PRINZESSIN DER HAIE

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Wertung: 3 von 5
1 Rezension
-Ich richte meine Geschichte nicht an meine Mitdelphine, obwohl ich sie natürlich, wie es bei meiner Rasse üblich ist, immer und immer wieder meinem erstgeborenen Sohn erzählen werde, bis er sie, Wort für Wort, einmal an seinen Erstgeborenen weitergeben kann.-
1
Zyklus/Band -
Autor Thomas Burnett Swann
Original The Goat Without Horns
Erscheinungsjahr 1971, dt. 1979
Verlag Pabel
ISBN ohne Angabe
Subgenre Märchen, Pseudo-historisch
Seitenzahl 161
Probekapitel -
Worum's geht:
Nach dem Tod seiner Mutter und seines Bruders hält es der junge Charles Sorley nicht mehr im heimatlichen England aus und es kommt ihm gerade recht, daß auf der karibischen Insel Oleandra ein Lehrer für die Tochter des Hauses gesucht wird. Dort angekommen, schließt er schnell Freundschaft mit dem Delphin Grübler und auch mit der bezaubernd schönen Hausherrin kommt er gut aus. Aber mit der Tochter Jill hat er Probleme - sie ist störrisch, kleidet sich wie ein Junge und ist grausam wie die Kariben, mit denen sie gerne zusammen ist. Diese sind eine seltsame Bande: Faul, sadistisch und degeneriert fürchten sie doch ihren Anführer, den geheimnisvollen Haipriester Curk…

Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Charles flüchtet aus dem viktorianischen England; auch wenn dem Autor keine größeren Fehler unterlaufen, kommt keine entsprechende Stimmung auf, da es doch nur sehr knapp beschrieben wird. Die Insel wird auch nicht mit mehr Verve beschrieben, aber da der Großteil der Geschichte dort stattfindet, erhält der Leser einen stärkeren Eindruck von dieser. Oleandra ist relativ klein, mit schönen, schroffen Klippen, auf denen ein rotes, viktorianisches Herrenhaus steht und an deren Fuß eine bezaubernde, blaue Lagune liegt. Vielerorts wird die Insel von Mangrovensümpfen bedeckt, in denen es bunte Pracht und exotisches Getier gibt. Neben ein paar Engländern lebt nur der Karibenstamm auf der Insel, die einstmals Haiinsel geheißen hatte, da es in den Gewässern um sie herum ungewöhnlich viele dieser Raubfische gibt. Die Darstellung der Kariben ist sehr einseitig - sie scheinen einfach nur "Lumpenproletariat" und "Abschaum" zu sein, auch wenn der Autor am Ende lustlos dieses ein wenig relativiert.

Die phantastischen Elemente spielen nur eine geringe Rolle. Da ist die schöne Hausherrin, die bereits die Mitte der Vierziger überschritten hat, aber wesentlich jünger aussieht; der Karibe Curk, der eine große Affinität zu Haien hat, die ihm Macht über die Tiere verleiht. Nur die Intelligenz der Delphine, die über einen eigenen Geschichtenkorpus verfügen, spielt eine größere Rolle, da Grübler - der jedes Wort versteht - zu den Hauptfiguren zählt.

Für eine Geschichte dieser Länge treten nur wenige Figuren auf und die sind nicht einmal besonders komplex gestaltet - es sind allesamt relativ flache Exzentriker. Die Hauptfigur ist Charles Sorley, ein englischer Junge von neunzehn Jahren, dessen Familie gerade verstarb; nun ist er höchst bekümmert. Er ist ein ansehnlicher, gutgewachsener Mann von mittlerer Größe, studierte ein Jahr Geologie in Cambridge und ist ein Poet - ganz wie John Keats. Abgesehen davon, daß er freundlich ist, scheint er keine weiteren Charaktereigenschaften zu haben. Ganz ähnlich wie der Delphin Grübler, welcher der beste Freund von Charly wird. Auch seine Mutter ist vor kurzem gestorben und seitdem trauert er ganz entgegen der üblichen delphinischen Gesinnung. Er ist allerdings etwas füllig, der kleine Delphin, wie die Hausherrin Elizabeth Meynell. Die hatte sich nach dem Tod ihres Mannes auf der Insel niedergelassen. Die üppige Schönheit geht auf die Fünfziger zu, sieht aber noch aus, wie Mitte der Zwanziger. Sie ist England nach all den Jahren noch verbunden und ist bemüht eine englische Lebensart auf der Insel zu führen. Sie liebt Poesie - und nicht nur diese, ihre Moralvorstellungen scheinen in mancherlei Hinsicht etwas lockerer zu sein. Ihre Tochter Jill verhält sich noch unangemessener; sie trägt kurze, struppige Haare und abgeschnittene Hosen - sie sieht aus wie ein Junge und hat sogar kaum einen Busen. Sie schätzt die schönen, bunten Vögel nicht, kann Delphine nicht leiden und schwärmt für Haie - dennoch gibt es ein sonderbares Band zwischen den kleinen Racker und Charly. Schließlich gibt es noch Curk, den Kariben. Er ist groß und athletisch, er ist kein Wilder - aber keineswegs zivilisiert. Die Kariben fürchten und verehren ihn, selbst die Engländer akzeptieren seine Macht - und seine Geheimnisse. Am Ende gibt es dann noch einige plötzliche Charakterentwicklungen, die kaum überzeugen können.

Der Plot erinnert ein wenig an eine bizarre Form von Eifersuchtsdrama: Da ist Charly, der von allen Seiten begehrt wird - die schöne Elizabeth schätzt den Poeten, aber auch den Mann, und Grübler liebt den freundlichen Jungen mit der artverwandten Seele. Jill steht irgendwo in der Mitte, wie sie halb Junge und halb erwachsenwerdende Frau ist. Doch es gelingt dem Autor nicht, hieraus Spannung erwachsen zu lassen, zu unscharf und fremd bleiben die Charaktere.
Dort hineingewoben ist ein Mystery-Strang: Warum sieht Elizabeth so jung aus? Was ist mit Jill? Warum sind so viele Haie nahe der Insel? Wer ist Curk? Doch der Autor verleiht diesen Mysterien kaum Gewicht, zu selten kommen Hinweise, zu wenig interessiert es den Protagonisten, um hieraus Spannung zu gewinnen.
Schließlich werden am Ende noch ein paar bedrohliche Situationen eingebaut, die aber relativ undramatisch und beiläufig inszeniert sind.
Der Handlungsaufbau entwickelt sich dramatisch an einem Erzählstrang entlang - allerdings nicht besonders zügig.

Ungewöhnlich für das Genre (weniger für den Autor) ist der der Erzählstil. Grübler berichtet dem Leser von den Ereignissen; wenn er selbst anwesend war, als Ich-Erzähler, der sehr stark seine Perspektive wiedergibt, wenn er nicht anwesend war (und aus zweiter Hand berichtet), dann nimmt er eine sehr zurückhaltende auktoriale Perspektive ein. Die Stilhaltung ist erwartungsgemäß empathisch bis pathetisch. Die Sätze und Wortwahl sind eher unauffällig, doch die Geschichte ließt sich sehr flüssig - viel flüssiger, als die Handlung voranschreitet.
(rezensiert von: Theophagos)

Wertung
gesamt
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Fazit: Charles Sorley flüchtet aus England auf die schöne Insel Oleandra, wo ihn eine schwierige Situation erwartet, denn zu viele begehren etwas von ihm, was er nicht geben mag; Phantastik mit pulp-flair - leider nicht besonders spannend.


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