GÖTTIN DER WÜSTE

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Wertung: 1 1/2 von 5
1 Rezension
Zyklus/Band -
Autor Kai Meyer
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 1999
Verlag Heyne
ISBN 3-453-17806-8
Subgenre pseudo-historisch
Seitenzahl 443
Probekapitel -
Worum's geht:
Anfang des 20. Jahrhunderts nimmt die junge Cendrine Muck eine Stelle als Hauslehrerin im Anwesen der reichen Farmerfamilie Kaskaden in Deutsch-Südwestafrika an. Sie hofft, Spuren ihres in Afrika verschollenen Bruders zu finden. Doch von nun an scheint ihr Leben sowohl mit schamanischer Magie als auch mit der grauenerregenden Geschichte der kargen Kolonie an der Atlantikküste untrennbar verbunden zu sein.

Bewertet mitSternen (Besucher-Rezension):
Ich habe eine Vorliebe für phantastische Literatur mit Lokalkolorit. In diesem Falle trägt der Handlungsort beim Leser allerdings zu einer wachsenden Irritation bei. Meyers fiktives Südwestafrika hat, gelinde gesagt, nicht die geringste Ähnlichkeit mit der deutschen Kolonie der Vergangenheit oder dem unabhängigen Staat Namibia der Gegenwart.
Ich will damit nicht sagen, dass die phantastische Verfremdung diese bedauerliche Wirkung ausmacht. Im Gegenteil, das echte Namibia ist von einer phantastisch-morbiden Stimmung, die wohl niemanden unberührt lässt. Hier findet sich wilhelminische Kolonialarchitektur, die eine Ahnung davon gibt, wie Deutschland vor hundert Jahren ausgesehen haben mag, umgeben von Nebelschwaden und Wüstenlandschaften. Festungsartige Berge, die im Innern ihrer Ringgestalt die uralten Felsmalereien der San behüten. Geisterstädte, in denen heute Sanddünen und Giftschlangen zurückerobern, was früher von gewissenlosen Händlern, Diamantenschürfern und Missionaren bevölkert war. Schlachtfelder, auf denen der Wind die Totenklage eines untergegangen Volkes zu spielen scheint. Menschliche Geschichte und menschliches Leid (was fast dasselbe ist) lassen den Reisenden nicht los. Ein faszinierendes Land, das für mich kostbar wie kaum ein zweites ist. In Göttin der Wüste erkenne ich es jedoch nicht wieder.
Das hat vor allem zwei Gründe, die ich kurz erläutern will. Zunächst sind da die fahrlässigen Darstellungen einzelner Details, die den Eindruck erwecken, der Autor habe sich nur sehr oberflächlich mit der Region und ihren Bewohnern beschäftigt. Eine Frau vom Volk der Herero, die Männerkleidung trägt? San (im rassistischen Kolonialjargon 'Buschmänner' genannt), die in der Hauptstadt Windhoek leben? Eine philanthropisch-schöngeistige Familie, die inmitten der Savanne in großbürgerlichen Verhältnissen lebt? Nichts davon hat es je gegeben! Einige dieser groben Verzerrungen wären vielleicht nicht weiter bemerkenswert (zumal in einem Werk der Phantastik), wenn sie Bedeutung für die Handlung hätten, aber sie werden eher beiläufig eingeflochten, als ob sie den Leser mit den Hintergründen des Handlungsortes vertraut machen sollten. Da sie mit diesen Hintergründen allerdings nichts zu tun haben, bewirken sie das genaue Gegenteil. Hier zeigt sich, dass Phantastik in der Regel eben nur dann funktioniert, wenn sie in sich stimmig ausgearbeitet ist, wie schon Tolkien feststellte.
Der zweite Grund hängt mit der Mythologie zusammen, die den metaphysischen Hintergrund des Romans ausmacht. Ich will nicht näher auf sie eingehen, da sich sonst Spoiler kaum vermeiden ließen. Meyer, der selbst kein Esoteriker ist, benutzt gern Elemente der Esoterik für seine Romane. In diesem Fall ist er stark von Robert von Ranke-Graves beeinflusst. Ich kann mir gut vorstellen, dass zahlreiche Leser aus diesem Grund von Göttin der Wüste fasziniert sein werden. Wenn man Namibia allerdings kennt, kann man es kaum anders empfinden, als dass einem Land, dass bereits in seiner Eigentümlichkeit und Einzigartigkeit 'phantastisch' ist, Allgemeinplätze übergestülpt werden, die nichts mit seinem ureigensten Charakter zu tun haben.
Erschreckend finde ich, wie Meyer den Vernichtungskrieg der deutschen Kolonialtruppen gegen die Herero behandelt. Der Autor läuft hier Gefahr, den Völkermord zum atmosphärischen Effekt zu bagatellisieren. Ähnlich verhält es sich mit dem Element des Inzests, der nach meinem Dafürhalten im Plot vollkommen unnötig und weniger schockierend als einfach nur abstoßend ist.
(rezensiert von: Marengo)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
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Illustrationen
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Der Kuss der Russalka

Fazit: Göttin der Wüste enthält zahlreiche gelungene Szenen und ragt auch sonst über den Durchschnitt der deutschen Horror- und Fantasyliteratur hinaus. Eine Leserschaft findet der Roman sicherlich. Für mich bleibt nach der Lektüre nur die Enttäuschung, dass es dem Verfasser nicht gelungen ist, etwas von jenem besonderen namibischen Zauber einzufangen, der so farbenfroh und düster zugleich ist.


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