Worum's geht:
Der Ich-Erzähler - tatsächlich handelt es sich um Lewis selbst
- wandert in der trostlosen und regnerischen Finsternis der Grauen Stadt
herum. Der schier endlos scheinenden Metropole müde geworden, stellt
er sich an einer Bushaltestelle an, ohne sich über den Zielort Gedanken
zu machen. Zu seinem Erstaunen hebt der Bus vom Erdboden ab, um schließlich
auf einer sonnenhellen, grünenden Hochebene zu landen, die mit den
seltsamsten Tieren (u.a. Löwen und Einhörnern) und Gestalten
bevölkert ist. Die Gesetze der Materie scheinen hier aufgehoben zu
sein, doch noch erschütternder ist der Zweck dieses Ortes...
|
|
|
|
Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Lewis greift in Die Große Scheidung die obskure Idee eines
Refrigeriums auf - gemeint ist eine Art positives Gegenstück zum
Fegefeuer. Die geistesgeschichtlichen Hintergründe dieser Idee sind
mir einigermaßen schleierhaft, deshalb kann ich nur wiedergeben,
was Lewis aus ihr gemacht hat (und das finde ich zumindest äußerst
faszinierend): In Lewis' Refrigerium erhalten die Verdammten die Möglichkeit,
einen Blick auf das Paradies und seine Bewohner zu werfen. Sie können
sich dort so lange aufhalten, wie sie wünschen, und sich reiflich
überlegen, ob sie sich statt für die Hölle nicht doch lieber
für den Himmel entscheiden möchten.
Der kurze Roman erinnert stark an die Cosmic Trilogy, insbesondere
durch die unbefangene und witzige Art, Themen der christlichen Mythologie
aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zu beleuchten - hier sind es die
Stätten des Jenseits, dort ist es (in Perelandra, dem zweiten
Band der Trilogie) die Verführung Evas durch die Schlange -, so dass
man sich fast zu den geliebten Bewohnern des Sonnensystems zurückversetzt
fühlt, nachdem man die Trilogie ausgelesen und sich bereits mit leichtem
Wehmut klargemacht hat, dass nichts mehr kommen kann.
Den Hintergrund für diese klassische Himmelsreise gibt natürlich
Dantes Göttliche Komödie ab. Dieser Vergleich muss unausweichlich
kommen, obwohl das Genre der Jenseits- oder Himmelsreise an sich viel
älter ist und auf eine ehrwürdige Tradition zurückblicken
kann, deren Wurzeln in der jüdischen Apokalyptik und im Hellenismus
liegen. Lewis spielt auch hiermit souverän, indem er den römischen
Dichter Vergil (Dantes Führer durch die Unterwelt) durch George MacDonald
ersetzt, der als Verfasser von Erzählungen wie Dayboy and Nightgirl
aus der Geschichte der modernen Fantasy nicht mehr wegzudenken ist. Eine
erstaunlich treffsichere Wahl für einen phantastischen Roman also.
Der Titel selbst ist übrigens eine Anspielung auf William Blakes
The Marriage of Heaven and Hell, einen Klassiker der okkultistischen
Literatur: Während Blake eine esoterische Vereinigung der Gegensätze
postuliert, steht Lewis auf dem Standpunkt, dass der verantwortliche Mensch
sich stets zwischen einander ausschließenden Möglichkeiten
zu entscheiden habe, weshalb es bei ihm eben eine Scheidung und keine
Hochzeit gibt.
Über die enthaltenen theologischen Botschaften will ich hier nichts
sagen, denn man kann sicher schon anhand der Inhaltsangabe ahnen, dass
der Clou des Romans weniger in der Handlung liegt, als vielmehr in den
Erkenntnissen, die aus der Begegnung zwischen Erlösten und Verdammten
erwachsen.
Angemerkt sei, dass der Übersetzer die etwas altertümliche Angewohnheit
hatte, englische Vornamen teilweise einzudeutschen, die Nachnamen aber
im Original zu belassen. Aus George MacDonald wird so Georg MacDonald,
was beim Lesen etwas irritiert.
(rezensiert von: Marengo)
|
|
|