Worum's geht:
In einer abgelegenen Klosterschule werden junge Männer unter harschen
Bedingungen zu Poeten ausgebildet - mächtigen Zauberern, die die
gottähnlichen Andat in ihren Dienst zwingen können. Einer dieser
Poeten ist der junge Maati, der als Schüler zu Heshai, dem Hofpoeten
der wohlhabenden Handelsstadt Saraykeht, berufen wird. Heshai hat das
Andat Seedless an sich gebunden, die vollkommene Verkörperung eines
Gedankens.
Seedless ist Saraykehts wichtigstes Machtinstrument: Dadurch, daß
er die Samen von der Baumwolle trennen kann, hält er das Handelsmonopol
der Stadt aufrecht, und da er die Ernten der Feinde vernichten und sie
selbst unfruchtbar werden lassen könnte, wagt es keiner, Saraykeht
anzugreifen.
Doch die Neider ruhen nicht: Die kriegerische Nation Galt plant, die Grundlage
von Saraykehts Handel und Sicherheit zu vernichten - das Andat. Amat,
die Geschäftsleiterin eines galtischen Handelshauses, bekommt von
diesen Plänen Wind und beschließt, selbst nachzuforschen und
wenn möglich, ihre Stadt zu retten...
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Auf den ersten Blick ist das Anziehende an A Shadow in Summer das
Konzept der Poeten, die mit ihrer Beschreibung von Wesenzügen und
äußerer Erscheinung die Andat, gottgleiche Manifestationen
abstrakter Gedanken, in die Welt und in ihren Dienst zwingen können,
und zugleich deren Charakterzüge und Erscheinung bestimmen. Die Macht,
die es verleiht, das wahre Wesen der Dinge zu kennen, wurde hier in ein
ganz neues Gewand verpackt - und es ist gelungen, wie man an den Charakteren
Heshais und seines Andats bestens ablesen kann. Der Hofpoet Heshai ist
wehleidig und undiszipliniert und wird zu allen Gelegenheiten von dem
in jeder Hinsicht vollkommenen Seedless gequält - zwischen Schöpfer
und Diener herrscht nichts als Haß, aber auch eine für die
Geschichte zentrale Abhängigkeit.
Der Handlungsort, der nicht so dominant im Mittelpunkt steht wie bei anderen
Romanen, die sich in einer urbanen Umgebung abspielen, bietet auch genug
gezügelte Exotik, um den Appetit des Lesers zu wecken. Nicht nur
das disziplinierte Leben in der Klosterschule der Poeten, auch das lebhafte
Saraykeht selbst ist ein leicht asiatisch angehauchtes Ambiente, mit seinen
Teezeremonien und der elaborierten Gestensprache, die jede Aussage begleitet
und ihr Tiefe verleiht - anfangs fast zu enthusiastisch eingesetzt. Gleichzeitig
ist es aber auch ein gelungenes urbanes Setting, eine quirlige Großstadt,
in der man die Charaktere durch "ihr" Saraykeht begleitet.
Vor den Augen des Lesers entfaltet sich ein unaufhaltsames Drama - sowohl
auf der persönlichen Ebene der Figuren als auch für das ganze
Land, subtil ausgelöst durch die Konstellation der Charaktere und
kleine Manipulationen - und in dessen Mittelpunkt stehen die Poeten und
jene um sie herum. Immer eindringlicher erfährt Maati, dessen Schicksal
es sein wird, Seedless einst selbst zu binden, von der Beziehung zwischen
Poet und Andat - daß Seedless ein Teil von Heshais Wunschträumen
und damit Teil seiner selbst ist, seinen Poeten aber gleichzeitig abgrundtief
haßt, und daß noch nicht klar ist, ob Heshai Seedless wirklich
gebunden hat oder seinen Preis noch zahlen muß - den Preis, gewöhnlich
der Tod, den jeder Poet sofort bezahlt, dem beim Binden eines Andats Fehler
unterlaufen.
Die Entwicklungen in A Shadow in Summer werden fast ausschließlich
über Charaktergeschichten in Gang gesetzt und wichtige Dinge spielen
sich oft subtil zwischen den Zeilen ab, daher ist der Roman mit Sicherheit
keine groß angelegte epische Fantasy.
Eher ist er eine verflochtene Geschichte der unmöglichen Entscheidungen,
bei denen jede Wahl die falsche ist: Liat, die kleine Angestellte eines
Handelshauses, die zwischen zwei Männern steht; die Freundschaft
von Maati und dem Arbeiter Itani, die von Liat getrübt wird; Maati,
der sich sowohl mit Heshai als auch mit Seedless anfreundet - und letztendlich
auch die moralischen Entscheidungen, die die Charaktere treffen müssen:
Ein Opfer, um Freunde zu retten? Eine Rache an tausenden um der Gerechtigkeit
an einem Einzelnen willen? Ein Wesen versklaven, um dem Wohl von vielen
zu dienen?
Abraham bringt diese subtilen Nuancen in einem dichten und straffen Stil
an den Leser, der trotzdem ausführlich, mit vermeintlich "nebensächlichen"
Szenen erscheint, von denen letztendlich keine einzige überflüssig
ist. Gerade die alltäglichen Szenen liegen dem Autor besonders, er
hat einen guten Blick für das Zwischenmenschliche, für das gewöhnliche,
mitreißende Leben im Schatten großer Ereignisse.
Die angelegten Handlungsstränge werden in diesem Band weitestgehend
aufgelöst, und erst in den Folgebänden wird sich herausstellen,
wie hoch der Preis ist, den die Andat für ihre Dienste verlangen
- auch wenn man in A Shadow in Summer bereits einen bitteren Vorgeschmack
darauf erhalten kann...
(rezensiert von: mistkaeferl)
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