WASSERSCHEU - SOMMER-HORROR-STORIES

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Wertung: 4 1/2 von 5
1 Rezension
-Und hinter dem Abhang, wo das Gerstenfeld endet, starrt eine Vogelscheuche mit schräg geneigtem Kopf über den nächtlichen Weiher.-
Das Ding aus dem Weiher
Zyklus/Band -
Autor Markus K. Korb und Christine Guthann
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 2007
Verlag Atlantis-Verlag
ISBN 978-39367 428 48
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 156
Probekapitel -
Worum's geht:
Die augedehnten Tage des Sommers gaukeln den Menschen Sicherheit vor vor den Geschöpfen der Dunkelheit und den finsteren Gedanken ihrer Mitmenschen. Dass diese vermeintliche Sicherheit täuscht zeigt Markus K. Korb in 12 Geschichten, die sich Woche für Woche in den Sommermonaten Juni-August abspielen. Alles andere als "eitel Sonnenschein".
Mit einem Vorwort von Andreas Gruber.

Juni:
Wasserscheu
In der Unterführung
Geo-Caching
Der Pool

Juli:
Sommer-Eis
Die perfekte Welle
Frau Truegers letzter Tag (von Christine Guthann)
Im verlassenen Capri

August:
Der Schnitter hinter den Reihen
Das Ding aus dem Weiher
Wir warten im Schatten
Schiffswrack

Bewertet mitSternen (Besucher-Rezension):
Beim sommerlichen Baden erinnert sich ein Vater an seine eigene Kindheit. Auch ihn beschäftigte damals die Frage, warum man im See nur bis zu den orangenen Bällen schwimmen durfte. Seit dem Tag, als seine Freunde und er sich doch weiter hinaus wagten ist er Wasserscheu.
Markus Korbs Version einer sommerlichen Backwoods-Geschichte.
Die Geschichte zeigt gleich die Richtung, in die die gesamte Anthologie geht. Wechselspiele zwischen heißen Temperaturen und kalte Schauern.

Etwas Seltsames geschieht In der Unterführung am Bahndamm. Obwohl die einzigen Bewohner des Tunnels vor langer Zeit entsorgte Müllsäcke und abertausende Fliegen zu sein scheinen, lebt offenbar noch etwas anderes dort.
Eine Story, die über ihre ungewöhnliche Location wirkt. Eigentlich in Aufbau und Thema eine klassische Gespenstergeschichte, wurde das Geschehen in ein modernes, urbanes Umfeld übertragen.

Das nachmittägliche Entspannen bei spannender Lektüre kann zum tödlichen Albtraum werden, wenn Der Pool sich merklich verändert.
Auf den ersten Blick eine belanglose Story, die allerdings zum Ende schmunzeln läßt und dann sogar noch einen draufsetzt (2. Teil folgt im Juli). Besonders deutlich wird hier wieder Markus Korbs präziser Blick auf Kleinigkeiten, etwa die Fliegen, die im Wasser ihren Totentanz aufführen.

Geo-Caching ist eine Art organisierte Schatzsuche im GPS-Zeitalter. Der Cacher Jochen Brok wird auf einen nicht zu ignorierenden Cache aufmerksam gemacht, der ihn förmlich elektrisiert. Nach dem Erreichen der Ziel-Koordinaten wird ihm bewußt, dass es um etwas ganz anderes geht.
Wieder ein schönes Beispiel, wie Markus Korb moderne Themen aufgreift und diese mit den Mitteln des klassichen Horrors bearbeitet. Das verlassene Fabrikgelände, durch das sich Jochen Brok bei seiner Suche vorwärts arbeitet, nimmt dabei die Stelle der geheimnisvollen, verlassenen Villa ein. Auch das Ende besticht mit einer Vergeltung ganz im Sinne E.A.Poes.

