Worum's geht:
Nach den Ereignissen um das Amulett von Samarkand sind zwei Jahre vergangen,
zwei Jahre, in denen aus Nathaniel immer mehr John Mandrake, ein ehrgeiziger,
gewissenloser Zauberer wurde. Er ist nun mit der Aufgabe betraut worden,
die Resistance zu zerschlagen, aber Anhaltspunkte hat er wenige: Er war
vor zwei Jahren Kitty, Stan und Fred begegnet. Dann aber richtet etwas
Mächtiges großen Schaden in London an - die Verantwortlichen
entscheiden, daß es in Mandrakes Ressort fällt, dieses aufzuklären.
Aber auch die Resistance um Kitty steht vor einem großen Problem,
denn die gegenwärtige Strategie ist ausgereizt. Da teilt ihr Anführer
mit, er habe einen Plan, nach dessen Erfolg London in den Grundfesten
erschüttert werden könnte...
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Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Das Geschehen findet in einer alternativen Welt, hauptsächlich in
London statt, aber es gibt auch kurze Ausflüge nach Prag. Auf dieser
Welt wird das britische Empire von einer Clique machtgieriger, arroganter
und hartgesottener Zauberer regiert. Mit Hilfe der von ihnen kontrollierten
"Dämonen" (Marid, Afrit, Djinn, Foliot und Imp) gelingt
es ihnen, die Welt zu dominieren. Aber es zeigen sich die ersten Risse:
Die Yankees der nordamerikanischen Küste streben nach Unabhängigkeit,
das vor 150 Jahren zerschmettere Tschechische Kaiserreich beginnt sich
wieder zu rühren und daheim in London agiert die Resistance gegen
das Diktat der Zauberer. In vielen Punkten scheint es die Moderne zu sein:
Die Zauberer fahren in dunklen Limousinen, lassen Fotokopien machen und
fliegen mit Flugzeugen. Doch dann gibt es eigenartige Rückständigkeiten:
Die Schiffahrt wird mit Windkraft betrieben, Soldaten tragen bunte, klimpernde
Uniformen und benutzen keine vollautomatischen Waffen. Die Geschichte
spielt zwar ausschließlich in Städten, aber ein Gefühl
der Urbanität wird nicht vermittelt.
Die magischen Elemente dominieren die Geschichte. Da sind die Zauberer,
die von ihnen kontrollierten Dämonen, beide sprechen Zaubersprüche
und die Mitglieder der Resistance, die alle eine gewisse Resistenz gegenüber
Magie besitzen, haben häufig noch eine weitere magische Fähigkeit.
Echte nicht-magische Leute und Gegenstände treten nur sehr am Rande
auf und haben fast keine Bedeutung. Insgesamt bleibt unklar, welche Zaubersprüche
nur Dämonen sprechen können und welche auch von Zauberern genutzt
werden können. Dann ist nicht klar, was sich mit Zaubersprüchen
alles anfangen läßt oder welche Dämonen über welche
Fähigkeiten verfügen: Irgendein kleiner Foliot kann sich unsichtbar
machen und Bartimaeus nicht - warum?
Figuren treten zwar nur drei zentrale auf, doch daneben gibt es eine ganze
Anzahl weiterer: Kittys Eltern, die anderen Mitglieder der Resistance,
ein alter Freund, dann zahllose Zauberer aus den unterschiedlichen Ministerien
und "Dämonen." Einige haben allerdings so kurze Auftritte,
daß man sich fragt, warum die überhaupt einen Namen erhalten
haben. Vielfach neigen die Figuren leider dazu, sehr ähnliche Charaktere
zu haben: Alle Zauberer sind machtgierig und gewissenlos, die meisten
"Dämonen" neigen zu einer fatalistischen Sklavenhaltung.
Interessant und gelungen dagegen sind die Gewöhnlichen (inklusive
der Resistance), hier finden sich Kollaborateure, zögerliche Regimegegner
und aktive Widerständische mit vielen unterschiedlichen Motivationen.
