Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Die Geschichte findet zur Gänze im London des Jahres 2005 statt -
allerdings auf einer Parallelwelt, denn es gibt einen gravierenden Unterschied:
Es gibt Magie. Die größte Macht auf dieser Erde ist das British
Empire und dieses wird von Magiern reagiert. Auch wenn es einiges Bekanntes
gibt - die Regierung sitzt in Whitehall, die Magier werden in dunklen
Limousinen umhergefahren etc. - spielt das Setting keine allzu große
Rolle: Es ist mehr Ambiente, welches für eine stimmungsvolle Atmosphäre
sorgt, als Milieu, welches auf die Handlungen der Akteure Einfluß
nimmt. Ebenfalls kommt kein Gefühl von Urbanität auf.
Magische Elemente dominieren die Geschichte offensichtlich. Die Magier
beherrschen wohl den einen oder anderen Zauberspruch - wie Detonation
oder Fliegen - die mit einer kurzen Formel und einer Geste gewirkt werden,
aber vor allem beherrschen sie die "Dämonen". Die "Dämonen"
sind Geisterwesen vom Anderen Ort, Kreaturen purer Essenz, vom kleinsten
Imp über Folioten, Djinn und Afrit hin zu den mächtigen Marid.
Diese sind die Sklaven der Magier - äußerst mächtig, aber
ohne die Möglichkeit, einen freien Willen auszuüben. Was ihnen
nicht gefällt, zumal das bloße Sein auf der materiellen Ebene
sie schwächt und ihnen Schmerzen zufügt. Schließlich gibt
es noch Gewöhnliche, die eine Resistenz gegen Magie entwickeln und
Täuschungen durchschauen können etc. Figuren ohne magische Eigenschaften
spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Auch wenn der Leser hier vieles
über die Natur der "Dämonen" und des Anderen Ortes
erfährt, bleibt anderes leider immer noch im Dunkeln: Welche Mächte
stehen wem offen?
Es gibt drei Protagonisten: Nathaniel, bzw. John Mandrake, Kitty Jones
und Bartimaeus. Nathaniel heißt offiziell "John Mandrake",
denn das Wissen um den wahren Namen verleiht Macht über das Bezeichnete.
Doch nicht nur dem Namen nach wurde aus Nathaniel John Mandrake - er hat
sich zu einem typischen Regierungsmagier gewandelt: Er ist bis ins Paranoide
mißtrauisch, kalt und kalkulierend, was seiner Karriere hilft, wird
in Betracht gezogen. Es gibt allerdings Grenzen - Gewöhnliche für
illegale Experimente zu gebrauchen, hält er für unmoralisch.
Ist es der kleine Rest Nathaniel der sich meldet - denn manchmal sehnt
er sich nach Zwischenmenschlichkeit - oder das Illegale, was ihn dazu
führt? Der siebzehnjährige Informationsminister wird auf eine
harte Probe gestellt. Bartimaeus ist sein Sklave; er dient ihm schon sehr
lange - viel zu lange, um wirklich nützlich zu sein. Doch zwischen
den beiden besteht eine besondere Beziehung, denn Bartimaeus kennt nicht
nur seinen wahren Namen, er ist auch Mandrakes letzte Verbindung zu Nathaniel.
Der Djinn ist ironisch, sarkastisch und vor allem aufsässig. Er neigt
dazu, die eigenen Fähigkeiten zu überbewerten und die der anderen
herunterzuspielen. Aber auch wenn er herzlos tut, stellt sich die Frage,
ob er sich aus Menschen wirklich nichts macht. Jedenfalls neigt er dazu
Gewalt zu vermeiden, wenn er auch eine List anwenden kann. Kitty Jones
ist eine Gewöhnliche mit ungewöhnlichen Fähigkeiten - sie
ist sehr resistent und kann Täuschungen bis zu einem gewissen Grad
durchschauen. Außerdem ist sie extrem hartnäckig, wenn sie
sich einmal etwas vorgenommen hat, dann ist sie kaum davon abzubringen
- drei Jahre brachte sie dafür auf, nach der Formel zu suchen, mit
der sie Bartimaeus beschwören kann. Schließlich ist sie die
Selbstloseste von den dreien; sie ist bereit große Opfer zu erbringen
um das magiokratische Regime zu Fall zu bringen und das Parlament der
Gewöhnlichen wieder einzusetzen.
