DIE PLÄTZE DER STADT

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Wertung: 4 von 5
1 Rezension
-Schon oft hatte ich Leuten, die mich nach meiner Tätigkeit befragten, mit der üblichen Plattheit geantwortet, dass der Straßenverkehr dem Blutkreislauf der Stadtgesellschaft gleichzusetzen sei.-
Zyklus/Band -
Autor John Brunner
Original The Squares of the City
Erscheinungsjahr 1965, dt. 1980
Verlag Heyne
ISBN 3-453-30608-2
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 348
Probekapitel -
Worum's geht:
Der australische Stadtplaner Boyd Hakluyt erhält den Auftrag, die lateinamerikanische Retortenstadt Ciudad de Vados von ihren Slums zu befreien. Weiche Mittel sollen zur Anwendung kommen, denn Polizei- und Militärmaßnahmen passen nicht in ein Bild, das die Regierung erhalten will. Zwei Slums waren in der nur 10 Jahre alten Stadt entstanden: Ein Markt und ein Wohnlabyrinth unter dem Zentralbahnhof. Die ersten Analysen ergeben schnell Lösungsmöglichkeiten, doch die einfachsten und gründlichsten sind nicht erwünscht. Sie sind nicht unbedingt im Sinne der Neubürger, die alle aus dem Ausland stammen und die Stadt geplant und erbaut haben. Das "am gründlichsten regierte Land Lateinamerikas" ist nur oberflächlich spannungsfrei, aber Präsident Vados hat Einrichtungen geschaffen, die Emotionen und Bedürfnisse zu lenken. Nach und nach merkt Hakluyt, dass der Tanzboden, auf dessen Parkett er sich bewegt, nur der Deckel eines Pulverfasses ist, auf dem kein Rauchverbot herrscht. Die verschiedenen Drahtzieher agieren teils offen, teils verdeckt und plötzlich werden sie vom Spielplan genommen, wie Schachfiguren vom Feld. Bald ahnt Hakluyt, dass auch er wie eine Puppe bewegt wird, obwohl er von sich die Illusion hat, eigenverantwortlich zu handeln. Was davon entpuppt sich dann schließlich als Realität? Bauch- und Kopfhirn finden schließlich eine befremdliche Lösung.

Bewertet mitSternen (Besucher-Rezension):
Das Hauptmotiv ist die Frage, wie sich eine an sich stark emotionalisierbare Bevölkerung mit beträchtlicher sozialer Schichtung und hoher Analphabetenquote gewaltfrei regieren lässt. Besser wäre statt regieren manipulieren. Das 1965 noch junge Medium Fernsehen war bereits in Insiderkreisen bekannt für seine Möglichkeit der unterschwelligen Beeinflussung durch Einzelbilder, die das Wachbewusstsein nicht wahrnimmt. Als 1988 Mitterand die Wiederwahl gelang, obwohl alle Prognosen anders lauteten, wurde genau diese Manipulation im Staatsfernsehen aufgedeckt. Dieser Aspekt macht Brunner als Sozialutopist auch heute noch lesenswert, denn er hat in seinen gesellschaftskritischen SF- oder Fantasy-Romanen auf derartige Schwachpunkte der jetzt Gegenwart gewordenen damaligen Zukunft den deutenden Finger gelegt. Boyd Hakluyt ist ein durch sein Berufsfeld entwurzelter Weltbürger, ein Globalist. Als Spitzenfachmann löst er oberflächlich Verkehrsprobleme, doch Verkehrsströme steuern große Menschenmengen, die sich trotz aller scheinbaren Individualität als berechenbar erweisen. Wer dies durchschaut, der blickt hinter die Kulissen der Macht. Der fiktive Staat in der Karibik hat Anklänge an Cuba, der Präsident an Argentiniens Juan Perón, die Stadtanlage an Brasilia. Vados versucht eine Gesellschaft zu schaffen, die durch unterbewusste Steuerung sowohl Rassen- als auch Sozialschranken überwindet. Schach als Nationalsport erinnert ein wenig an die alte UdSSR und spielt eine bedeutende Rolle in der Handlung auch auf einer Metaebene. Dies fällt allerdings erst ab der Buchmitte auf, als Hakluyt seine passive Rolle mehr und mehr aufgibt und die Strukturen zu hinterfragen beginnt.
Der Roman ist von der Perspektive des Ich-Erzählers aus geschrieben und enthält immer wieder längere Reflektionen über die Zusammenhänge und Hintergründe, dafür relativ wenig actionbeladene Szenen. Ein Highlight der Gesellschaftskritik.
(rezensiert von: wolfcrey)

Wertung
gesamt
Welt
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Sprache
Story
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Fazit: Wie manipuliert man eine Gesellschaft in ganz großem Maßstab.


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