Worum's geht:
Als Amra, die Totenpriesterin
der Stadt Caláxi, einen Fremden aus dem verfeindeten Norden der
Insel entdeckt, stürzt sie ihre Heimatstadt in Aufregung. Doch während
der Fremde festgesetzt wird, erscheint den Bewohnern seine Begleiterin,
ein kleines Mädchen mit sonderbaren Augen, viel schlimmer: Sie gilt
als eines der Verlorenen Kinder, vor denen die Menschen in einer Prophezeiung
gewarnt werden, die das Ende der Welt vorhersagt. Und tatsächlich
spricht die kleine Lillia auch von einem Unheil, das über Caláxi
kommen wird - und die Bewohner sind ihr nicht gewogen.
Amra allerdings kümmert sich um das Kind, und erfährt bald,
daß das Ziegenvolk der Nraurn hinter der sonderbaren Kleinen her
ist. Doch da bricht die Katastrophe auch schon über die Stadt herein...
|
|
|
|
Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Sonnenverwöhnte Landstriche, Kräuterduft in der Luft, erhabene
Bauwerke und geschichtsträchtige Stätten, Mittagshitze und lebensfrohe
Märkte - wer denkt da nicht an einen Urlaub im Süden?
In diesem Ambiente (genauer gesagt: auf einer phantastischen Version Sardiniens)
hat Heide Solveig Göttner ihre Trilogie angesiedelt, und mit der
authentischen und doch ganz behutsam phantasievoll veränderten Realisierung
des mediterranen Settings - in einer Zeit, die an die ersten großen
menschlichen Kulturen denken läßt - schlägt sie den Leser
schnell in ihren Bann. Man kann von Anfang an eintauchen in diese Welt,
die einerseits durch alltägliche Nebensächlichkeiten vermittelt
wird, und andererseits durch die gut durchdachte "magische"
Komponente überzeugt, die sich nahtlos in das Setting einfügt.
Ein perfektes Buch also, um woanders hinzugehen - und dort wartet dann
auch eine gute Geschichte: Was anfangs ein wenig nach Langeweile klingt
- besondere Kinder unbekannter Herkunft gehören nun einmal zum etwas
ausgelutschten Standard-Repertoire der Fantasy - entpuppt sich bald als
Überlebenskampf der Personen, die um dieses Kind herum sind: Die
unberührbare Priesterin Amra, der fremde, verschlossene Jemren und
der Reiterkrieger Gorun sind dazu gezwungen, nicht nur ihre eigenen persönlichen
Geschichten langsam aufzudecken und aufzuarbeiten, sondern auch die Geschichte
ihrer Völker und ihrer Insel, die von Halbwissen und Vorurteilen
belastet ist. Die Priesterin der Türme ist ganz auf diese
drei unterschiedlichen Personen fokussiert, aus deren Perspektive berichtet
wird - die Autorin setzt auch geschickt deren unterschiedliche Sichtweisen
der Dinge für eine spannende Handlung ein.
Dabei überwiegen ruhige Passagen, für Spannung sorgt weniger
Dauer-Action als eine vor allem wegen der fehlenden Informationen drängende
Atmosphäre. Daß das Augenmerk in diesem Buch nicht unbedingt
auf Kämpfen liegt, sieht man auch daran, daß diese Szenen manchmal
durch gut plazierte Zeitsprünge oder Perspektivwechsel ausgespart
werden, was keineswegs künstlich wirkt. Gerade am Ende aber zeigt
die Autorin, daß sie Verfolgungjagden und Kämpfen nicht abgeneigt
ist und sie auch umzusetzen versteht. Dennoch ist Die Priesterin der
Türme mit Sicherheit eher für die Liebhaber von gut erkundbaren
Charakteren und überzeugender Atmopshäre geeignet, die gerne
auf Entdeckungsreise in fremde Kulturen gehen.
Auch auf den ersten Blick kommt man leicht zu einer falschen Einschätzung
des Buches: Eine "Priesterin" im Titel, Matriarchat als Gesellschaftsform
auf der Insel der Stürme und im Klappentext Lobgesänge, die
alles von Marion Zimmer Bradley bis Monika Felten beschwören - das
kann schon abschreckend wirken, wenn man kein spezieller Fan von alles
überragender Frauenpower im Fantasy-Roman ist. Um so schöner
ist dann die Entdeckung, daß man sich ganz umsonst gegruselt hat:
Statt Schwarzweißmalerei und Lobeshymnen auf die Frauenherrschaft,
die in der Fantasy bisweilen schon dazu instrumentalisiert wurde, die
Kluft zwischen den Geschlechtern unterm Strich eher zu vertiefen, bietet
Heide Solveig Göttner eine realistische Umsetzung des Matriarchats
- und überhaupt wird den Geschlechterrollen im Roman so wenig Bedeutung
beigemessen, daß dieser Absatz eigentlich schon viel zu lange ist,
als daß er dem Thema gerecht werden könnte...
Man kann sich also ganz beruhigt auf die Insel der Stürme
einlassen, das Ziegenvolk der Nraurn kennenlernen und die Städte
der Menschen, die trotz der lebendigen Umsetzung immer ein Hauch von Vergangenheit
zu umwehen scheint - und eine durch und durch menschliche Geschichte von
Mißverständnissen und Fehlurteilen lesen.
Zum perfekten Urlaub im Süden fehlt dann eigentlich nur noch das
Meer - und das kommt gewiß im zweiten Band!
(rezensiert von: mistkaeferl)
|
|
|