Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Blättert man in diesem Buch, dann fallen einem sofort die herrlichen
Illustrationen ins Auge. Helga Geberts in Öl gemalte Bilder sind
faszinierend. Sie zeigen den Zauber des Orients, die Schönheit seiner
Frauen, die Bosheit und Verschlagenheit der Schurken, die Großzügigkeit,
Güte und Liebe der Helden, gräßliche Ungeheuer, böse
Geister und Dämonen und exotische und edle Tiere.
Die Märchen bieten manche Überraschung, und der ein oder andere
dürfte zu seinem Erstaunen feststellen, daß er die Geschichten
aus 1001 Nacht doch nicht so gut kennt, wie er dachte. Oder wußtet
Ihr, daß Aladin und die Wunderlampe in China spielt? Hier
ist der Beweis: Es war einmal in alten Zeiten ein armer Schneider in
China. Mustafa hieß der Schneidersmann, und er hatte einen Sohn,
Aladin genannt. Aladin, der ein rechter Tunichtgut ist, wird von einem
bösen Zauberer, einem Derwisch, in ein unterirdisches Gewölbe
geschickt, um eine Lampe zu holen. Als Aladin das Gewölbe verlassen,
dem Zauberer aber nicht die Lampe aushändigen will, schließt
der ihn dort ein und überläßt den lebendig Begrabenen
seinem Schicksal
Ein alter Magier schenkt in Die Geschichte vom Ebenholzpferd dem
König von Persien ein Pferd aus Ebenholz, das mit seinem Reiter durch
die Lüfte fliegen kann. Als Gegenleistung will er die jüngste
Tochter des Königs zur Frau haben. Ihr Bruder, der Prinz, protestiert
gegen diese Ehe, weil er seine Schwestern nicht unglücklich sehen
möchte. Der Zauberer überredet den Königssohn, sich auf
das Pferd zu setzen und das Tier fliegt mit ihm in ein fernes Land. Dort
gelangt er in das Gemach eines wunderschönen Mädchens, in das
er sich unsterblich verliebt
Die Geschichte von Sindbad dem Seefahrer gehört zu den bekanntesten
Märchen aus 1001 Nacht. Sindbad, der Lastenträger, ist ein armer
Mann. Als er sich vor dem Haus eines reichen Mannes ausruht, verlangt
der Besitzer, ihn zu sprechen. Dieser reiche Mann heißt ebenfalls
Sindbad und war in seiner Jugend arm. Er erzählt dem Lastenträger
von seinen sieben gefährlichen Reisen, auf denen er Ungeheuern und
anderen Schrecken begegnete, mehrmals schiffbrüchig wurde, nur knapp
dem Tode entging, und durch die er schließlich zu Reichtum und Ansehen
kam.
Die Geschichte von Dschamila der Meerfrau und ihrem Sohn, dem König
Badr Basim von Persien erzählt von dem persischen König
Schahriman, der hundert Frauen hat, aber keine Kinder. Eines Tages bekommt
er von einem Händler eine wunderschöne Sklavin geschenkt, die
nicht spricht, bis sie schwanger geworden ist. Sie heißt Dschamila
und ist die Tochter eines der Könige des Meeres. Dschamila bringt
einen Sohn zur Welt, der auf dem Land und im Meer leben kann. Als Badr
Basim 17 Jahre alt geworden ist, verliebt er sich unsterblich in die schöne
Jawhara, aber ihr Vater hütet seine Tochter wie seinen Augapfel und
weist jeden Freier ab, der es wagt, um ihre Hand anzuhalten.
Auch der Sultan Schahraman in Ein Märchen der Liebe bekommt
lange Jahre kein Kind. Erst im hohen Alter wird er Vater eines Sohnes.
Um seine Nachfolge zu sichern, möchte er ihn im Alter von 15 Jahren
verheiraten. Doch der Junge hat in Büchern viel von dem Ränkespiel
und der Tücke der Frauen gelesen und fühlt deshalb nicht die
geringste Neigung, zu heiraten. Mehrere Jahre weigert sich der junge Prinz
beharrlich, sich zu vermählen, lieber will er sterben. Schließlich
hat die Geduld des Sultans ein Ende und er läßt seinen Sohn
in den Kerker werfen
Diese Geschichten aus 1001 und einer Nacht sind wahrhaftig märchenhaft,
weil in ihnen nicht nur wie in den Märchen der Brüder Grimm
Prinzen, Prinzessinnen, Ungeheuer und Zauberer vorkommen, sondern weil
sie außerdem an exotischen Orten spielen, wodurch eine besonders
magische Atmosphäre entsteht. Helga Gebert trifft genau den blumigen,
poetischen Ton, den man mit orientalischen Märchen verbindet. Hier
sind Frauen nicht einfach schön, bezaubernd oder anmutig
sondern so schön wie der Mond in der Nacht seiner Fülle
und um ein holdes Mädchen zu beschreiben, werden auch schon einmal
Dichter zitiert:
Anmut wird sie geheißen.
Vor ihrer Schönheit ohnegleichen,
erblassen die Rosen auf der Au.
Und ihr Antlitz, lieblich wie der Morgentau,
von nachtschwarzem Haar umwallt,
läßt der Sterne Licht verbleichen.
So prüde wie bei den Brüdern Grimm geht es in den Märchen
aus 1001 Nacht nicht zu. Ein Mädchen läßt alle Zurückhaltung
fahren. Darauf begann Budur, ihn an den Schultern zu schütteln,
denn Allah hatte ihr Herz mit Leidenschaft erfüllt, und übermächtig
ward ihr Verlangen, der schöne Jüngling aber rührte sich
nicht
Und sie nahm des Jünglings Hand, wollte sie an ihren Busen
legen, und
fand
ihren Siegelring
Und sie öffnete sein
Leinenhemd, küßte seinen Hals
Doch war des Jünglings
Haut so glatt, daß ihre Hand über seine Brust glitt, über
seinen Leib und seinen Bauch und tiefer, bis ihre Hand auf seiner Lanze
lag. Dabei war der Jüngling doch vorher völlig unbewaffnet.
Dieser Überfall auf den schlafenden Prinzen entbehrt nicht der Komik,
hatte die Prinzessin doch noch kurz vorher ihrem Vater entschieden mitgeteilt:
Ich will mich nicht vermählen. Frei bin ich geboren und frei will
ich bleiben und mich nicht beugen unter die Herrschaft eines Mannes.
In diesen Märchen findet der Leser alles, wovon er in seinem Alltag
oft nur träumen kann: Gefährliche Abenteuer, starke und mutige
Helden, liebreizende, wunderschöne Frauen und die ganz, ganz große
Liebe.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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