magnus Morgenstern (nomen est omen). Dass der Held sich selbst besiegt und stirbt, der Höllenfürst Basilisk nur sich selbst besiegen kann durch den Blick in den Spiegel, konnte man schon vorausahnen. Wie es dann aber beschrieben wird, ist packend und mitreißend. Katharina fällt ganz am Ende die entscheidende Rolle zu, denn es ist nie ein Held allein, der die Welt verändert. Das Buch baut zwar diesen Gedanken lange Zeit auf und man übersieht die Rolle der Frau leicht, wird aber wie die göttlichen Ratgeber belehrt, wenn man diesen Blickwinkel hatte.
(rezensiert von: wolfcrey)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Fazit: Ein wundervolles Buch, freakig und modern, große Tiefe bei lockerem Ton.


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