Fragen & Antworten
ENGLISCH ODER DEUTSCH - WAS LIEST SICH BESSER?
Ein englisches Buch in deutschen Regalen
Spätestens seit den rekordverdächtigen Absatzzahlen des fünften Harry Potter-Bandes ist es offensichtlich: Für deutsche Leser ist der Griff zum englischen Original durchaus eine Alternative. Als erstes nicht deutschsprachiges Buch schaffte es Rowlings Wunderkind in die SPIEGEL-Bestsellerliste, von 0 auf 1. Scheinbar urplötzlich ist die Beherrschung einer Fremdsprache - eine Fähigkeit, die sonst oft mit wenig Selbstvertrauen belegt ist - kein Hindernis mehr. Die Englischlehrer wird's freuen, den deutschen Buchmarkt, der sich nun ernsthaft mit der nicht preisgebundenen Konkurrenz aus dem Ausland befassen muß, wohl weniger.

Übersetzungsfrust
Und fürchten sollten sie sich - zumindest manche Verlage. Denn gerade im Fantasy-Bereich bekleckern sie sich durch die deutschen Übersetzungen oft nicht gerade mit Ruhm. Bis zu einem gewissen Grad ist das ja verständlich: Schnell soll es gehen, billig soll es auch sein. Oder würde die geneigte Leserschaft vielleicht lieber ein viertel Jahr länger auf den nächsten Band warten, wenn dann die Übersetzung weniger flüchtig wäre?
Die Realität sieht leider so aus, daß die Übersetzer bei mehrbändigen Zyklen mitunter wechseln und so oft ein recht buntes Gemisch zustande kommt, Kontinuität - zum Beispiel bei Eigennamen - ade... Natürlich gibt es auch in diesem Bereich lobenswerte Ausnahmen, aber in der Regel finden sich in Fantasy-Übersetzungen recht viele Fehler, Verwechslungen und andere Kleinigkeiten, die den Lesegenuß durchaus beeinträchtigen können. Doch nicht an allem ist nur der Übersetzer schuld, der noch dazu einen Knochenjob bei schlechter Bezahlung leistet...

Englisch ist anders, Deutsch auch
Generell sind Übersetzungen eine heikle Sache, denn Sprachen unterscheiden sich, selbst wenn sie so nahe verwandt sind wie Deutsch und Englisch. Manches kann auch bei bestem Willen nicht so wiedergegeben werden, daß es dem Ton des Originals gerecht wird - hiervon betroffen sind vor allem Sprachspiele, die in der Übersetzung ihren Sinn verlieren und oft eines deutschen Pendants entbehren. Hinzu kommt, daß die deutsche Sprache ein bißchen ausführlicher (manche nennen es auch umständlicher) als die englische ist: daher sind Übersetzungen wortreicher und meistens dicker als das Original. Ob dies allerdings die wunderbare Verdopplung vieler englischer Einzelbände auf zwei deutsche Bücher rechtfertigt, ist fraglich.

Das Sparpaket im Buchregal

Und die Aufsplittungskrankheit ist nicht der einzige Wermutstropfen, den der deutsche Fantasy-Leser schlucken muß. Auch bei den Titelbildern wird gespart: Während bei englischen Ausgaben meistens eigens ein Bild in Auftrag gegeben wird, wird für die Übersetzungen nicht selten auf einen Fundus von bereits vorhandenen Bildern zurückgegriffen, und so findet man manchmal dasselbe Cover auf verschiedensten Büchern wieder.
Wer sich dann freut, daß er durch die Übersetzung sozusagen die Creme de la creme der bereits auf dem angloamerikanischen Buchmarkt erfolgreichen Bücher vorgesetzt bekommt, kann auch irren. Viele ausgezeichnete Romane bleiben unübersetzt, und was hier groß angekündigt auf den Markt kommt, hat sich nicht zwingend als Dauerbrenner bei den amerikanischen Lesern bewährt...

Aber ich kann nicht gut Englisch...

Aller Anfang ist schwer, und ein dickes Buch zu lesen, das nicht in der Muttersprache verfaßt ist, erfordert Geduld, denn man wird unweigerlich länger brauchen. Der häufigste Fehler dabei ist der dauernde Griff zum Wörterbuch. Mit der Zeit erkennt man die Bedeutung der Wörter aus dem Kontext - genauso, wie man anno dazumal Deutsch gelernt hat: Kindern drückt man schließlich auch kein Wörterbuch in die Hand. Trotzdem wird man, sofern man nicht dauernd übt, niemals ganz so flüssig lesen, wie in der Muttersprache, und sich bei jedem neuen Autor erst in den Stil einlesen müssen - die Gefahr, etwas zu versäumen, ist immer gegeben.

Deshalb ist eine gelungene Übersetzung immer ein Anreiz, ein deutsches Buch zu kaufen. Sicherlich kann man die volle Sprachkraft eines Schriftstellers nur im Original genießen - doch fühlen sich gerade die Liebhaber schöner Sprache oft trotzdem eher der Muttersprache zugetan. Bei miserablen Übersetzungen oder Ausgaben allerdings - oder wenn man einfach nicht mehr bis zur Übersetzung warten kann - sollte man die Gelegenheit, seine Englischkenntnisse zu erweitern, schamlos ausnutzen.


Übersetzungsspielchen: Scheibenwelt-Übersetzungsfehler bei www.scheibenwelt.de

Referenzen:
Der neue Harry:
Harry Potter and the Order of the Phoenix
üble Übersetzungen:
Lied v. Eis und Feuer
Pandemia-Saga
wechselnde Übersetzer:

Rad der Zeit

gute Übersetzungen:

Osten Ard-Saga
Das letzte Einhorn
viele Sprachspiele:
Scheibenwelt
mehr Seiten auf Dt.:
Perdido Street Station
gesplittete Ausgaben:
Saga vom Dunkelelf

einfaches Englisch:
Drachenlanze
Nightrunner Series
schwierigeres Englisch:
The Bitterbynde
View from the Mirror


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