Worum's geht:
Obwohl die dreizehnjährige Nihal das einzige Mädchen
in ihrer Bande ist, und sie sich dazu noch mit ihren violetten Augen,
dem blau glänzenden Haar und den spitz zulaufenden Ohren von den
anderen auffallend unterscheidet, ist sie die Anführerin. Ihr Vater
ist der Waffenschmied der Stadt Salazar, und nichts liebt Nihal so sehr
wie den Schwertkampf gegen die "feindlichen" Fammins, die ebenfalls
Teil ihrer Bande sind. Das ist alles nur Spiel.
Doch eines Tages wird sie von einem Jungen zum
Duell gefordert, den sie noch nie gesehen hat. Er heißt Sennar.
Nihal erkennt auf den ersten Blick, daß er, obwohl älter, ihr
körperlich unterlegen ist. Ein Stockkampf wird verabredet, und in
der Gewißheit des sicheren Sieges setzt Nihal ihren herrlichen Dolch
als Preis aus, an dem sie sehr hängt. Aber es ist Sennar, der gewinnt.
Ohne es zu wissen, hat das Mädchen gegen einen Magier gekämpft.
Nihal hat sich noch nie für Zauberei interessiert, doch wenn man
mit Magie Kämpfe gewinnen kann, dann will auch sie das Zaubern erlernen.
Sie beschließt, bei ihrer Tante Soana, einer mächtigen Zauberin,
die in dem unheimlichen Bannwald lebt, in die Lehre zu gehen. Als die
Truppen des Tyrannen, die richtigen Fammin, in Salazar einfallen und Nihals
Vater vor ihren Augen ermorden, beschließt das Mädchen, sich
dem Orden der Drachenritter anzuschließen, der gegen den Tyrannen
kämpft. Aber in diesen Orden werden nur Männer aufgenommen.
Doch Nihal läßt sich von ihrem Entschluß nicht abbringen.
Sie will Rache für ihren Vater.
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Im Land des Windes ist ein zum Fantasyroman gewordener Kleinmädchentraum.
Nihal meistert fast alle Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen.
Natürlich stimmt ihr Vater schließlich zu, als sie die Magie
erlernen möchte, obwohl er zunächst dagegen ist. Und wie praktisch,
daß er eine Schwester hat, von der Nihal bisher nichts wußte,
die eine berühmte Magierin ist. Natürlich besteht das Mädchen
den Initiationsritus, den es durchlaufen muß, um eine Zauberin werden
zu dürfen. Natürlich ist sie schon als Jugendliche eine hervorragende
Kämpferin, die durch das harte Training, das sie selbstverständlich
absolvieren muß, nur noch vollkommener wird. Natürlich besitzt
sie Durchhaltevermögen, ist sturköpfig, entschlossen und mutig.
Natürlich überlebt Nihal, als die Fammin in Salazar einfallen,
ein schreckliches Gemetzel anrichten, die Stadt plündern und sie
schließlich in Brand setzen. Natürlich ist sie nicht nur aufgrund
ihres Aussehens etwas Besonderes - jeder, der schon einmal einen Fantasyroman
gelesen hat, kann leicht erraten, zu welchem Volk sie gehört - sondern
auch, weil sie die letzte ihrer Art ist. Natürlich wird sie als erste
Frau in den Orden der Drachenritter aufgenommen, dazu muß sie auch
"nur" die zehn stärksten Schüler der Akademie im Zweikampf
besiegen, einen nach dem anderen, ohne eine Pause einlegen zu dürfen.