Die drei zentralen Figuren sind Kitty, Nathaniel und Bartimaeus. Kitty
ist seit drei Jahren ein Mitglied der Resistance. Zunächst will das
Mädchen einfach nur Rache, aber langsam entsteht ein Einsehen, daß
diese Haltung zu nicht viel führen wird. Nathaniel, der sich John
Mandrake nennt um seinen wahren Namen zu schützen, ist der Assistent
von Mr. Tallow, dem Vorsitzenden der Internen Angelegenheiten. Nathaniel
will einerseits Rache für die Demütigung, die er vor zwei Jahren
von der Resistance erlitten hatte, und andererseits mehr Macht. Auch wenn
er mehr und mehr John Mandrake wird, ist da noch ein Rest vom idealistischen
Nathaniel. Bartimaeus schließlich ist ein uralter Djinn, der mehr
oder minder widerwillig die Befehle seines Meisters - Nathaniel - ausführt.
Mit einem sarkastischen Kommentar ist er allerdings schnell bei der Hand.
Die Geschichte besteht aus zwei Plotsträngen, die nach und nach zusammengeführt
werden - allerdings nicht so, wie man meinen könnte. In einem Strang
geht Nathaniel den sonderbaren Geschehen in London nach und muß
immer wieder sich über die Resistance Gedanken machen. Dieser Strang
erinnert an eine hardboiled Detektiv-Geschichte - nur nicht so "hard".
Nathaniel und Bartimaeus ziehen umher, sammeln Hinweise und geraten in
gefährliche Situationen. Hinzu kommt noch ein bißchen Intrigengerangel
und viel Korruption. Der andere Strang ist auf Kittys Entwicklung fokussiert
- quasi eine Entwicklungsgeschichte. Hier werden ihre wichtigsten Erfahrungen
geschildert - warum sie schlecht auf Zauberer zu sprechen ist, wie sie
zur Resistance kam und wie sie bemerkte, daß es so nicht weitergeht,
bis hin zum großen Coup - und was daraus wird. Hätte es nicht
eine so starke Anbindung an die Politik und die Moderne, dann wäre
diese Abenteuerhandlung klassischer Sword & Sorcery mit dem vielen
Verstecken, Schleichen, Stehlen, Kämpfen und Flüchten sehr ähnlich.
Die Geschichte hat Schwächen am Anfang: Einiges wirkt zu gewollt;
Bartimaeus kann man bei seinem schnellen Einknicken seine Wut kaum abnehmen,
ausgerechnet Nathaniel soll die Resistance zur Strecke bringen, etc. Auch
kommt die Geschichte nur langsam in Fahrt, erst nach knapp hundert Seiten
geht es im Hauptplot voran, Kittys Vorgeschichte zieht sich sogar noch
etwas länger hin. Dann aber wird es spannend und spannender, es gibt
einige echte Überraschungen und ein Ende, das auf die Fortsetzung
gespannt macht.
Die Geschichte ist der zweite Teil der Bartimaeus-Trilogie. Zwar
ist sie im Großen und Ganzen abgeschlossen, doch es gibt auch einige
Fäden, die aus dem ersten Teil stammen und einige Fäden, die
noch am Ende offen bleiben.
Es werden drei Erzählperspektiven genutzt. Kittys und Nathaniels
Kapitel werden jeweils aus der personalen Perspektive erzählt, Bartimaeus
tritt dagegen als Ich-Erzähler auf. In Bartimaeus' Kapiteln wird
häufig von Fußnoten Gebrauch gemacht um die unterschiedlichen
Ebenen seines Denkens zu symbolisieren. Leider tendiert der Autor dazu
Action-Szenen durch Fußnoten massiv an Geschwindigkeit - und damit
an Spannung zu nehmen. Während seine Kapitel vor Ironie und Sarkasmus
sprühen, sind die der beiden Anderen deutlich ernster. Die Sätze
sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.
(rezensiert von: Theophagos)
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