THE LIGHT AGES

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Wertung: 4 von 5
1 Rezension
-I still see her now.-
Part One - Grandmaster
Zyklus/Band -
Autor Ian R. McLeod
Übersetzung Aether
Erscheinungsjahr 2003
Verlag Pocket Books
ISBN 0-7434-6244-0
Subgenre Science Fantsy/Urban Fantasy
Seitenzahl 456
Probekapitel -
Worum's geht:
Der junge Robert Borrows bricht aus dem Leben in Bracebridge aus, denn auch wenn dort das Aether, der Stoff, auf dem die britische Gesellschaft basiert, abgebaut wird, steht ihm da ein Leben als "Working Poor" bevor. Er versucht sein Glück in London, aber auch dort ist das Leben für Gildenlose hart, so schließt er sich dem Kleinkriminellen Saul an. Gemeinsam geraten die beiden in die Kreise der Revolution. Robert allerdings trifft die alte Bekannte Anna wieder, die sich als menschliches Chamäleon entpuppt. Sie macht ihn mit Leuten aus der hohen Gesellschaft bekannt. Während sich die Lage wegen der Revolution immer weiter zuspitzt und Robert zu beiden Seiten Loyalitäten besitzt, holt ihn die Vergangenheit ein: Ein gewöhnlicher Vorarbeiter aus Bracebridge tritt in London als großer Herr auf - Robert ahnt, daß der Mann ein düsteres Geheimnis hat und geht dem nach...

