SOLDAT DES NEBELS
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1 Rezension
-Ich schreibe auf, was gerade geschehen ist. Der Heiler kam in der Morgendämmerung in mein Zelt und fragte mich, ob ich mich an ihn erinnere..-
Kapitel 1: Lies dies jeden Tag
Zyklus/Band Soldat des Nebels (1)
Autor Gene Wolfe
Original The Soldier of the Mist
Erscheinungsjahr 1989
Verlag Heyne
ISBN 3-453-03476-7
Subgenre Pseudo-historisch
Seitenzahl 382
Probekapitel -
Worum's geht:
Latro hat in der Schlacht des Großen Königs eine Kopfwunde erhalten und sein Gedächtnis verloren, und damit seine Identität, seine Freunde und sein bisheriges Leben. Als ob das nicht schon genug wäre, vergißt er auch jeden Tag wieder aufs Neue und muß von vorne beginnen. Aus diesem Grund führt er dauernd eine Schriftrolle mit sich, in die er bei jeder Gelegenheit seine Erlebnisse notiert, um sie wieder nachlesen zu können. Bald stellt er fest, daß er als einziger die Götter sehen und mit ihnen sprechen kann - und er findet heraus, daß ihm vielleicht die Erdgöttin helfen kann, seinen Fluch loszuwerden. Er macht sich auf die Reise, erschwert von seinem ständigen Vergessen, findet einige Freunde - und kann sich dennoch nie sicher sein, ob ihn die Götter nicht doch nur benutzen...

Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Für seinen Zyklus um den Soldaten Latro hat sich Gene Wolfe ein wirklich faszinierendes Konzept einfallen lassen: Die Hauptperson Latro hat ihr Gedächtnis verloren und vergißt auch das gerade erlebte täglich wieder. Da man, wie in der Rahmenerzählung um uralte antike Papyrus-Rollen angemerkt, innerhalb des Buches nichts anderes als Latros sporadische Niederschriften seiner Tage liest, die er anfertigt, um seine Erlebnisse nachlesen zu können, wenn er sie wegen seiner Kopfverletzung vergessen hat, taumelt man beinahe genauso nichtsahnend, verwirrt und zusammenhanglos durch die Handlung wie der Protagonist selbst. Wie Latro muß man sich beim Lesen darauf verlassen, daß die Niederschriften möglichst vollständig sind, daß Latro keinen allzu großen Fehleinschätzungen aufgesessen ist und daß er alles korrekt notiert hat. Kurzum, Latro ist einer der unzuverlässigsten Erzähler, die man sich vorstellen kann - manchmal hat er vor einem neuen Eintrag das bisher aufgeschriebene nicht lesen können und interpretiert alles falsch oder neu, manchmal gibt es lange Lücken in der Handlung, wenn Latro keine Zeit zum Schreiben hatte.
Wie die Hauptfigur weiß man nicht, welche Persönlichkeit Latro vor dem Gedächtnisverlust war - aber zumindest der "neue" Latro macht einen liebenswerten Eindruck, und zusammen mit Wolfes gelungenem Stil (ein vermeintlich ganz einfach gehaltenes Erzählen, das die komplexen Hintergründe recht gekonnt verbirgt) macht das die einzelnen Einblicke, die in Latros Suche nach sich selbst gewährt werden, zu einem Lesevergnügen: Da gibt es eher komische Einlagen, mit einem tanzenden Gott oder einem turbulenten Hurenhaus, verstörendes mit düsteren Göttern, durchaus auch actiongeladenere Kampfszenen und vieles mehr. Latros mit dem Gedächtnisverlust einhergehende Fähigkeit, die Götter zu sehen, beschert ihm immer wieder Begegnungen der besonderen Art, und bald interessieren sich auch mächtige Anführer für den einfachen Soldaten.
So geht es auf einer turbulenten Reise mit wenigen konstanten Freunden - die sich Latro tagtäglich neu erklären müssen - und etlichen Brückenfiguren, die immer wieder einmal auftauchen, durch das antike Griechenland. Wenn man aber Latros Odyssee durchschauen möchte, helfen einem die Bezüge zur antiken Mythologie und Geschichte, die in Massen eingestreut sind, nur bedingt weiter, denn Wolfe verwendet für Orte und Götter übersetzte Namen, wie Latro sie versteht: So wird aus Sparta Seil, aus Athen Gedanken und so fort. Auch das auftretende, gar nicht unisono handelnde Pantheon sorgt für Verwirrung. Man hangelt sich also an Latros unzuverlässigen Tagebucheinträgen entlang durch unbekanntes Terrain - für ein Gefühl der Fremdheit und Andersartigkeit ist somit durchaus gesorgt.
An Auflösungen, Zusammenhängen und fortlaufenden, treibenden Handlungssträngen fehlt es allerdings gewaltig. Jede Szene ist ein Neubeginn, daran ändert sich bis zum Ende des Buches nichts, und auch, wenn man als Leser dem Text einige Zusammenhänge abringen kann, schwimmt man doch mit Latro im Nebel und kann sich zumindest in diesem Band nur auf die wenigsten Geschehnisse einen Reim machen (da die deutsche Ausgabe nicht mehr fortgesetzt wurde, ist das besonders unbedfriedigend). Hinter den meisten Fakten stehen noch große Fragezeichen: Hat Latro einen Göttin verletzt und erleidet nun die Strafe? Spielen die Götter nur mit ihm? Ist er ihr Instrument? Wem kann er trauen? Durchaus interessant, aber es bleibt auf weiten Strecken einfach restlos alles dermaßen schwammig, daß die Geschichte nur sehr wenig Schwung entwickeln kann.
Nichts desto trotz hat man aber am Ende ein wenig das Gefühl, gleich nochmal von vorne beginnen zu wollen, um nun alles besser zu verstehen - und so gekonnt, wie das Buch geschrieben ist, ist das auch ein ganz erstrebenswertes Ansinnen ...
(rezensiert von: mistkaeferl)


Wertung
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Fazit: Eine verwirrende Odysse mit einer wunderbaren Ausgangsidee, in der sich leider nur spärlich Zusammenhänge auftun.


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