DER GOLEM

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Wertung: ø 4.75 von 5
2 Rezensionen
-Das Mondlicht fällt auf das Fußende meines Bettes und liegt dort wie ein großer, heller, flacher Stein.-
Schlaf
Zyklus/Band -
Autor Gustav Meyrink
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 1915, neu z.B. 2003
Verlag Ullstein
ISBN 3-548-25605-8
Subgenre klassische Phantastik
Seitenzahl 291
Probekapitel -
Worum's geht:
Der Erzähler der Geschichte fällt in einen ungewöhnlichen Schlaf. In diesem Zustand nimmt er die Identität des Gemmenschneiders Athanasius Pernath an, der 1885 im Prager Ghetto lebt. Zu diesem kommt eines Tages ein seltsamer Besucher, der ihm den Auftrag gibt, ein besonderes Buch auszubessern. Bald hegt Pernath den Verdacht, der mysteriöse Auftraggeber könne der Golem gewesen sein, die alte jüdische Sagengestalt, die alle dreiunddreißig Jahre im Ghetto umgehen soll. Von nun an gerät das Leben des Gemmenschneiders aus den Fugen. Nicht nur, daß ihm merkwürdige Dinge widerfahren, die er nicht zu deuten vermag. Er wird auch noch in den perfiden Rachefeldzug verwickelt, den Charousek gegen den Trödler Aaron Wassertrum führt und er lernt den Archivar Hillel kennen, einen außergewöhnlichen Mann, der stets zur Stelle ist, wenn Pernath Hilfe benötigt und in dessen Tochter Mirjam er sich verliebt.
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Begehen Sie nicht den Fehler, dieses Buch mit dem Verstand zu analysieren und zu versuchen, jede okkulte Passage zu entschlüsseln. Damit würden Sie nur die Faszination des Romans zerstören. Allerdings gibt es manche Szenen, bei denen sich eine tiefenpsychologische Deutung aufdrängt. So bemüht sich Pernath, ein Zimmer zu finden, zu dem es keinen Zugang gibt. Der Leser weiß, daß der Gemmenschneider eine Zeitlang wahnsinnig war und keine Erinnerung an diese Zeit hat. Damit fehlt ihm auch der Zugang zu Teilbereichen seiner Seele. Und wenn Pernath in den unterirdischen Gängen des Ghettos herumwandert, erhält man den Eindruck, er würde eigentlich in den Tiefen seiner Seele umherirren. So simpel ist Der Golem aber nicht, daß man diese Parallelen eins zu eins ziehen könnte. Meyrink, der Zeit seines Lebens an okkulten Geheimlehren interessiert war, vermischt hier einen Kriminalfall mit kabbalistischen und theosophischen Elementen, mit altägyptischen Mysterien und der jüdischen Sage um den Golem. Zu der beklemmenden Atmosphäre des Romans trägt bei, daß Meyrink die Geschichte im alten Prager Ghetto, kurz vor seiner Sanierung, spielen läßt. Er beschreibt diesen, seit dem 13. Jhd. bestehenden Prager Stadtteil mit seinen kleinen alten Häusern, die in engen, verwinkelten Gassen stehen, so ausdrucksstark, daß der Leser sich in einen expressionistischen Film der Zwanziger Jahre versetzt fühlt. Diese unheimliche Atmosphäre wird noch durch die ausgezeichneten Illustrationen von Hugo Steiner-Prag, einem Zeitgenossen Meyrinks, gesteigert. Der Golem ist nichts für Leser, die schnelle, oberflächliche Unterhaltung für Zwischendurch suchen. Es lohnt sich aber, sich auf diesen Klassiker der phantastischen Literatur einzulassen, der trotz allem Mystischen, das er enthält, sehr realistisch erzählt wird. Auch dieser scheinbare Widerspruch trägt zum Reiz des Buches bei.
(rezensiert von: Top Dollar)
Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Der goldene Topf

Fazit: Anspruchsvolle Lektüre für Liebhaber des Okkulten.



weitere Rezensionen:

