Fragen & Antworten
SCHWULER HELD GEWÜNSCHT? - HOMOSEXUALITÄT IN FANTASY-ROMANEN
Von wegen Prinzessin...
In jüngerer Zeit trifft man vermehrt auf Fantasy-Romane, bei denen der knackige Held nicht die Prinzessin küssen darf, sondern sich eher zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt. Über den Quotenschwulen, den man mittlerweile aus Nebenrollen in diversen Filmen und Serien kennt, geht das hierbei Dargestellte oft weit hinaus. Man wird von Autoren in mittelalterlich anmutende Gesellschaften geführt, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen ganz normal oder sogar die Regel sind, und darf an den Liebesverwirrungen des Hauptcharakters teilnehmen, was für den Leser manchmal recht unerwartet, und, wenn er eine eher konservative Einstellung pflegt, auch unerwünscht kommen kann -gerade wenn es um die expliziteren Darstellungen geht.

Eine Welt, wie sie uns gefällt
Etliche Autoren, die sich teilweise auch sonst in der Schwulen- oder Lesbenbewegung engagieren, bringen diese Themen verbunden mit Schwert- und Magie-Abenteuern auf den Tisch. Es scheint, als würde ein irrealer Handlungsort gerade dazu einladen, eine Welt mit allen sexuellen Freiheiten zu malen, wie es sie in der Realität nie gegeben hat.
An und für sich kann das auch eine interessante Abwechslung vom Üblichen sein. Problematisch wird es, wenn das Thema in den Mittelpunkt rückt und die Handlung frißt, als wäre es eben doch auch in den ach so freien Fantasy-Welten konfliktbeladen. Spätestens, wenn sich dann die Sexszenen häufen, wird es für einen Leser ohne besonders Interesse an schwuler oder Lesbenliteratur vielleicht sogar zum Ärgernis.

Altertümliche Werte und sexuelle Freiheiten
Gerade in der Fantasy ist es aber schwierig, die in der westlichen Welt doch eher moderne Entwicklung hin zu einer freien sexuellen Orientierung ohne Bruch unterzubringen. Letztendlich werden in der Standard-Fantasy ja doch eher konservative Werte vertreten, die klassischen Tugenden stehen hoch im Kurs, und Gut und Böse sind nach althergebrachten Mustern getrennt. Wer in einer solchen Welt postmoderne Auffassungen von Sexualität beschreiben will, muß schon sehr feinfühlig arbeiten.
Einem China Miéville nimmt man zum Beispiel einen bi- oder homosexuellen Charakter problemlos ab. Kein Wunder - denn auf seiner Welt kann man sich sogar in insektenähnliche Khepri verlieben, und konsequenterweise spielt Miéville diese Handlungselemente auch nicht in besonderer Weise aus und schafft so eine Atmosphäre, in der tatsächlich alles möglich ist und eine gleichgeschlechtliche Beziehung nicht besonders auffällt.
Wenn dagegen stattliche Ritter anfangen, sich zu lieben, wirkt es in der gewohnten Umgebung mitunter seltsam, und muß ständig besonders betont werden, was eigentlich nicht im Sinne des Erfinders liegen sollte.

Slash
Obwohl klassische Fantasy und Homosexualität ein eher sperriges Pärchen abgeben, wird auch in ältere Werke hineininterpretiert, was die Phantasie hergibt. So werden Tolkiens Herr der Ringe mit seinen Männerfreundschaften und seinen vernachlässigbaren Frauenrollen regelmäßig homosexuelle Andeutungen unterstellt. Und wem Überlegungen in diese Richtung nicht genügen, der schreibt seine eigene Variante.
Somit sind als Zielgruppe der Fantasy mit homosexuellen Protagonisten die Slash-Fans nicht zu unterschätzen. Als Slash wird Fan fiction bezeichnet, die Charaktere aus Filmen und Büchern als homosexuelle Paare darstellt, meistens mit großer Detailfreude und nicht gemäß ihrer sexuellen Orientierung im Original. Da Slash hauptsächlich bei weiblichen Lesern ankommt, kann man davon ausgehen, daß sich auch die Begeisterung für entsprechende Fantasy nicht nur auf homosexuelle Leser beschränkt.

Her damit oder Finger weg?
Wenn man generell über die explizite Darstellungen sexueller Handlung egal welcher Orientierung hinwegsehen kann, ist das alles kein Problem. Nur wenn dabei eine gute Geschichte auf die Frage "kriegt er ihn in die Kiste?" reduziert wird, dann hätte man sich auch gleich einen Liebesroman kaufen können. Ob man mit Homo-Fantasy etwas anfangen kann, darüber hinwegliest oder dem Ganzen eher mit Abneigung gegenübersteht, ist in jedem Fall Geschmackssache. Feststeht, daß die explizite Darstellung nicht zwingend nötig ist, um einen guten Fantasy-Roman zu schreiben, und vielleicht auch so manchen Leser vergrault. Aber auch, daß die Grenzenlosigkeit der Fantasy -wenn sie ein wenig vom Standard-Pfad abweicht - dazu anregt, an der Sexualkultur seine Phantasie spielen zu lassen, ist nur natürlich.

Ein Pro oder Kontra gibt es bei einer so elementaren Geschmacksfrage schlichtweg nicht. Deshalb hier eine kleine Liste von Fantasy mit homosexuellen Elementen - ob als Warnung oder als Kaufanreiz, bleibt jedem selbst überlassen:

Lynn Flewelling:
Die Schattengilde - m/m-Beziehung zwischen zwei Charakteren, sexuell freizügige Welt
Tamír Trilogie - m/m-Beziehungen von Nebencharakteren, verwirrte Gefühle beim Hauptcharakter

Elizabeth A. Lynn:

Die Türme von Tornor - gleichgechlechtliche Beziehungen zwischen den Charakteren, üblich auf der Welt
Dragon's Winter - ein Hauptcharakter ist homosexuell

Fiona Patton:
Die Brandon-Saga - m/m-Beziehung des Hauptcharakters, eine Welt mit vielen gleichgeschlechtlichen Beziehungen

Jacqueline Carey:

Die Auserwählte - nebst vielen anderen sexuellen Eskapaden auch eine f/f-Beziehung in einer stark sexuell geprägten Welt

J. Laurie Marks:
Elemental Logic - eine Welt mit mehr homo- als hetero-sexuellen Beziehungen

Jim Grimsley:
Kirith Kirin - m/m-Beziehung zwischen zwei Hauptcharakteren

Judith Tarr:
Der Sohn der Sonne - sehr starke Männerfreundschaft mit sexuellen Andeutungen

China Miéville:
Perdido Street Station - bi- und homosexuelle Nebencharaktere, spielt kaum eine Rolle

Peter S. Beagle:
Es kamen drei Damen im Abendrot - verwirrte Gefühle und eine Orgie mit allen möglichen Beteiligten

Paul Kearney:

Die Königreiche Gottes - Seefahrer auf langen Schiffsreisen..., nur Andeutungen

Barry Hughart:

Meister Li - im zweiten Band ein bisexueller Hauptcharakter

Liste wird gegebenenfalls verlängert...

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