Worum's geht:
Der Medizinstudent Tobias bekommt die Möglichkeit, mit einer Zeitmaschine
in die Vergangenheit Hamburgs zu reisen. Der seltsame Apparat stoppt seine
Reise wider die Naturgesetze im Mai des Jahres 1842. Eine unheimliche
Mordserie erschüttert gerade die alte Hansestadt, und Tobias landet
just in der Nähe eines Karrens, auf dem eine grausam zugerichtete
Leiche liegt. Der Tote soll in einen Kanal geworfen werden, als Tobias
durch sein plötzliches Auftauchen denjenigen stört, der gerade
mit der Beseitigung des Toten beschäftigt ist. Die Ereignisse überschlagen
sich und als Tobias einen Tag später den Ort aufsucht, an dem er
die Zeitmaschine zurücklassen musste, ist sie verschwunden. Auf der
Suche danach gerät er ins Visier des Mörders, und stößt
bei seinen weiteren Nachforschungen auf den Dichter Heinrich Heine. Heine
ist überzeugt davon, von einem der Handlanger des Serientäters
bestohlen worden zu sein, und Tobias vermutet bei dem Täter das Wissen,
wo sich die Zeitmaschine befindet. So werden Heinrich Heine und Tobias
zu unfreiwilligen Verbündeten und versuchen nun gemeinsam ihr Eigentum
zurückzubekommen und herauszufinden, was hinter den grausamen Morden
steckt
|
|
|
|
Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Johann Wolfgang von Goethe einmal persönlich die Hand schütteln
in vergangene Zeiten eintauchen und große Ereignisse der Weltgeschichte
hautnah miterleben
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt
Genau diese Möglichkeit bekommt der junge Medizinstudent Tobias.
Über sich und seine Herkunft weiß er nichts: Als Junge wurde
er auf den Stufen der Michaeliskirche in Hamburg gefunden. Er konnte sich
an nichts erinnern, was vorher in seinem Leben geschehen war, und besaß
auch keinerlei Papiere. An Weihnachten wird ihm jedoch jedes Jahr wieder
bewußt, daß es wohl doch jemanden geben muß, der an
seinem Schicksal Anteil zu nehmen scheint, denn er erhält immer ein
anonym abgeschicktes Paket mit einem kleinen Geschenk.
In diesem Jahr bekommt er auf diesem Weg einen geheimnisvollen Kristallstab
zusammen mit einer CD. Auf dieser stellt ihm sein unbekannter Gönner
in Aussicht mehr über sich und seine Herkunft zu erfahren, wenn er
sich mit diesem Stab zu einem bestimmten Uhrenladen begibt. Tobias ist
zunächst skeptisch, doch schließlich siegt die Neugier. In
dem Geschäft angekommen überschlagen sich die Ereignisse und
Tobias findet sich bald darauf im Frühling des Jahres 1842 in Hamburg
wieder.
Thomas Finn arbeitet mit einem Handlungsstrang, der sich mit hohem Tempo
vor dem Leser aufrollt, und in zwei Zeitebenen unterteilt ist: Die Geschichte
beginnt zunächst im Jahr 1842, danach wird Leser in den nächsten
drei Kapiteln in die Gegenwart (in das Jahr 2006) versetzt, um dann mit
der Feststellung Tempus fugit wieder ins Jahr 1842 zurückzukehren.
Finn ist es - vor allem auf Grund der gründlichen Recherchen in den
Archiven und Bibliotheken seiner Wahlheimat Hamburg - sehr gut gelungen,
ein stimmiges Bild der Hansestadt zur Biedermeierzeit zu zeichnen. Die
Geschichte entführt den Leser in die Tage kurz vor und nach dem Ausbruch
des Großen Brandes in der Nacht zum 5. Mai 1842. Die verheerende
Brandkatastrophe brach in einem in der Deichstraße gelegenen Speicher
aus und äscherte im Verlauf von vier Tagen nahezu das gesamte damalige
Stadtzentrum ein. Dieser schreckliche Brand, dessen Ursache ist bis heute
nicht geklärt ist, hat Hamburgs Stadtbild für immer verändert
und der Autor hat diese Tatsache geschickt genutzt, um seine Erklärung
dafür zu finden und sie hier erzählen...