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Das Geschehen findet im Britannien einer alternativen Erde wohl im ausgehenden 20. Jh. statt, doch es gibt sehr deutliche Unterschiede. Im Kern steht eine fortgeschrittene Industriegesellschaft, die aber noch weit von der modernen Informationsgesellschaft entfernt ist, die Stimmung des Londons von MacLeod ähnelt dem Dickens' offensichtlich. Die Arbeiter sind arm und rauh, die Reichen leben voller Pomp und Glamour, stehen den Leiden der Armen aber weitgehend herzlos gegenüber. Die Gesellschaftsstruktur um die Gilden ähnelt der mittelalterlichen Stadt mit den starken Zünften, es gibt aber noch andere vorindustrielle Elemente. Die Gilden, welche die Herren im Lande sind, haben die Entwicklung von Schußwaffen unterdrückt und Elektrizität ist zu nichts zu gebrauchen. Dafür aber sind Fotografien alltäglich und einige Reiche besitzen frühe Autos. Die Entwicklung verläuft sehr ungleichmäßig, da die Gilden versuchen den Fortschritt aufzuhalten, was ihnen mit Hilfe des Aethers weitgehend auch gelingt. Mit dem Aether lassen sich alle möglichen Dinge wesentlich effizienter gestalten: Dampfkessel halten höheren Druck aus, Messer schneiden besser und Drogen wirken stärker. Es lassen sich aber auch Dinge umformen - aus Pferden werden Einhörner geformt etc. Manchmal aber verändern sich die Dinge auch durch Kontamination: So entstehen Drachenläuse, widerwärtige mutierte Gliederfüßler, und Menschen können unterschiedliche Fähigkeiten, aber auch Formen bekommen - nicht alle überstehen den Prozeß mit gesunder Seele. Die Normalen stehen den Veränderten mißtrauisch gegenüber - man greift schnell zur Lynchjustiz. Eigenartigerweise kommt Britannien (wie wohl auch die anderen Nationen) ohne Regierung aus. Doch dieses wird nicht thematisiert. Mit dem ersten Industriezeitalter wurde der König und das Parlament abgesetzt und die Gilden traten an deren Stelle, aber irgendwelche weitergehende Organisation scheint es nicht zu geben.
Neben dem Aether gesellen sich auch Zaubersprüche zu den magischen Elementen, diese spielen aber nur eine sehr kleine Rolle und werden nur beiläufig angewandt - das Aether allerdings hat wesentlich mehr Einfluß in der Geschichte, als man zunächst annehmen kann.
Figuren treten relativ viele auf, ihnen ist gemein, daß sie nur schwach ausgeprägte Charaktere haben - sie sind jedoch keineswegs unplausibel. Weitgehend verhalten sich die Figuren entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung und momentanen Situation. Im Zentrum steht Robert Borrows, der Erzähler der Geschichte. Bei ihm lassen sich Wandlungen am besten bemerken, begleitet der Leser ihn doch vom Jungen bis zum alten Mann durch ein schwieriges Leben - vom Arbeiterkind über Kleinkriminalität und Revolution zum Gildenmeister. Aber auch Anna und ihre Adoptivmutter Miss Summerton, beides Veränderte, machen gewisse Wandlungen durch - am Habitus der extrem wandlungsfähigen Anna leicht zu erkennen, weniger leicht auch an ihrem Charakter. Daneben lernt man noch weitere Figuren wie den Kleinkriminellen und Revolutionär Saul und seine Freundin Maud, die verwöhnte Tochter des Herren der Telegrafengilde Sadie und den feinfühligen Salon-Revolutionär und Architekten George, Ronald Stropck, einen gewöhnlichen Vorarbeiter aus Bracebridge, der in London als Neureicher namens Bowdly-Smart auftritt, und seine Frau Hermione, Roberts Familie und viele mehr kennen.
Das Thema der Geschichte ist das Leben in den letzten Tagen des dritten Industriezeitalters. Die Geschichte ist in erster Linie als Sittengemälde zu verstehen. Immer wieder werden detailliert Kleinigkeiten aus dem Alltag beschrieben, wobei der Autor allerdings das Pittoreske bevorzugt - sieht man vom zweiten Teil ab, werden viel häufiger Glanz und Glorie der Reichen als Schmutz und Schweiß der Armen beschrieben. Bei den Armen geht es eher um Mentalität als um Materialität oder um deren Benehmen als Spiegel der feinen Gesellschaft. Bei den Story-Elementen bedient sich der Autor bei einer Vielzahl von unterschiedlichen Genres: Da ist zunächst einmal die an einen Bildungsroman erinnernde Entwicklung Roberts, eine sachte entwickelte Liebesgeschichte zwischen ihm und Anna, seine Verstrickungen in die Revolution und Untersuchungen um das Geheimnis Stropcocks; es geht um Diskriminierung der Veränderten, um illegale Experimente und Wirtschaftskriminalität. Das ist zwar teilweise höchst originell - spannend ist es leider nicht. Denn auch wenn sich herausstellt, daß viele Szenen Plotpunkte enthalten, kann der Leser erst am Ende den Plot nachvollziehen. Oft muß man sich als Leser fragen, warum gerade passiert, was passiert - es scheint willkürlich zu sein. Hinzu kommt die eigenartige Tendenz, offensichtlich Plotrelevantes zusammenfassend zu präsentieren, eingebettet in pedantisch genaue und langwierige Schilderungen von Nebensächlichkeiten. Schließlich ist auch die Auflösung unbefriedigend - auch wenn es keine klassische Detektivgeschichte ist, ärgert mich der Verstoß gegen S.S. Van Dines zehnte Regel. Man sollte zumindest ahnen können, wer der Drahtzieher ist. Dieser wird aber erst ganz am Ende überraschend aufgedeckt.
Erfreulich ist die außergewöhnlich dichte und gelungene Beschreibung der Szenen. Zudem gelingt es dem Autoren zumeist, die Situation wahrhaft eindringlich zu schildern. Hier sei eine Warnung für Englisch-Anfänger ausgesprochen: Der Stil des Autoren ist sehr schön und kraftvoll, aber nicht einfach. Auch verwendet er z.T. ungebräuchliche Worte oder kreiert gleich selber welche.
(rezensiert von: Theophagos)

Wertung
gesamt
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Fazit: Ein Sittengemälde der letzten Tage des Zeitalters - Robert erlebt Armut, Reichtum, Diskriminierung, revolutionäre Gewalt und herrschaftliche Gewalt - nicht eben eskapistische Literatur; wer detailreiche und originelle Urban Fantasy mag, sollte hierauf mal einen Blick werfen.


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