Der Golem:
Warum's so gut ist:
Meyrink beginnt seine Geschichte sehr geschickt, indem er den Erzähler sich in die Hauptfigur des Athanasius Pernath gewissermaßen hineinträumen lässt. Damit wird alles Folgende von Anfang an zur Traumwelt oder besser: Innenwelt. Das gibt einerseits dem Autor die nötige Freiheit seine phantastische Geschichte zu entfalten, da sie so nach keinem äußerlich logischen Gesetz funktionieren muß und bewirkt (klugerweise) andererseits, dass sich die Geschichte gegen jedwede allzu einfältige, weil allzu logische Interpretation versperrt.
Die größte Stärke des Buches liegt gewiss in der Vielgestaltigkeit seiner Handlung, seiner Motive und seiner Thematik. Die Geschichte um den Golem selbst bietet einen ausgeprägten mythologischen Aspekt. Für eine historische Dimension und eine düstere, unheimlich-abgründige Atmosphäre sorgt die Kulisse des Prager Gettos (dessen Assanierung 1885 zum Ende des Buches mit eingearbeitet wird). Daneben besitzt die Geschichte einen starken psychologischen Aspekt (durch die wahnhaften Episoden und einer Amnesie der Hauptfigur selbst), aber auch soziale und ethische Fragen und Themen spielen eine wichtige Rolle und werden in vielen Handlungsträngen umgesetzt und genial miteinander verknüpft (z.B. das belanglose, recht dekadent erscheinende Leben im Getto; der Handlungsstrang um die halbwüchsige Rosina; die Habgier des abgründigen Aaron Wassertrum; der perfide Racheplan des Studenten Charousek gegen jenen Wassertrum und vieles, vieles mehr). Weiterhin scheint die Geschichte teilweise autobiographisch gefärbt, wenn z.B. Athanasius Pernath unschuldig und wie aus heiterem Himmel des Raubmordes verdächtigt wird. Nebenbei fließen auch noch okkultistische Motive unter anderem mit dem Buch "Ibbur", den Figuren Schemajah Hillel und dessen Tochter Mirjam in die Handlung ein (womit der Rezensent allerdings nicht viel anfangen kann und will). In eine solche okkultistisch gefärbte Passage mündet die Geschichte dann auch schließlich und findet so in meinen Augen einen etwas unpassenden, aber auch bedenkenswert rätselhaften Schluß.
Die Art und Weise wie Meyrink diese große Vielzahl an Bausteinen zu einem komplexen Handlungsgefüge zusammenführt ist nahezu perfekt. Nur an ganz wenigen Stellen wirkt der Fortlauf der Geschichte etwas abrupt und hakelig.
Sprachlich und stilistisch ist der Roman ebenfalls über jeden Zweifel erhaben. Nie zu pathetisch, nie zu kühl, sondern sehr gekonnt zwischen realistischem und romantisch-phantastischem Erzählen balancierend, gelingt es Meyrink die (Innen-)Welt des Golems dem Leser glaubhaft vor Augen zu führen. Für eine Ich-Erzählung ist das Buch übrigens auch an den wichtigen Stellen und allem Okkultismus zum Trotz, sehr reflektiert und distanziert. Man kann Meyrink nicht genug dafür danken, dass er gerade die okkultistischen Aspekte dem Leser niemals wirklich aufdrängt, sondern für den Leser immer noch genug Distanz lässt, selber zu bewerten - so er denn will.
Zur Ausstattung sei noch gesagt, dass die Illustrationen (von Hugo Steiner-Prag) der Qualität des Buches entsprechen können und es noch einmal aufwerten, ebenso wie ein abgedruckter Brief des Illustrators an den Autor. Das kann man vom Nachwort (von Eduard Frank) nicht unbedingt behaupten, in welchem zwar das ein oder andere Wissenswerte gesagt wird, das ansonsten aber nicht sehr erhellend ist. Ich warne auch davor, allen hier gegebenen Informationen und spekulativen Ausdeutungen zum Golem einfach so Glauben zu schenken.
Ich kann dieses Buch schlichtweg jedem empfehlen - man sollte vielleicht nur den Mut aufbringen, sich ein wenig der Geschichte hinzugeben…
(rezensiert von: srh)

gesamt
Welt
Sprache
Aufmachung
Story

Fazit:
Ein komplexer, recht anspruchsvoller Roman, der durch ungeheure atmosphärische Dichte, mitreißender Handlung und vieldimensionaler Thematik besticht - Exzellent!

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