DIE SUCHE NACH DER VORCHERBESTIMMUNG

Anderer Meinung?

Dieses Buch für Bibliotheka Phantastika rezensieren:
Mitarbeiter gesucht

Berwertungsschlüssel:

5 Sterne = spitze
4 Sterne = gut
3 Sterne = geht so
2 Sterne = unbefriedigend
1 Stern = übel
Wertung: 4 1/2 von 5
1 Rezension
-The rain was without beginning and without end. It pattered on incessantly, a drumming of impatient
fingers. The creature knew only the sound of the rain and the rasp of its own breathing.-
Founding, 1
Zyklus/Band -
Autor Boris Strugatzki
Original ?
Erscheinungsjahr 1995, dt. 2005
Verlag Klett-Cotta
ISBN 3-608-93771-4
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 437
Probekapitel -
Worum's geht:
1970, an seinem siebenunddreißigsten Geburtstag, sinnt Stanislaw Krasnogorow über sein bisheriges Leben nach. Dabei kommt ihm plötzlich der Gedanke, daß er schon mehrmals beinahe ertrunken wäre. Je länger er nachdenkt, um so mehr Situationen fallen ihm ein, in denen er in Lebensgefahr geschwebt hat. Stanislaw beschließt, ein Buch darüber zu schreiben, um zu beweisen, daß er ein von Gott Auserwählter ist und deshalb genau dreiundzwanzigmal vor dem Tode bewahrt wurde. Sein Freund Vikont ist davon nicht überzeugt. Zwar muß er zugeben, daß er noch nicht einmal sechs Begebenheiten aufzählen kann, bei denen er dem Tod von der Schippe gesprungen ist, aber Vikont ist der Auffassung, daß man heute schon froh sein muß, überlebt zu haben, wenn man dreimal am Tag eine Straße überquert hat. Stanislaw findet, daß man eine simple Straßenüberquerung und seine Erlebnisse nun wirklich nicht miteinander vergleichen kann. Er schreibt sein Buch. Das Manuskript gerät zufällig in die Hände des Geheimdienstes und das hat für Stanislaw schwerwiegende Folgen.
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Sehr lange weiß der Leser nicht, worauf die Geschichte hinauslaufen wird und ob Krasnogorow wirklich auf übernatürliche Weise vor dem Tod bewahrt wird. Über weite Strecken macht das Buch den Eindruck eines politischen Romans über die Geschichte der Sowjetunion, in dem keine phantastischen Elemente vorkommen. Stanislaw hat als Kind die Blockade Leningrads durch die Deutschen erlebt. Damals starben viele Leningrader am Hunger, an der Kälte und natürlich durch die Kriegshandlungen. Doch Stanislaw ist durchaus nicht der Einzige, der diese Zeit überlebt hat und so wirkt sein Überleben zwar glücklich, aber keineswegs wunderbar, auch nicht, als er schreibt, daß er eines Tages in der Waschküche auf einen Mann mit einer Axt traf, der ihn umbringen wollte. Der Mann stand schon über ihm, als ihm plötzlich der Kopf wegplatzte - einfach so. Die Sache klärt sich auf: Der Mann war keineswegs ein gefährlicher Axtmörder, er wollte auf den Hof Holz hacken gehen und wurde von einem Granatsplitter getroffen. Der kleine Stanislaw bleibt aber hartnäckig bei seiner Meinung: der Mann war ein Menschenfresser, wollte ihn töten und verspeisen und im übrigen habe es auch keinen Granatsplitter gegeben - wie Kinder nun mal so sind. Auch bei den anderen Geschichten hat man den Eindruck, daß der gute Stanislaw seine Erlebnisse ein wenig einseitig interpretiert und entweder die Gefahr nicht so dramatisch oder die Rettung nicht so wunderbar war, wie er es selbst glaubt. Schließlich kommt man zu dem Schluß, daß es kein Eingreifen einer höheren Macht gibt, daß Krasnogorow mit Sicherheit nicht von Gott auserwählt wurde, daß Die Suche nach der Vorherbestimmung doch ein politischer Roman ist und von Klett-Cotta in der falschen Sparte veröffentlicht wurde, das kann ja dem besten Verlag einmal passieren. Stanislaws Leben in der kommunistischen Sowjetunion ist auch ohne phantastische Elemente interessant.
Es gibt nur eine Sache, die den Leser irritiert: Während Krasnogorow die ganze Zeit über darauf beharrt, daß seine Errettungen aus Todesgefahr auf natürliche Weise nicht erklärt werden können, gibt es im Verlauf des Romans immer mehr Todesfälle, die dem Leser merkwürdig vorkommen, einerseits häufen sie sich im verdächtigen Maße, andererseits ähneln sich die Todesursachen auf makabre Weise. Im Gegensatz zum Leser scheint Stanislaw daran aber nichts Außergewöhnliches zu finden. Selbst als seine Mutter und später seine Frau sterben, stimmt ihn das zwar traurig, aber er hegt keinen Verdacht, daß es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. So driften die Ansichten des Helden des Romans und des Lesers zunehmend auseinander, welche Geschehnisse merkwürdig sind und welche nicht. Erst als sich der KGB einschaltet, beginnt der Leser langsam zu begreifen, was vor sich geht. Krasnogorow begreift auch, will es aber zunächst nicht wahrhaben. Doch dann muß er sich den Tatsachen stellen und das bringt ihn in neue Schwierigkeiten. Er muß sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sehr er sein Leben selbst beeinflussen kann oder ob er nicht doch von etwas oder jemand zumindest teilweise gesteuert wird, damit er seine Vorherbestimmung erfüllen kann. Am Ende des Romans, das ungefähr zur Zeit Jelzins spielt, gerät er immer heftiger in die Auseinandersetzungen um die Macht in Rußland und die Ereignisse überschlagen sich. Die Suche nach der Vorherbestimmung ist ohne Zweifel ein politischer Roman, aber Klett-Cotta hat ihn keineswegs in der falschen Sparte veröffentlicht. Wieder einmal hebt ein russischer Autor auf hervorragende Weise die politische Realität seiner Heimat auf eine phantastische Ebene und steht damit in der Tradition von Schriftstellern wie Bulgakow. Doch während man bei Bulgakow sozusagen die Realität hinter der grotesken phantastischen Geschichte suchen muß, muß man bei Strugatzki die Phantastik hinter der zunächst völlig real erscheinenden Geschichte suchen. Geschickt läßt er den Leser lange Zeit im Ungewissen und baut dann einen Spannungsbogen auf, der ihn bis zum furiosen Finale in Atem hält.
(rezensiert von: Top Dollar)
Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

Buch gemocht? Vielleicht gefällt dann auch...

Der Meister und Margarita

Fazit: Russische Phantastik vom Feinsten.


©mistkaeferl 2002-07. Es ist nicht gestattet, diese Seiten in fremden Framesets darzustellen oder Inhalte anderweitig zu veröffentlichen. Zum Impressum