War die Geschichte bisher eine Aneinanderreihung altbekannter Fantasy-Topoi,
wird es nun langsam albern. Man könnte meinen Pippi Langstrumpf,
die bekanntlich das stärkste Mädchen der Welt ist, hätte
sich in das Buch eingeschlichen, um mal zur Abwechslung ihre Kräfte
dazu zu benutzen, Männer mit dem Schwert zu besiegen, von denen einer
auch noch mit Peitsche und Eisenkette auf sie losgeht, anstatt immer nur
ihr Pferd in die Luft zu stemmen oder Gauner, Polizisten und Piraten außer
Gefecht zu setzen. Leider fehlt Troisi Lindgrens Humor. Sie erzählt
ohne jedes Augenzwinkern wie Nihal zehn fast fertig ausgebildete Krieger
der Reihe nach besiegt und so ist diese Episode trotz der martialischen
Schilderung völlig unglaubwürdig.
Und es möge sich jetzt bitte keiner beschweren, hier bei bp würde
wohl neuerdings ein Spoiler an den anderen gereiht. Jeder hier aufgeführte
Punkt ist vorhersehbar, und sobald ein Handlungsteil beginnt, weiß
der Leser, wie er enden wird. Außer den ganz jungen Leserinnen wird
niemand je vermuten, daß Nihal irgendeine Aufgabe letztendlich nicht
besteht, und wenn sie einmal den Kürzeren zieht, wie bei dem Kampf
gegen Sennar, dann offensichtlich nur, um die Handlung voranzutreiben
und Nihal, die am Anfang der Geschichte ja erst dreizehn Jahre alt ist,
sich entwickeln und reifen zu lassen, so daß ihr aus der vermeintlichen
Niederlage doch noch ein persönlicher Sieg erwächst, und schlußendlich
Gutes bewirkt wird. Die Geschichte ist durchsichtig wie eine frischgeputzte
Fensterscheibe. Selbst wenn Nihal in aussichtslose Situationen gerät
oder ernsthaft verletzt wird, weiß jeder, der älter als zwölf
ist, daß er um die Heldin des Romans nicht bangen muß. Natürlich
wird Im Land des Windes auch gestorben, natürlich trifft es
einen edlen Recken und natürlich bricht sein Tod Nihal fast das Herz,
denn auch die Romantik darf bei einer jugendlichen Heldin nicht zu kurz
kommen. Natürlich ist sie bezaubernd und auf eine faszinierende Art
schön, wenn sie auch laut Autorin angeblich keinem klassischen Schönheitsideal
entspricht. Sie hat lange Wimpern, eine gertenschlanke Figur und "sehr
weibliche Rundungen", womit sie trotz ihrer außergewöhnlichen
Augen- und Haarfarbe und den Mr.-Spock-mäßigen Ohren -was in
einem Land, das auch von Kobolden, Gnomen, Wassernymphen und Drachen bevölkert
ist, so ungewöhnlich auch wieder nicht ist - tatsächlich einem
"klassischen Schönheitsideal" genauso wenig entspricht
wie Heidi Klum. Natürlich ignoriert sie die begehrlichen Blicke der
Soldaten und bleibt unnahbar. Natürlich ist sie eine unerbittliche
Kämpferin, die jeden feindlichen Krieger niedermäht und natürlich
ist es nicht Nihal, die von den Greueln des Krieges überwältigt
wird als sie mit anderen jungen Kriegern zum erstenmal in die Schlacht
geschickt wird, sondern ein zartbesaiteter Jüngling und natürlich
gelingt es auch nur ihr, daß Oarf sie auf seinem Rücken fliegen
läßt, ein Drache, der seit dem Tod seines ersten Herren, niemanden
an sich heran läßt und wegen seines aggressiven Verhaltens
sein Dasein in einem Käfig fristen muß.
Also: Nichts Neues unter der Sonne, aber immerhin ein unterhaltsam geschriebener
Fantasyroman mit einer starken, entschlossenen, tapferen Heldin, mit der
sich jüngere Mädchen sicher gerne identifizieren, sofern sie
sich nicht von den manchmal brutalen Szenen abschrecken lassen, und für
alle, die noch nicht allzuviel Leseerfahrung besitzen auch spannend.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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