Nachdem einige Kinder am selben Tag krank wurden, wird bald der kinderlose Eismann Klaus verdächtigt, sein Sommer-Eis absichtlich vergiftet zu haben. Die Väter der Kinder rotten sich zusammen, um ihn zur Rede zu stellen.
Die Geschichte beschreibt die Ereignisse aus subjektiven Sicht eines der Jungen, die nach dem Eisgenuß krank im Bett liegen. Alle Eindrücke und Handlungen filtert Korb gekonnt durch diese "Brille". So ahnt der erwachsene Leser bereits vorher die Handlungen der Erwachsenen in der Geschichte, während der "erzählende" Junge weiterhin seine kindliche Sicht auf die Dinge behält.

Auf der Suche nach der perfekten Welle durchreist ein Surfer die Welt. Die Hoffnung auf den Ritt durch die ultimative Welle wird zum Lebensinhalt und alles andere unwichtig. Doch was wird, wenn er Die perfekte Welle tatsächlich findet und durchritten hat?
Eine Story, die gekonnt die Stufen einer Obsession schildert, die irgendwann schleichend zur Gewohnheit wird. Am Ende wird, mit Erreichen seines Ziels, tasächlich das Leben des Surfers sinnlos. Die Erscheinungen unter Wasser können als Wahnvorstellungen interpretiert werden, oder handelt es sich tatsächlich die Opfer der Welle?

Unsachgemäß verwendeter Algenvernichter aus zweifelhafter Quelle ist verantwortlich für Fr. Truegers letzten Tag.
Christine Guthann beschreibt die weiterführenden Ereignisse aus Der Pool. Die Geschichte spielt eine Woche nach B. Truegers Ableben und führt Frau Trueger in den Baumarkt, aus dem der verhängnisvolle Kanister Algenvernichter stammt.
Die Story stammt zwar von einer Gastautorin, stellt aber keinen Bruch in Stil und Stimmung dar sondern fügt sich perfekt in die Sammlung ein.
Schade, dass im August-Teil nicht noch ein dritter Teil der Geschichte folgt. Das Ende bietet sich regelrecht dazu an.

Die Idee ist, den Ort vieler unbeschwerter Sommer, das schon jahrelang geschlossene Waldfreibad, noch einmal zu besuchen. Die verborgenen Geheimnisse Im verlassenen Capri erkennt der verpätete Besucher erst jetzt.
Markus Korb at its Best. Die Nachvollziehbarkeit der Handlungen, der Aufbau der Atmosphäre, das langsame Eindringen des Unerwarteten an einem Ort voller unschuldiger Erinnerungen. Die verzerrte Perspektive kindheitlicher Erinnerungen. Diese Geschichte kann auf zweiter Ebene als "coming of age"-Geschichte verstanden werden. Ein immer wiederkehrendes Thema in Korbs Werken.

Ist Der Schnitter hinter den Reihen wirklich nur eine Gestalt aus den Geschichten der Großeltern oder ein Verrückter, der Sommer um Sommer Jungs ins Maisfeld lockt, um diese zu töten?
Wieder eine Geschichte über Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Statt eines psychologischen Gutachtens liefert Markus Korb hier allerdings einen "sauberen" Slasher. Keine neue Idee aber hervorragend umgesetzt.

Scherzende und feiernde Jugendliche am nächtlichen Lagerfeuer bringen Das Ding aus dem Weiher dazu aufzutauchen und sich seine Opfer zu holen.
Keine wirkliche Geschichte, aber eine hervorragende stilistische Fingerübung, die man keinesfalls Nachts am Lagerfeuer in der Nähe eines Sees lesen sollte.

"Wir warten im Schatten" raunt das körperlose Wesen, das den Erzähler gepackt hält. "Als Fluch sollst du um unsere wahre Natur wissen und uns zukünftig überall erkennen."
Für etwas unglücklich halte ich hier die einleitende Warnung des Erzählers. So ist der Leser sicher, dass der Protagonist keinen Schaden nimmt. Auch ansonsten ist die Story eher nichtssagend.

Ein Terrorist soll für seinen Auftraggeber Krankheitserreger aus einem Schiffswrack stehlen. Nach erfolgreichem Auftrag wird er auf dem Rückweg allerdings zu einem Gejagten seiner eigenen Beute.
Hier stimmt einfach alles. Die eingestreuten Erinnerungen des Terroristen, die diesen dem Leser vertraut machen. Der einsame Weg durch die apokalyptische Landschaft. Das Schiffswrack, das zu einem modernen Ort des Schreckens wird. Perfekt.