Daneben gibt es noch eine Reihe von weiteren Figuren, viele alte Bekannte,
wobei die Magier eher zentrische Figuren und die "Dämonen"
eher exzentrisch sind. Auch wenn die Charaktere nicht besonders ausgeprägt
sind, wirken sie dennoch plausibel und rund. Die Gewöhnlichen treten
nur als Statisten oder Funktionsträger auf, die einen Plotpunkt machen
dürfen.
Der Plot ist der eines Polit-Thrillers mit viel Action und Humor. Kitty
plant den endgültigen Umsturz der Magiokratie, während Mandrake
einen gefährlichen Verschwörer mit Bartimaeus' Hilfe jagt und
dabei auf Konkurrenten aus dem Rat achten muß. Langsam, aber sicher
verschlechtern sich die Umstände für die drei, besonders Mandrake
kommt ins Grübeln ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist, bis
die Desillusionierung beinahe komplett ist und alle falsche Hoffnung in
einer katharsisartigen Sequenz abgeworfen wird - bis dahin war die Geschichte
interessant, spannend und komisch, doch dann geht es rasant und höchst
spannend weiter - bis zur Ruhe vor dem Sturm. Die Spannung wird zum größten
Teil aus den bedrohlichen Situationen und den überraschenden Wendungen
gewonnen, aber die Differenzen im Protagonisten-Trio sorgen dafür,
daß auch die langsameren, handlungsärmeren Szenen nicht langweilig
sind. Leider werden manche Fäden durch zufällige Ereignisse
miteinander verknüpft - dieses ist zwar nicht übermäßig
häufig oder gewichtig, aber dennoch bedauerlich.
Die Erzählstruktur ist für einen Fantasy-Roman einigermaßen
ungewöhnlich. Geschildert wird die Geschichte aus den Perspektiven
der drei Protagonisten, doch während Kittys und Nathaniels Szenen
aus der personalen Perspektive erzählt werden, berichtet Bartimaeus
als (unzuverlässiger) Ich-Erzähler vom Geschehen. Darüber
hinaus handeln Bartimaeus Abschnitte einerseits von den Ereignissen um
seinen Freund Ptolemaeus und dessen Tor und andererseits von den Aktionen
im Jahre 2005. Der Clue an den Episoden aus der Vergangenheit ist, daß
die Informationen für die Gegenwart wichtig sind und nicht bloß
eine Vorgeschichte Bartimaeus darstellen.
Wieder gibt es Fußnoten, in denen Bartimaeus entweder trockene,
bzw. zynische Witze macht oder Erläuterungen zu den Djinni oder vergangenen
Erlebnissen (um das Amulett von Samarkand und das Auge des Golems)
macht. Der Stil in Kittys und Nathaniels Teilen ist neutral und in Bartimaeus'
(wen wundert's) empathisch - wobei dieses wegen der Ironie des Djinn nicht
sehr auffällt. Die Sätze sind flüssig und passen gut zum
schnellen Fluß der Geschichte, wie die Wortwahl die Szenen treffend
zu beschreiben vermag.
Die Trilogie begann als Kinder- und Jugendbuch, war also durchaus für
Kinder geeignet. Doch es scheint als wenn Bartimaeus deutlich zynischer
geworden wäre und auch das Geschehen härter wird. So stellt
der Djinn fest: "An Egyptian peace, that is. Still plenty of rape,
pillage and murder, but now carried out by us, rather than against us.
So that's all right." (S. 311) Dieses wird in einem ironischen
Zusammenhang geäußert, dennoch sollte man sich fragen ob Kinder
dieses cool finden sollten.
Ptolemy's Gate ist der dritte und letzte Teil der Bartimaeus
Trilogy. Die Geschichte ist sicherlich auch ohne die Vorgänger
verständlich, es werden die notwendigen Informationen kurz nachgereicht
- mit einen spöttischen Kommentar von Bartimaeus: "Das hatte
ich doch schon einmal erzählt, oder?" - doch es fehlt natürlich
an tieferen Verständnis. Dieses wäre sehr bedauerlich, denn
es werden viele Fäden wieder aufgenommen und beinahe alle beendet.
Die Trilogie läßt sich durchaus als Entwicklungsgeschichte
Nathaniels auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft der Magier
lesen und findet einen sicheren Abschluß. Es bleibt allerdings ein
Faden offen, der zwar nicht weitergeführt werden muß, aber
durchaus weitergeführt werden könnte...
(rezensiert von: Theophagos)
|
|
|