Worum's geht:
Rick Nadar ist 25 Jahre alt und hält jetzt den Zeitpunkt für
gekommen, ein geregeltes Leben zu führen. Zu dieser Einsicht ist
er gelangt, weil seine Freundin Rachel, die er seit sechs Monaten kennt,
im fünften Monat schwanger ist. Also arbeitet er nun als Sicherheitsbeauftragter
in einer Computerfirma und träumt von einem normalen Familienleben
mit Freundin und Kind. Doch daraus wird nichts. Als er von seiner Schicht
nach Hause kommt, fordert ihn seine Freundin auf, sofort mit dem Auto
loszufahren, sie könne nicht in dieser Stadt bleiben. Sie brechen
auf, ohne daß Rick weiß, wohin die Reise geht. Rachel sagt
ihm stets rechtzeitig, welchen Weg er nehmen soll. Nachdem sie in mehreren
Hotels abgestiegen sind, in denen merkwürdige Dinge vor sich gehen,
gelangen sie zur Stadt Idleton. Dort verschwindet Rachel. Rick macht sich
auf die Suche nach ihr. Dabei gerät er in eine makabre Bar, die mit
Skeletten, Knochen und Totenköpfen dekoriert ist. Kurz darauf findet
er sich nur mit seiner Boxershorts bekleidet auf der Straße wieder.
Bald muß er feststellen, daß er in Idleton seines Lebens nicht
sicher ist.
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Andreas Gößling hat sich zu seinem Roman von Bildern H.R.Gigers
inspirieren lassen, die dieser in den 70er und 80er Jahren des letzten
Jahrhunderts geschaffen hat. Diese Bilder sind es, die DEA MORTIS
(=Die Göttin des Todes) zu einem besonderen Buch machen. Viele von
Gigers Schwarz-Weiß-Zeichnungen wirken wie eine Kreuzung von Gemälden
Boschs und Brueghels mit dem Film Metropolis, da er häufig dämonische
Geschöpfe mit maschinenähnlichen Gebilden, Stahlkonstruktionen
oder futuristisch anmutenden Häuserfassaden, die aber genausogut
Teile eines gotischen Doms darstellen könnten, verbindet. Die Bilder
sind verstörend, unheimlich und voller religiöser und sexueller
Bezüge. Wer also seinem achtjährigen Sprößling nicht
erklären möchte, was sich da auf einigen Bildern so augenfällig
in die Höhe reckt und auch schon mal direkt von unten in die Mitte
zwischen die nackten Backen (denen auf der Hinterseite wohlgemerkt) einer
Frau zielt, der sollte das Buch kindersicher aufbewahren.
Der Roman ist leider weder so verstörend, noch so unheimlich wie
Gigers Bilder. Man wird nie das Gefühl los, daß man zwar nicht
die Geschichte kennt, aber die Einzelteile, aus denen sie zusammengesetzt
ist. Und allzu oft ist dem Leser von vorneherein klar, daß Andreas
Gößling versucht, Erwartungen zu wecken, die er nicht einhalten
wird. Wenn Rick Nadar sich also zu Beginn plakativ ausmalt, wie er mit
seiner großen Liebe Rachel und dem gemeinsamen Kind das idyllische
Leben einer Kleinfamilie führen wird, dann muß man weder ein
Prophet sein, noch über langjährige Leseerfahrung verfügen,
um zu wissen, daß sich seine Vorstellungen in Null Komma Nichts
in Luft auflösen werden. Und wenn eine schwangere Frau holterdipolter
darauf besteht, die Stadt zu verlassen, ihrem Liebsten nicht sagt, wohin
die Reise geht, sondern ihn einfach durch die Gegend dirigiert, dabei
wie ferngesteuert wirkt und unbedingt in äußerst merkwürdigen
Hotels mit noch merkwürdigeren Bewohnern absteigen möchte, dann
wird der Leser nicht unbedarft daran glauben, daß schwangere Frauen
eben so komische Dinge machen und derartige Reisen für sie genauso
normal sind, wie das plötzliche Verlangen, saure Gurken mit Erdbeeren
und Schlagsahne zu verspeisen. Selbstverständlich wird er annehmen,
daß sich die Geschichte entweder in Richtung Rosmarys Baby
oder Alien entwickeln wird. So ist der Überraschungseffekt
und damit auch ein Großteil der Spannung erstmal gestorben.
Im weiteren Verlauf erinnert der Roman weniger an bekannte Filme, sondern
mehr an Albträume. Gößling beschreibt, immerhin ziemlich
eindrucksvoll, Traumbilder, die jeder kennt, entweder aus eigenem nächtlichen
Erleben oder weil sie hinlänglich bekannt sind. Ob Rick Nadar nackt
auf der Straße steht, ob er von Jugendlichen verfolgt wird, die
ihn verstümmeln und ermorden wollen oder ob er bei seiner Flucht
kaum von der Stelle kommt, - die unheimlichen Frauen, bis hin zur Opfer
fordernden Göttin, dazu die Erinnerungen Ricks an seine Kindheit
und der Hinweis, daß hier Dinge vor sich gehen, die er so ähnlich
in einem Film gesehen hat - das alles stößt den Leser mit der
Nase darauf, daß hier surreale Traumbilder erzählt werden.
Man erliegt nicht einen Augenblick der Illusion, hier könnte einem
Menschen wie Du und Ich wirklich etwas Furchtbares passieren, was einem
- Gott bewahre- vielleicht selbst zustoßen könnte, auch wenn
die Wahrscheinlichkeit noch so gering scheinen mag. Aber nur, wenn es
dem Autor gelingt, die Illusion wenigstens für einen Moment zu erschaffen,
das Beschriebene könnte Realität sein, so daß man erschreckt
bei der Lektüre zusammenzuckt, wenn die schwangere Freundin ins Zimmer
kommt und sagt: "Komm Schatz, laß uns einen Ausflug mit dem
Wagen machen", kann wirklich Spannung aufkommen. Hat man jedoch den
Eindruck, hier wird ein Traum beschrieben und man nur noch rätseln
darf, ob es der Albtraum des Autors nach der Betrachtung der Bilder H.R.Gigers
ist, der des Helden, den unterbewußt doch die Panik vor einem Familienleben
gepackt hat oder ob Gößling diese Traumbilder aus anderen Büchern
zusammengetragen und mit Mythen vermischt hat, dann mag man vielleicht
bewundern, wie der Autor Bilder in Sprache umgesetzt hat, atemberaubende
Spannung kommt jedoch nicht auf, weil jeder Leser weiß: Albträume
mögen zwar einige Zeit bedrohlich wirken, aber letztendlich sind
Träume nur Schäume, von denen keine Gefahr ausgeht.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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