Worum's geht:
In Cathay, einer Stadt am Fuße des Himalaya, leben europäische
Einwanderer neben primatenhaften Eingeborenen. Unter der zivilisierten
Oberfläche regieren Tod, Ausschweifungen und Götzenanbetung.
Wahnsinn und Verfall sind allgegenwärtig.
In mehreren Kurzgeschichten wird der Ort Cathay und seine Geschichte beschrieben.
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Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Jörg Kleudgen schafft hier einen außergewöhnlichen Zyklus
im besten Sinne der Weird Fiction. Weitab vom überwiegenden fantasielosen
Einerlei der US-Autoren und visionärer als ein Großteil der
deutschen Kollegen.
Die Charaktere in Cosmogenesis sind stets einzelgängerisch
angelegt. Sie stoßen auf fremdartige Riten und rätselhafte
Begebenheiten und Orte. Hiermit orientiert sich der Autor zweifellos an
seinen Vorbildern Lovecraft und Poe.
Die Themen sind äußerst vielfältig. Es gibt hier eine
Irrenanstalt, in der unmenschliche Experimente durchgeführt werden;
eine Sekte betet das Haupt der Medusa an; eine Visitenkarte auf Reptilienhaut
führt zu einem Ort der sexuellen Perversionen; ein geheimnisvoller
Rächer mit einer Gasmaske geht um; ein Serienkiller sammelt die Zähne
seiner Opfer ....
Das Bild, das von Cathay gezeichnet wird, ist sehr präzise. Dadurch
es fällt leicht, sich in das Buch hinein zu versetzen. Im Zusammenspiel
mit den phantastischen, surrealen Begebenheiten ensteht so eine einzigartige
Stimmung. Die Geschichten sind meist straff und verlieren sich, trotz
einiger vermeintlicher Abschweifungen, nicht. Gerade diese Abschweifungen
und scheinbaren Unwichtigkeiten tragen dazu bei, die Stadt Cathay und
die Charaktere zum Leben zu erwecken und nicht distanziert, sondern unmittelbar
erscheinen zu lassen.
Ausgerechnet die beiden längeren Stories Cosmogenesis und
Der Gasmann verzetteln sich allerdings nach vielversprechenden
Anfängen leider gegen Ende und werden dadurch unüberschaubar,
jedoch nicht weniger atmosphärisch.
Der fiktive geschichtliche Zusammenhang der Geschichten wird leider nicht
konsequent nachvollziehbar verfolgt. Man muß sich stets vor Augen
halten, das Cathays Fluch mit der nicht geduldeten Rassenvermischung und
der Zeugung eines Kindes, "das den Göttern versprochen war"
begonnen hat. Es wird auch nicht klar, dass einige der Protagonisten Bethanys
Kinder sein sollen (Bethany).
Trotzdem funktionieren die Geschichten gut. Jörg Kleudgen hat sich
stilistisch überaus gut entwickelt. Die überarbeiteten Geschichten
lesen sich flüssiger und weniger holprig als seine älteren Veröffentlichungen.
Die Stories sind intensiv, atmosphärisch, abwechslungsreich und eigenständig.
Es werden teils klassische phantastische Themen zitiert (Medusa, Jack
the Ripper, Irrenhaus), diese jedoch in einen neuen, innovativen Zusammenhang
gestellt.
Enthalten sind auch einige "Quickies", die nicht zwingenderweise
in Cathay spielen, trotzdem gut passen und einige Momentaufnahmen der
Stadt ohne größeren Zusammenhang darstellen.
Abgerundet wird das Buch durch ein erklärendes Nachwort von Uwe Vöhl
(Das Volk der Nacht), ebenfalls Autor und persönlicher Freund
von Jörg Kleudgen (siehe Hallig Spuk).
Das Konzept eines gemeinsamen Handlungsortes als thematische Klammer ist
äußerst dankbar. Der geneigte Leser ist neugierig, andere Gegenden
zu entdecken, zu wissen was zu anderen Zeiten in der Stadt passiert(e).
Ferner wird der Eindruck eines größeren Ganzen vermittelt,
obwohl die Geschichten auch alleine und unabhängig voneinander (be)stehen
können. Ich denke hier z.B. an Jeffrey Thomas' Punktown und
Frank Millers Sin City.
Leider kenne ich die Cosmogenesis-Originalausgabe der Goblin-Press
nicht. Das Nachwort klärt darüber auf, dass einige Geschichten
aufgrund anderer Handlungsorte aus der ursprünglichen Sammlung ausgenommen
wurden. Ich kann aufgrund mir bekannter Goblin-Press-Veröffentlichungen
sagen, dass anscheinend umgekehrt Geschichten (in überarbeiteter
Form) in den Cathay-Zyklus eingegliedert wurden. Der Handlungsort aus
Die Hölle war zuvor nicht genannt; das Kloster/die Irrenanstalt
wurde kurzerhand an den Rand Cathays verlagert. Ebenfalls aufgenommen
wurde wohl Des Sammlers letzte Tage, die auch hier noch ortsunabhängig
ist.
Das Buch ist in einer Auflage von 999 Exemplaren im BLITZ-Verlag in der
(qualitativ bisher allgemein hochwertigen) Reihe Edgar Allan Poes phantastische
Bibliothek erschienen und nur über Direktbezug über www.blitz-verlag.de
lieferbar.
Das Äußere und Innere ist, wie bei allen Büchern der Reihe,
sehr gut gelungen.
Zu erwähnen ist noch das empfehlenswerte Album Cosmogenesis
von Jörg Kleudgens Band "The House of Usher". Hier finden
sich einige titelgleiche Stücke zu den Geschichten in Cosmogenesis,
so dass das Album die perfekte Ergänzung zum Buch darstellt.
(rezensiert von: Greyshirt)
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