Worum's geht:
Kiray vom Volk der Nebelzwerge hat einen wichtigen Auftrag übernommen:
Der große Suchende hat sie gebeten, die legendäre Herrin der
Wörter ausfindig zu machen, und sie zu fragen, wie man das Nichts
und die Wesen, die ihm entspringen, aufhalten kann.
Das Volk der Nebelzwerge ist allerdings nur noch ein Schatten seiner selbst:
Einst waren sie große Wanderer, die ganz Phantásien bereisten,
immer auf der Suche nach Wörtern und Geschichten, die sie sammelten
und für das Gedächtnis Phantásiens bewahrten. Jetzt sind
sie seßhaft geworden, und die großen Erzähler von einst,
die es vermocht hatten, Geschichten so zu erzählen, daß man
in ihnen leben zu können glaubte, gehören der Vergangenheit
an.
Die Nebelzwerge schöpfen Hoffnung, als die Familie der größten
Erzähler, das Haus der Gurn, wieder einen Nachkommen erwartet, doch
als Kiray heranwächst, stellt sich zum Entsetzen aller heraus, das
sie einen schweren Sprachfehler hat. Für ein Volk von Erzählern
eine Katastrophe
Und doch ist es gerade Kiray, der es gelingen soll, was den größten
Wanderern und Abenteurern der Nebelzwerge nicht gelungen ist - die sagenhafte
Herrin der Wörter zu finden
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Warum's so gut
ist:
Bei dieser Geschichte handelt es sich wieder um einen Roman, der innerhalb
der Reihe Die Legenden von Phantásien erschienen ist. Der
Autor Peter Dempf beschwört darin den Zauber des lebendigen Wortes
herauf und die Macht, die ihm innewohnt, wenn man es zur rechten Zeit
an rechtem Ort gebraucht.
Erzählt wird die Geschichte der Nebelzwergin Kiray, die einem Volk
angehört, daß zu den Wortmächtigsten in ganz Phantásien
zählt. Nun ist Kiray aber nicht irgendeine Nebelzwergin, sondern
sie entstammt dem Geschlecht der Gurn, das die berühmtesten
Erzähler Phantásiens hervorgebracht hat - vor allem sind die
Angehörigen dieser Familie Illusionisten - sie können Geschichten
so erzählen, daß man glaubt, in ihnen leben zu können...
Auf Kiray ruhen alle Hoffnungen der Familie, denn sie ist vorerst der
letzte Sproß
doch Kiray kann mit ihren Geschichten keine Illusionen
erzeugen, sie kann überhaupt nicht erzählen, denn sie stottert.
Ihre Zunge zerhackt Wörter, Silben und Sätze und bei einem Volk
von Erzählern ist so etwas eine Katastrophe: Niemand will und kann
ihr zuhören und an den Versammlungen darf sie deshalb nicht teilnehmen.
Im Dorf vermutet man, daß Kiray deshalb diesen verheerenden Sprachfehler
hat, weil ihre Mutter, als sie mit ihr schwanger war, vom Alp überfallen
wurde - einem finsteren, unheimlichen Wesen, das aus dem Nichts kommt,
sich in die Gedanken und Träume der von ihm Befallen stiehlt und
alles Schöne und Richtige ins Gegenteil verkehrt. Kirays Mutter verstummte
nach dem Angriff und Kiray wird seitdem vom Alp verfolgt
Doch gerade Kiray, die stottert und von niemandem ernst genommen wird
ist es, der ein wichtiger Auftrag anvertraut wird: Sie soll die legendäre
Herrin der Wörter finden und sie fragen, wie man das Nichts und seine
Wesen aufhalten kann
Peter Dempf hat mit der Herrin der Wörter eine schöne
Geschichte geschaffen, die sprachlich sehr gut gelungen ist. Gerade wenn
er von der Macht der Worte schreibt, wird deutlich, daß er selbst
an diese Macht glaubt, bzw. dem Leser klarmachen will, wie wichtig passend
gewählte Worte sind und was man mit ihnen bewirken kann:
Wer
dem Wunder des Wortes nicht mehr vertraut, verarmt
Im Wort ruht
Gewalt wie im Ei die Gestalt!
Wenn man die Wörter nicht kennt,
die diese Welt zu der unseren machen, verbirgt sie sich vor uns
Die Geschichte besitzt nur einen Handlungsstrang, der zügig aufgebaut
und fortgeführt wird. Nirgends hält sich der Autor unnötig
lange auf und trotzdem entsteht ein schönes Bild. Die Schauplätze
sind gut vorstellbar und auch die Figuren sind so gezeichnet, daß
man sie sich gut vorstellen, bzw. man sich wunderbar in sie hineinversetzen
kann. Was vor allem für die Hauptcharaktere gilt.
Über eine Sache kann ich allerdings nicht kommentarlos hinweggehen
und sie hat dafür gesorgt, dass ich ein Bewertungssternchen abziehen
musste: der Beginn der Geschichte. Er ist gut und spannend erzählt
aber er ist schlicht falsch.
Zu Beginn der Geschichte wird Kiray von Atréju, der sich auf seiner
großen Suche befindet, vor dem Alp gerettet. Dagegen wäre an
sich nichts zu sagen, nur wird in einem beläufigen Satz erwähnt,
daß Atréju auf seinen Glücksdrachen warte
auch
das ist für sich genommen, ganz in Ordnung, doch Atréju hat
bei dieser Begegnung AURYN um den Hals
Wir erinnern uns: Atréju und Fuchur reisten erst zusammen, nachdem
Atréju das südliche Orakel besucht hatte, dann aber ausschließlich
hoch in den Lüften. Vorher war Atréju auf Artax unterwegs
(und die kurze Zeit, in der er allein und zu Fuß unterwegs war,
platschte er erst durch die Sümpfe der Traurigkeit, um danach gleich
durch das Land der Toten Berge zu stolpern. Hier erst trifft er auf den
Glücksdrachen in misslicher Lage
) Atréju und Fuchur
werden auseinandergerissen, als sie in die Kampfspiele der Windriesen
verwickelt werden. Atréju stürzt von Fuchurs Rücken ins
Meer und als er an einem Meeresstrand aufwacht, hat er AURYN verloren.
Ohne das Zeichen macht er sich auf den Weg in das Landesinnere
Er war ohne den Glücksdrachen und zu Fuß unterwegs - allerdings
ohne das Zeichen der Kindlichen Kaiserin
Es ist nichts dagegen einzuwenden, daß die Autoren der Legenden
von Phantásien ihre Erzählungen frei entwickeln, ohne
sich allzu sehr auf die Unendliche Geschichte zu stützen.
Im Gegenteil - es ist, meiner Meinung nach, Sinn der Sache, daß
es eigene Geschichten der mitschreibenden Autoren sind - nur - wenn man
mehr Bezug auf die Unendliche Geschichte nimmt, sollte es stimmig
sein
(rezensiert von: Katerchen)
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