Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Ich hoffe, daß Daniel Abraham mit seinem Winter des
Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann
Mit diesen Worten hatte ich meine Besprechung zu Sommer der Zwietracht,
dem ersten Band des Zyklus um die Magischen Städte, beendet.
Nun weiß ich mehr, und soviel sei vorne weg verraten: Er kann.
Die Intrigen gehen weiter, und langsam werde ich wirklich neugierig
Was will das Volk der Galten eigentlich? Bis jetzt wird eigentlich nur
von ihnen gesprochen. Sie agieren im Hintergrund und kaufen sich - wahrscheinlich
mit Unsummen - in entscheidungsbefugte Kreise ein. Aber welchem Zweck
dient das Ganze? Liest man Winter des Verrats, beginnt man die
Zusammenhänge ein wenig zu erahnen: Der Herrscher der Winterstadt
Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen
nun dessen drei älteste Söhne um die Nachfolge. Ein barbarischer
Brauch - nebenbei bemerkt - wobei derjenige als nächster den Thron
besteigt, dem es gelingt, beim Kampf um die Nachfolge am Leben zu bleiben
Hmm
ich weiß nicht, ob es so gut für eine Stadt, ein
Volk oder ein Reich ist, jemanden zum König haben, der am gewieftesten
seine Familie umzubringen weiß
aber sei's drum
In diesem Kampf mischt diesmal jemand mit, der dafür eigentlich nicht
vorgesehen ist und Hilfe vom Volk der Galten erhält. Die Galten betreiben
eine hinterhältige Politik, die darauf abzielt, die Vormachtstellung
der Khaistädte zu untergraben, und auch deren Reichtum - der auf
den von den Dichtern des Reiches beschworenen Andaten beruht - sticht
ihnen in die Augen. Es scheint wohl eines ihrer wichtigsten Ziele zu sein,
das Wissen um das streng gehütete Geheimnis der Andatenbeschwörung
ohne große Aufmerksamkeit an sich zu bringen.
Daniel Abraham gelingt es abermals mit seinen detailreichen Beschreibungen,
die Figuren sehr lebendig wirken und deren Konflikte, Leidenschaften und
inneren Sehnsüchte den Leser miterleben zu lassen. Eine der faszinierensten
Figuren des zweiten Bandes ist Idaan, die Tochter des sterbenden Herrschers
von Machi. Sie ist im Grunde eine unspektakuläre Erscheinung: nicht
besonders hübsch, aber auch nicht ausgesprochen häßlich.
Sie versteht es allerdings meisterhaft, sich mit Lidschatten, Make-Up
und Kajal gebührend in Szene zu setzen. Diese Kunst ist durchaus
von Vorteil, und sie weiß ihre dadurch erreichte äußere
Erscheinung geschickt für ihre Ziele einzusetzen. Sie haßt
die Konventionen, in die sie als Frau und Herrschertochter hineingeboren
wurde, und kämpft auf ihre Weise dagegen an. Sie weiß genau,
was sie will, und spinnt - mit Hilfe mächtiger Verbündeter
- eine folgenschwere Intrige
Neben dem Mann, den sie heiraten soll, teilt Idaan allerdings noch mit
Chemai, dem Dichter der Stadt, das Bett, und man wird beim Lesen den Eindruck
nicht los, daß sie ihn ziemlich zum Narren hält. Sie sucht
seine Nähe zunächst auch nur, um sich nicht mit ihren schweren
Schuldgefühlen herumplagen zu müssen, doch bald wird aus dieser
anfänglichen Zerstreuung Liebe - oder sagen wir: Leidenschaft, und
das wiederum bringt sie bald arg in Bedrängnis. Idaan ist eine Figur,
die mit ihren psychischen und charakterlichen Abgründen vom Autor
am genauesten ausgearbeitet wurde. Da gibt es den - verständlichen
- Wunsch, etwas darzustellen, jemand zu sein und beachtet zu werden. Diese
Bedürfnisse setzt sie allerdings äußerst rücksichtslos
durch. Ihr Geltungsbedürfnis und Machtstreben geht auf Kosten anderer,
ohne daß sie selbst dazu bereit wäre, Verantwortung für
ihr Tun zu übernehmen. Andererseits empfindet sie Reue, sie sehnt
sich nach der Unschuld ihrer Kindertage und würde am liebsten alles
ungeschehen machen. Diese Beschreibung der Figur der Idaan ist Daniel
Abraham so gut gelungen, daß man ohne Schwierigkeiten nachvollziehen
kann, was in ihr (und - nebenbei bemerkt - auch in den anderen Figuren
des Romans) vorgeht.
Gleiches gilt für Chemai: Der Autor beschreibt ihn als Menschen,
dem es aufgrund seiner Jugend an Reife und Abgeklärtheit fehlt. Idaan
ist seine erste große Liebe, und das trübt nicht nur sein Urteilsvermögen,
sondern läßt ihn auch einen Fehler begehen: er schwört,
sie bedingungslos vor allem zu beschützen. Dieser Schwur hat bei
seiner besonderen Stellung auch ein besonderes Gewicht und Chemai gerät
dadurch auch bald in eine besondere Zwickmühle
Sein Andat Steinerweicher
meint es erstaunlich gut mit ihm, obwohl er natürlich - wie alle
Andaten - in erster Linie um jeden Preis seine Freiheit herbeiführen
will. Steinerweicher gibt Chemai - für lediglich gestaltgewordene
Gedanken und Ideen - erstaunlich pragmatische Empfehlungen im Umgang mit
sich und seinen Gefühlen. Diese Passagen lesen sich recht amüsant,
vor allem, weil Steinerweicher mit seinen lakonischen Bemerkungen den
Nagel oftmals auf den Kopf trifft. Doch nicht nur bei der Beschreibung
der Figuren beweist Abraham einmal mehr, daß er mit Sprache umzugehen
weiß, sondern auch die Schauplätze, Szenen und Situationen
sind wieder in wunderbarer Klarheit umrissen. Da findet sich kein überflüssiges
Wort und kein langatmiges Abgleiten in allzu genaue Detailbeschreibungen.
Die Handlung wird einmal mehr rasch vorangetrieben, so daß keine
Langeweile aufkommt, und es finden sich überall die passenden Worte,
um etwas so darzustellen, daß man es sich deutlich vorstellen kann.
Alles in allem ein Band, in dem die Karten im Machtgefüge der Magischen
Städte neu gemischt werden, und der einen die Vorgehensweisen
der mächtigen Kreise erahnen läßt. Ein wesentlicher Aspekt
der Handlung in Winter des Verrats ist, daß Otah, der nie
der Tradition gemäß auf den Thron verzichtet hat, nun als brudermordender
Teufel an die Wand gemalt wird, um dahinter die wahren Machenschaften
um die Thronfolge zu verbergen. Das alles kommt einem irgendwie bekannt
vor, und auch die Tatsache, daß der einzige, der an die Unschuld
des Angeklagten glaubt mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen
hat, als er sich daran macht dessen Unschuld zu beweisen
Es bleibt also spannend im Reich der Magischen Städte
(rezensiert von: Katerchen)
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