Der Titel und das Cover der Veröffentlichung sind etwas irreführend, denn Wasser als bestimmendes Element kommt in den wenigsten dieser Sommergeschichten vor. Statt dessen nehmen immer wieder einsame Bauwerke und verwaiste urbane Einrichtungen eine zentrale Rolle in den Geschichten ein. Verlassene und verfallene Zivilisationruinen, erhitzt von der Hochsommersonne, beherrschen die Szenarien (In der Unterführung, Geo-Caching, Im verlassenen Capri, Schiffswrack) und bilden die unsichere Bühne für einige erschreckende Stücke. Gebäude oder Bauwerke als unverzichtbare Bestandteile ist eines der immer wiederkehrenden Elemente bei Markus Korb. .
Ein zweites wiederkehrendes Thema ist der Mensch, den der Mensch am meisten fürchten muß (Geo-Caching, Sommer-Eis) und nicht die Schreckgeschöpfe, die man in einer Horror-Story eigentlich erwartet. In einigen Erzählungen ist das phantastische Element auch gar nicht zwinged für das Gelingen der Geschichten notwendig. Im verlassenen Capri würde auch ohne die vage Erscheinung im Tickethäuschen funktionieren, ebenso wie Sommer-Eis ohne den radelnden Geist des Eisverkäufers (die bildliche Vorstellung davon hat aber zugegebenermaßen schon was). Mit diesen allzu menschlichen Schrecken knüpft Markus Korb an sein Nachts an und verweist zugleich auch auf sein großes Vorbild Edgar Allan Poe, der ebenfalls den Menschen selbst als größtes Schreckgespenst kultiviert hat.

Markus Korbs Schilderungen sind wieder einmal treffsicher und präzise, so dass ein Eintauchen in die Geschichten sofort möglich ist. Er seziert formlich die Details, die sich diesmal weniger in dunklen Ecken finden, sondern dem grellen Sonnenlicht ausgesetzt sind ("Die Leichen von Fliegen, Ohrwürmern und anderem Geschmeiß trieben träge umher, drehten sich wie in Zeitlupe in ihrem Totentanz. Manch ein Beinchen zuckte noch." Der Pool). Man könnte dem Autor vorwerfen, dass ihm Atmosphäre und Stimmung wichtiger sind als Motivationen und Gefühszustände seiner Figuren. Dafür beherrscht er den Aufbau von Stimmung durch bildliche Beschreibungen auch wie kaum ein anderer der jüngeren deutschen Autoren.

Wie bereits in Nachts ist auch hier eine Fortsetzungsgeschichte enthalten, die durch die Weiterentwicklung eine neue Sichtweise auf die Ereignisse zulassen (Der Pool und Frau Truegers letzter Tag). Überhaupt scheinen Markus Korbs Geschichten, obwohl nicht darauf hingewiesen wird, teilweise im gleichen lokalen Rahmen zu spielen. Das Motto von Wasserscheu legt nahe, dass auch diese Story an der Otterbucht (bekannt aus Nachts) spielt und auch in Sommer-Eis wird der See mit dem "im Seegrund verankerten Floß" genannt. Stephen King benutzt diesen "Trick" mit Bangor und Castle Rock ebenfalls (wenn auch offensichtlicher) damit der Leser sich gleich "zu Hause" fühlt und ein größerer Zusammenhang suggeriert wird. Markus Korb hat in Wasserscheuübrigens einige Verweise auf King eingebaut, so liest Franz B. Trueger aus Der Pool beim Entspannen die King-Story Das Floß, der Titel Der Schnitter hinter den Reihen erinnert sofort an Kings Kinder des Zorns.

Das hervorragende Cover und die Innenillustrationen stammen von Mark Freier, der sich derzeit zu Recht über mangelnde Aufträge bestimmt nicht beschweren kann.
(rezensiert von: Greyshirt)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Nachts

Fazit: Sehr gute Horror-Sammlung mit einem ungewöhnlichen Thema.


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