Worum's geht:
Nach einem kräftigen Schlag auf dem Kopf findet sich der pragmatische
Vorarbeiter einer Colt-Fabrik des 19. Jh. in einer drastisch veränderten
Welt wieder - die Städte sind ihm unbekannt, ein Kerl in einer Ritterrüstung
bedroht ihn und die Kinder spielen nackt im Dreck. Ein Zirkus ist es nicht,
da ist sich der Yankee sicher, aber vielleicht eine Irrenanstalt. Der
Knappe seines Entführers behauptet allerdings, daß man das
Jahr 513 n. Chr. schreibe und man nicht bei Irren, sondern an König
Artus' Hof sei. Der Pragmatiker beschließt nun folgendes: Ist er
in einer Irrenanstalt, so will er diese binnen kürzester Zeit befehligen,
ist er aber im 6. Jh., so will er in drei Monaten das ganze Land befehligen
- doch am Hofe beschließt man, daß der Fremde in zwei Tagen
auf den Scheiterhaufen soll...
|
|
|
|
Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Sieht man von der Anbindung an die Zeit Mark Twains ab, so spielt die
Geschichte im 6. Jh. in König Artus' England - damit muß der
Autor nur begrenzt authentisch sein, da vieles aus diesem Umfeld eben
an sich sagenhaft ist. Twain bemüht sich darum, den Mythos des Rittertums
zu entzaubern. Im Detail will er nicht akkurat sein, vielmehr will er
die Härten des Feudalismus und die dazugehörigen Mentalitäten,
sowohl die der Herren als auch die der Knechte, explizieren. In verschiedenen
Episoden beleuchtet Twain die unterschiedlichen grausamen Aspekte dieser
Gesellschaftsform, z.B. beschreibt er einen Sklaventreck, bei dem eine
junge versklavte Mutter vor Erschöpfung strauchelt. Der Sklaventreiber
läßt ihr das Kind nehmen und einige Männer, darunter ihr
Ehemann, sie festhalten, während er der Frau den Rücken zerpeitscht.
Ihren Ehemann peitscht er anschließend ebenfalls aus, bloß
weil dieser seine Frau während der Bestrafung nicht ansehen wollte.
Die Mitgefangenen geben derweil zynische Kommentare über die Qualität
der Schläge ab. In einer anderen Episode läßt Twain die
Diener eines ermordeten Herren eine Bauernfamilie und ihre Verwandten
lynchen, nur weil diese am Tod des Herren beteiligt gewesen sein könnten
- und die ebenso unterdrückten Nachbaren helfen mit. Eine der Qualitäten
des Buches ist Twains Bemühen den Mechanismus, der die Unterdrückten
das unterdrückende System ohne große Zweifel stützen läßt,
herauszuarbeiten.
Keine der Figuren weist besondere Charaktereigenschaften auf, was aber
auch gar nicht nötig ist, schließlich will Twain das perfide
System entzaubern, welches eben nicht einige Helden (wie Ritter), sondern
nur ein generelles Einsehen bewirken kann. Die zentrale Rolle hält
zweifellos der Ich-Erzähler, der Yankee aus Connecticut; er ist ein
umfassend gebildeter Vorarbeiter aus dem 19. Jh. und hat nichts besseres
vor als sich eine einmalige Machtposition mittels fortschrittlichen Techniken
aufzubauen und moderne Moralvorstellungen durchzusetzen. Dieses macht
er mit großer Arroganz, denn er fühlt sich den Menschen des
6. Jh. weit überlegen. Clarence ist seine rechte Hand, ein aufgeweckter
junger Bursche, ehemals der Knappe seines Entführers. Letztlich ist
er sogar weiser als der Erzähler. Demoiselle Alisande la Carteloise
- Sandy - ist seine Questendame und begleitet ihn auf seiner Abenteuerfahrt.
Die junge Frau redet unablässig und gibt manches Mal dem Yankee guten
Rat. Obwohl sie sein weiches Herz nicht immer zu begreifen vermag, ist
sie für eine Adlige erstaunlich feinfühlig. König Artus
selbst ist eine sonderbare Figur - einerseits schaut er sich das Leid,
welches per Gesetz den Armen zugefügt wird, völlig teilnahmslos
mit an, andererseits vergießt er Tränen, wenn er ein paar an
Pocken erkrankten Bauern nicht helfen kann. Wenngleich der Yankee sich
bemüht, dem König das Leid verständlich zu machen, so bleibt
Artus doch ein stolzer, tapferer und streitlustiger Ritter, der neue Konzepte
nicht begreifen kann - ebenso wie der Yankee, der schließlich den
Feudalismus nicht vollständig erfassen kann. Auch wenn der König
die Essenz des Feudalismus ist, so ist er kein Monster und kann Yankee
und Leser mit seiner furchtlosen und kompromißlosen Haltung beeindrucken.
Merlin ist der Gegenspieler; er ist ein neidischer, kleiner Taschenspieler,
der an seine eigenen Tricks glaubt - dennoch ist er der einzige, der es
in letzter Instanz wagt, gegen den Yankee vorzugehen. Die anderen Figuren
der Artussage haben ebenfalls mehr oder weniger große Auftritte,
wobei sich ihr Charakter an Malorys Le Morte Darthur hält.
Neben der pointierten Darstellung der Härten versucht Twain aber
auch die Ritter durch eine veralbernde Darstellung zu entzaubern. Die
Ritter der Tafelrunde sind große Jungs, die ohne besseren Grund
als "Dich krieg' ich unter!" aufeinander losgehen, einander
wilde Lügengeschichten erzählen und sie dann naiv glauben. Dazu
gehört die Szene als fünfzig Ritter, nachdem sie eifrig geprobt
hatten, nun darauf brennen ihr Können zu zeigen und in voller Rüstung
mit angelegter Lanze auf dem Fahrrad dem König zu Hilfe radeln. Die
Szenen schwanken zwischen bemüht albern und wahrlich grotesk. Einige
Vorstellungen sind sehr komisch und haben deutlich Ähnlichkeit mit
einigen Szenen aus Monty Pythons Film Die Ritter der Kokosnuß.
Die Einführung vieler moderner Techniken dient einerseits der Herausstellung
des Aberglaubens des Mittelalters und andererseits der Herausstellung
der Hybris und Borniertheit der Moderne, denn schließlich kann Technik
nicht alle Probleme lösen. In einigen Punkten ist die Moderne genauso
schlimm, wie das finstere Mittelalter - Twain spielt z.T. darauf an, wenn
er die Unterdrückten den Diener des ermordeten Herren helfen das
System der Unterdrückung aufrecht zu halten mit den armen Weißen
des Südens vergleicht, die für die Sklaverei in den Krieg ziehen,
obwohl sie unter dieser Institution zu leiden haben.
Leider ist die Geschichte kaum spannend; neben den komischen und den beschreibenden
Teilen sind die, die die Handlung vorantreiben, die langweiligsten.
Sprachlich erlebt man ein Schwanken von altertümlicher Sprache (z.T.
zitiert Twain aus Malorys Vorlage) und "modernen" Anachronismen
- der Yankee nutzt gerne derbe und flapsige Ausdrücke, sehr zur Verwunderung
der umständlich sprechenden Ritter. Twain gelingt es, ein wahres
Wechselbad für die Gefühle des Lesers einzulassen.
(rezensiert von: Theophagos)
|
|
|