Worum's geht:
Das ganze Reich von König Regis Aurum jubelt, als Lady Gwynne, die
Braut des Monarchen, aus dem magischen Land Skye eintrifft. Nur Regis'
bester Ritter, Cyan Dag, vermutet, daß die schöne Frau eine
Zauberin und Betrügerin ist, die die echte Lady Gwynne gefangen hält.
In treuer Pflichterfüllung zieht der kühne Recke aus, um die
wahre Königin zu suchen und seinen Herren vor dem Verrat zu bewahren.
In der Ferne erwartet ihn ein wundersames Reich.
Unterdessen ist auch Thayne Ysse unterwegs, Sohn des Königs der Nordinseln,
die einst unterworfen wurden. Thayne sucht nach einem Turm voller Gold,
der von einem Drachen bewacht wird. Mit diesem Gold will Thayne eine neue
Armee ausheben und Rache für seinen Vater und seinen Bruder nehmen.
Bald kreuzen sich die Wege des Ritters und des Prinzen, denn ihre Geschicke
sind unauflösbar miteinander verwoben
(zum Buch)
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Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Die Geschichte von der schönen Frau, die in einen unzugänglichen
Turm gesperrt, über einen Webstuhl gebeugt sitzt, und der ein magischer
Spiegel, weil sie nicht aus dem Fenster sehen darf, da ihr sonst der Tod
droht, das Leben draußen in der Welt zeigt, taucht in ähnlicher
Weise in dem lyrischen Gedicht von Alfred Tennyson Die Lady von Shalott
auf.
Patricia McKillip hat hier einen Roman vorgelegt, bei dem zweifellos einige
Sagen um König Artus und seine Tafelrunde Pate gestanden haben: Erzählt
wird die Geschichte von Cyan Dag, dem ersten Ritter von König Regis
Aurum am Hof von Gloinmere.
Regis Aurum, Herrscher über das Reich Yves, spielt eine untergeordnete
Rolle, denn seine Auftritte beschränken sich auf den Beginn und das
Ende des Romans. Wenn aber wie beiläufig von den Rittern von Gloinmere
in diesen wenigen Passagen die Rede ist, so hat man unwillkürlich
die Tafelrunde vor Augen. Cyan Dags Charakterbeschreibung und sein Äußeres
lassen den Leser sofort an Lancelot denken und Thayne Ysse, der Prinz
der Nordinseln, dem Cyan im Verlauf seiner Suche begegnet, ist eine ähnlich
tragische Figur wie Parzival. Der Hof von Gloinmere ähnelt dem mythischen
Camelot, das Reich von Yves erinnert in seiner Beschreibung an das Großbritannien
der Artussage und Skye ist nebelhaft-mystisch wie die Apfelinsel Avalon.
Dennoch liest man mit Im Drachenturm keinen Epigonen der Artussage,
sondern eine Geschichte, mit der Patricia McKillip wieder ihr Lieblingsthema
Magie - diesmal in einer märchenhaften Erzählung von dem Edelmann
der auszieht, die schöne Prinzessin zu retten - inszeniert hat.
Während der Hochzeit des Königs mit der Prinzessin von Skye
bemerkt Cyan als einziger, dass irgendetwas mit der jungen Braut des Königs
nicht stimmt und hegt die Vermutung, dass die wahre Königin irgendwo
im mystischen Land Skye gefangen gehalten wird. Um seinen Herrn und Freund
vor Betrug und Verrat zu bewahren bricht Cyan Hals über Kopf nach
Skye auf, um die wahre Königin zu finden. Diese Mission ist allerdings
nur ein Vorwand
Die rätselhaften Drei Schwestern Ignis, Sidera und Una haben
etwas anderes mit Cyan im Sinn und verfolgen mit ihm ihre eigenen Pläne.
Sie sind halb menschlicher halb mystischer Natur und in gewisser Weise
so etwas wie die Hüterinnen der Magie und des Friedens. Sie haben
etwas feenhaft- ja Gottgleiches an sich und erinnern in ihrer Beschreibung
an die drei Nornen der nordischen Sagenwelt. Ignis, Sidera und Una greifen
auch in ähnlicher Weise wie die Schicksalsschwestern in die Geschicke
der Menschen ein, und sind darum bemüht die verworrenen Schicksalsfäden
wieder richtig miteinander zu verknüpfen, und so das vor Jahren aus
dem Lot geratene magische Gleichgewicht zwischen Yves, dem Inselreich
Ysse und Skye wiederherzustellen. Sie greifen immer wie zufällig
lenkend oder helfend ein, und schieben die Beteiligten wie Schachfiguren
mit sanfter Gewalt an die entscheidenden Stellen in ihrem undurchsichtigen
Schicksalsgewebe.
Das Schicksal beeinflussende Web- oder Stickarbeiten spielen hier - wie
in Die Lady von Shalott - eine sehr wichtige Rolle, aber Patricia
McKillip hat die Eigenschaften der Figur der Lady auf drei Protagonistinnen
in ihrem Roman verteilt: Zum einen auf die feenhafte Prinzessin von Skye
und zum anderen auf Sel, die Bäckerin vom steinernen Wald und deren
ältere Tochter Melanthos. Das Umfeld, in dem diese drei Frauen am
häufigsten anzutreffen sind, ist ein mehr oder minder gut zu erreichendes,
mit einem magischen Spiegel, Garn und Wollfäden ausgestattetes Turmzimmer,
in dem sie ihre Zeit webend oder stickend verbringen und ab und zu einen
Blick in den Spiegel riskieren, um zu beobachten, was draußen in
der Welt passiert. Doch im Gegensatz zur Lady von Shalott, die den auf
ihr liegenden Fluch nicht brechen kann und stirbt, findet in Patricia
McKillips Roman eine der Frauen durch diese stille Zeit im Turm zu den
Wurzeln ihres wahren, magischen Wesens zurück.
Die Anleihen aus dem Artusmythos sind kaum zu übersehen und dennoch
liest man eine Geschichte, die unverkennbar Patricia McKillips Handschrift
trägt. Ganz gleich ob Haupt- oder Nebencharakter: Die Figuren besitzen
ein von ihr eingehauchtes eigenes Leben und sind keine bloßen Kopien
von bereits vorhandenen Sagengestalten. McKillip hat jedem von ihnen ein
eigenes Gesicht gegeben, und es verhält sich letztlich mit Cyan Dag,
Regis Aurum, Sel, Ignis, Thayne und allen anderen Figuren des Romas auf
die gleiche Weise, wie man auch in dem Sohn den Vater erkennt.
Letztendlich liest man hier eine Mischung aus Elementen der Artussage
und dem lyrischen Gedicht der Lady von Shalott, doch wo dort vieles
in Chaos, Krieg und Tod endet, steht in Patricia McKillips Geschichte
die Hoffnung auf einen tiefen Frieden - der im ungehinderten Fluß
der Lebenskraft (der Magie) gründet - im Vordergrund. Im Drachenturm
wäre kein "McKillip", wenn der Kampf dafür von vornherein
zum Scheitern verurteilt wäre. Gerade weil in unserer Welt diese
Hoffnung nur allzu oft wie Artus' mystisches Königreich endet, ist
es um so schöner, dass beim Lesen von Patricia McKillips Büchern
diese Hoffnung nicht enttäuscht wird, und Magie und Lebenskraft bei
ihr immer wieder eine Chance haben.
(rezensiert von: Katerchen)
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