Das historische Hamburg mit seinen windschiefen Holz- und Fachwerkhäusern,
seinen winkligen Gassen und verruchten Ecken ist äußerst lebendig
gestaltet und die Menschen, die diese Straßen, Gassen und Marktplätze
bevölkern, sind mit wenigen gut gewählten Worten treffend geschildert.
Gerade an den Nebenfiguren merkt man, wie viel Liebe in der Gestaltung
des Romans steckt: Der Autor gibt seiner Geschichte nämlich noch
zusätzlich Authentizität, in dem er vor allem in der wörtlichen
Rede Dialekte benutzt, und da die Handlung in Hamburg und Umgebung angesiedelt
ist, wird häufig das Hamburger Platt verwendet. Dadurch wirken die
sozialen Milieus deutlich näher, als durch eine durchgängige
Verwendung der hochdeutschen Schriftsprache: Jochen Borchert beispielsweise,
ein Offiziant im Polizeidienst (er ist entscheidend in den Handlungsverlauf
eingebunden), war vor seinem Amtsantritt bei der Polizei Nachtwächter.
Wer Nachtwächter werden wollte, brauchte keine besondere Ausbildung
vorzuweisen
Kutscher waren auch nicht eben weit oben auf der gesellschaftlichen
Leiter angesiedelt und kamen in der Regel ebenfalls aus einfachen Verhältnissen
nicht zu vergessen wären da noch die Schausteller, Gefängniswärter,
Gauner, Schankwirte, Dirnen und Hafenarbeiter, die im Verlauf der Geschichte
die Schauplätze bevölkern, und ebenfalls kaum ein Wort Hochdeutsch
reden. Im Gegensatz dazu sprechen die Bürger der gehobenen, gebildeten
Schichten in der Regel ein klares Hochdeutsch.
Gerade die Dialektpassagen verleihen den einzelnen Situationen eine Wirklichkeitsnähe,
die mit der Verwendung der hochdeutschen Schriftsprache nicht richtig
wiedergegeben werden könnte: Jochen Borchert wird von Finn als Mann
einfachen Gemüts skizziert, mit einem beachtlichen Leibesumfang,
der auf seine Umgebung nicht den cleversten Eindruck macht. Wenn er jedoch
seine Beobachtungen, die er im Hintergrund macht, mit einer Bauernschläue,
die man bei seiner Charakterbeschreibung erst einmal nicht erwartet hätte,
kombiniert und dann opp platt zum Besten gibt, so dass sein Vorgesetzter
nur baff erstaunt sein kann ob so viel Scharfsinn, dann wirkt das alte
Hamburg - mit Hilfe der im Dialekt verfaßten wörtlichen Rede
- zum Greifen nahe. Es kommen noch andere Dialekte vor und Leser, die
mit ihnen nicht vertraut sind, könnten mit diesen Textpassagen evtl.
Schwierigkeiten haben, aber geschriebenes "Platt" (oder die
anderen Dialekte) lassen sich, auch ohne "Sprachkenntnis" ganz
gut entziffern und wenn Wörter wirklich für Außenstehende
nicht mehr zu verstehen sind, werden sie vom Autor in einer kleinen Fußnote
erklärt.
Thomas Finn scheint seine Wahlheimat wirklich zu lieben - denn dieses
Buch ist eine einzige Liebeserklärung an die alte Kaufmannsstadt,
aber auch eine Hommage an den britischen Schriftsteller H. G. Wells: Die
Beschreibung der Zeitmaschine zu Beginn der Geschichte kommt jedem sofort
bekannt vor, der den Film Die Zeitmaschine aus dem Jahr 1960 gesehen,
oder vielleicht sogar Wells 1904 erstmals auf deutsch erschienenes Buch
gelesen hat. Der Kreis von den Ereignissen im Hamburg des Jahres 1842
zu H. G. Wells 1898 entstandenen Roman schließt sich erst im Epilog,
als Wells an einem regnerischen Tag in London einen Trödelladen betritt
(rezensiert von: Katerchen)
|
|
|