Warum's so gut
ist:
Dieser Novellenroman ist ein Meisterwerk der Erzählkunst und hat
seit seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1953 leider nie die Publikumsresonanz
gefunden, die er verdient hätte. Leo Perutz erzählt in Nachts
unter der steinernen Brücke die Geschichte einer verbotenen Liebe.
Es kann aber durchaus sein, daß der Leser dies nicht gleich bemerkt,
denn diese Liebe nimmt nur wenige Seiten des Romans ein und der Aufbau
der Geschichte ist ungewöhnlich. Dieses Buch enthält vierzehn
Novellen, die in sich abgeschlossen sind, die aber nicht chronologisch
aufeinander folgen. So glaubt der Leser zunächst, er läse einzelne,
eigenständige Geschichten. Während des Lesens fällt auf,
daß einige Protagonisten immer wieder vorkommen: Der Kaiser Rudolf,
Mordechai Meisl, und Rabbi Loew. Und erst wenn man die letzte Novelle
gelesen hat, weiß man, welche Geschichte Perutz eigentlich erzählt
und wie kunstvoll er diesen Roman zusammengewoben hat. Obwohl die Geschichte
nicht chronologisch erzählt wird, besitzt der Leser am Ende ein vollständiges
Bild, wie die Schicksale des Kaiser Rudolfs, des Juden Meisl und des Rabbi
Loew miteinander verknüpft sind. Perutz beschreibt seine Protagonisten
sehr detailliert und zeichnet auch die Nebenfiguren so liebevoll, daß
jede ihren eigenen individuellen Charakter besitzt. Die Handlung des Romans
umfaßt den Zeitraum von 1571 bis 1621. Perutz trifft mit seiner
altertümlichen, poetischen, zeitweise magisch anmutenden Sprache
genau den Ton dieser Epoche. Eigentlich ist Nachts unter der steinernen
Brücke ein historischer Roman, die Hauptcharaktere sind alle
historisch belegt und trotzdem wird man die Geschichten, die Perutz erzählt,
in keinem Geschichtsbuch finden, z.B. wie Wallenstein an seinen Reichtum
gekommen ist. In seinen Novellen vermischt Perutz Geschichte mit jüdischen
Legenden und alten Sagen so kunstvoll, daß es dem Leser völlig
natürlich vorkommt, wenn ein Mann plötzlich die Sprache der
Hunde versteht, dem Kaiser Dämonen erscheinen, Tote befragt werden
oder der Leser folgende Information erhält: In der Woche zwischen
dem Neujahrs- und dem Versöhnungsfest, die man die Bußwoche
nennt, in einer Nacht, in der der bleiche neue Mond am Himmel steht, erheben
sich auf dem Prager Judenfriedhof die Toten des vergangenen Jahres aus
ihren Gräbern, um Gott zu lobpreisen.
An diesem Buch hat Leo Perutz von 1924 bis 1951 geschrieben und zwar nicht
nur, weil er zwischendurch seine anderen großen Romane wie St. Petri
Schnee oder Der schwedische Reiter fertiggeschrieben hätte, sondern
weil es für jüdische Autoren mit Geschichten, die zum größten
Teil in der Prager Judenstadt spielen, unter dem Weltkriegsgefreiten Adolf
Hitler keinen Platz mehr gab, zuerst in Deutschland, dann auch in Österreich.
Wie in dem Nachwort zu lesen ist, versicherte der jüdische Verleger
Paul Zsolnay Perutz noch 1951 wie sehr er dieses Buch schätze, aber
er sähe bei der gegenwärtigen Einstellung der Leser in Deutschland
und Österreich keine Erfolgschancen für diesen Roman. Dieser
Roman mit seiner wunderbaren Sprache und seinem einzigartigen Erzählstil
hat aber jeden Erfolg verdient. Also lesen Sie ihn selbst oder verschenken
Sie ihn bei jeder Gelegenheit. Sie werden jedem Literaturliebhaber eine
Freude damit machen.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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