Worum's geht:
Coriander Hobie wird 1643 in London geboren. Ihr Vater ist ein Kaufmann,
ihre Mutter Eleanor besitzt einen wunderschönen Garten und weiß
alles über die Heilkräfte von Kräutern, was ihr den Ruf
einer Heilkundigen mit magischen Fähigkeiten einbringt. Böse
Zungen behaupten, sie sei eine Hexe. Eines Tages liegt ein Päckchen
vor dem Gartentor, es enthält silberne Schuhe, in die sich Coriander
sofort verliebt, ihre Mutter will aber nicht, daß sie sie anzieht.
Coriander weiß nicht, daß die Schuhe Gefahr bedeuten, denn
sie stammen aus einer anderen Welt, einer Welt, der auch ihre Mutter angehört.
Als Eleanor stirbt, heiratet der Vater eine bigotte Witwe, die gemeinsam
mit dem fanatischen Prediger Arise Fell sämtliche Mitglieder des
Haushalts tyrannisiert und mißhandelt. Einige Zeit später muß
Corianders Vater fliehen, um der Verhaftung zu entgehen. Das Mädchen
ist seiner Stiefmutter und Arise hilflos ausgeliefert. Von Anfang an war
es dem Prediger ein Dorn im Auge und wurde häufig von ihm geschlagen.
Schließlich eskaliert die Situation endgültig. Bei einem Streit
schleppt Arise Coriander in das Arbeitszimmer ihres Vaters, stößt
sie in eine alte Truhe, drückt den Deckel nieder, schließt
ab und liefert sie dem sicheren Tod aus.
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Ich, Coriander ist eine klassische Aschenputtel-Geschichte, eingebettet
in einen historischen Kontext. Das ist das Reizvolle an diesem Roman,
der zur Zeit Oliver Cromwells spielt. Jeder öffentliche Ausdruck
von Lebensfreude ist per Gesetz verboten. Die Theater sind geschlossen
und Weihnachten darf nicht mehr gefeiert werden. Arise und Corianders
Stiefmutter Maud entsprechen beide voll und ganz dem Bild des engherzigen,
freudlosen, fanatischen Puritaners, der öffentlich Wasser predigt,
heimlich Wein säuft und seine strengen Glaubensgrundsätze seinen
Kindern und Dienstboten eigenhändig einprügelt. Aber das Pärchen
ist noch schlimmer, denn man kann ihnen noch nicht einmal zugute halten,
sie seien von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugte, fehlgeleitete
Gläubige. Maud und Arise benutzen die Religion als Vorwand um Macht
auszuüben und sich zu bereichern. Geschickt machen sie sich das herrschende
politische Klima des religiösen Fanatismus zunutze, in dem jeder
Angst vor Denunziation, Verhaftung und Hinrichtung hat. Zwischen diesem
bösartigen, gewalttätigen und skrupellosen Paar und Coriander,
die von liebevollen Eltern und einer gutherzigen Haushälterin zu
einem wißbegierigen, eigenständig denkenden und selbstbewußten
Menschen erzogen worden ist, gibt es keine Gemeinsamkeiten. Noch nicht
einmal eine distanzierte, friedliche Koexistenz ist möglich.
Die Parallelen zum Märchen von Aschenputtel sind mehr als deutlich.
Die geliebte Mutter ist tot, der Vater, ein Kaufmann hat wieder geheiratet
und ist fern von zu Hause. Die boshafte Stiefmutter, die eine eigene Tochter
mit in die Ehe gebracht hat, führt das Regiment. Hier unterscheiden
sich Märchen und Roman allerdings. Denn auch Corianders Stiefschwester
Hester leidet unter der herrschsüchtigen und brutalen Maud und dem
hartherzigen Prediger. Und dann sind da natürlich noch die besonderen
Schuhe, silberne, die Coriander mit der phantastischen Welt verbinden,
aus der ihre Mutter stammt. Aber auch diese Parallelwelt birgt Gefahren
und Coriander muß sich entscheiden, ob sie angepaßt und wenigstens
einigermaßen sicher leben möchte, oder ob sie ihrem Gewissen
und ihrem Herzen folgt.
Sprachlich hat der Roman einige Ecken und Kanten. Manche Sätze klingen
konstruiert und umständlich, ab und zu tauchen Wörter und Begriffe
auf, die anachronistisch sind oder unpassend wirken. Wahrscheinlich ist
an diesen Stellen die Übersetzung nicht ganz geglückt. Das überstürzte
Ende hingegen muß man der Autorin ankreiden. Der Eindruck drängt
sich auf, daß sie zum Schluß kommen wollte und deshalb kurzentschlossen
zwei Handlungsstränge unmotiviert zusammengefügt hat. Plötzlich
taucht jemand unvermutet auf, ohne daß der Leser erfährt, wie
er hergekommen ist und es geschieht etwas ebenso Bedeutsames wie Außergewöhnliches,
ohne daß erklärt wird, wie und warum es ausgerechnet zu diesem
Zeitpunkt geschieht. Das ist unbefriedigend.
Im Anhang gibt es ein Kapitel, das kurz und prägnant über den
historischen Hintergrund des Romans informiert.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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