Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Beim sommerlichen Baden erinnert sich ein Vater an seine eigene Kindheit.
Auch ihn beschäftigte damals die Frage, warum man im See nur bis
zu den orangenen Bällen schwimmen durfte. Seit dem Tag, als seine
Freunde und er sich doch weiter hinaus wagten ist er Wasserscheu.
Markus Korbs Version einer sommerlichen Backwoods-Geschichte.
Die Geschichte zeigt gleich die Richtung, in die die gesamte Anthologie
geht. Wechselspiele zwischen heißen Temperaturen und kalte Schauern.
Etwas Seltsames geschieht In der Unterführung am Bahndamm.
Obwohl die einzigen Bewohner des Tunnels vor langer Zeit entsorgte Müllsäcke
und abertausende Fliegen zu sein scheinen, lebt offenbar noch etwas anderes
dort.
Eine Story, die über ihre ungewöhnliche Location wirkt. Eigentlich
in Aufbau und Thema eine klassische Gespenstergeschichte, wurde das Geschehen
in ein modernes, urbanes Umfeld übertragen.
Das nachmittägliche Entspannen bei spannender Lektüre kann zum
tödlichen Albtraum werden, wenn Der Pool sich merklich verändert.
Auf den ersten Blick eine belanglose Story, die allerdings zum Ende schmunzeln
läßt und dann sogar noch einen draufsetzt (2. Teil folgt im
Juli). Besonders deutlich wird hier wieder Markus Korbs präziser
Blick auf Kleinigkeiten, etwa die Fliegen, die im Wasser ihren Totentanz
aufführen.
Geo-Caching ist eine Art organisierte Schatzsuche im GPS-Zeitalter.
Der Cacher Jochen Brok wird auf einen nicht zu ignorierenden Cache aufmerksam
gemacht, der ihn förmlich elektrisiert. Nach dem Erreichen der Ziel-Koordinaten
wird ihm bewußt, dass es um etwas ganz anderes geht.
Wieder ein schönes Beispiel, wie Markus Korb moderne Themen aufgreift
und diese mit den Mitteln des klassichen Horrors bearbeitet. Das verlassene
Fabrikgelände, durch das sich Jochen Brok bei seiner Suche vorwärts
arbeitet, nimmt dabei die Stelle der geheimnisvollen, verlassenen Villa
ein. Auch das Ende besticht mit einer Vergeltung ganz im Sinne E.A.Poes.
Nachdem einige Kinder am selben Tag krank wurden, wird bald der kinderlose
Eismann Klaus verdächtigt, sein Sommer-Eis absichtlich vergiftet
zu haben. Die Väter der Kinder rotten sich zusammen, um ihn zur Rede
zu stellen.
Die Geschichte beschreibt die Ereignisse aus subjektiven Sicht eines der
Jungen, die nach dem Eisgenuß krank im Bett liegen. Alle Eindrücke
und Handlungen filtert Korb gekonnt durch diese "Brille". So
ahnt der erwachsene Leser bereits vorher die Handlungen der Erwachsenen
in der Geschichte, während der "erzählende" Junge
weiterhin seine kindliche Sicht auf die Dinge behält.
Auf der Suche nach der perfekten Welle durchreist ein Surfer die Welt.
Die Hoffnung auf den Ritt durch die ultimative Welle wird zum Lebensinhalt
und alles andere unwichtig. Doch was wird, wenn er Die perfekte Welle
tatsächlich findet und durchritten hat?
Eine Story, die gekonnt die Stufen einer Obsession schildert, die irgendwann
schleichend zur Gewohnheit wird. Am Ende wird, mit Erreichen seines Ziels,
tasächlich das Leben des Surfers sinnlos. Die Erscheinungen unter
Wasser können als Wahnvorstellungen interpretiert werden, oder handelt
es sich tatsächlich die Opfer der Welle?
Unsachgemäß verwendeter Algenvernichter aus zweifelhafter Quelle
ist verantwortlich für Fr. Truegers letzten Tag.
Christine Guthann beschreibt die weiterführenden Ereignisse aus Der
Pool. Die Geschichte spielt eine Woche nach B. Truegers Ableben und
führt Frau Trueger in den Baumarkt, aus dem der verhängnisvolle
Kanister Algenvernichter stammt.
Die Story stammt zwar von einer Gastautorin, stellt aber keinen Bruch
in Stil und Stimmung dar sondern fügt sich perfekt in die Sammlung
ein.
Schade, dass im August-Teil nicht noch ein dritter Teil der Geschichte
folgt. Das Ende bietet sich regelrecht dazu an.
Die Idee ist, den Ort vieler unbeschwerter Sommer, das schon jahrelang
geschlossene Waldfreibad, noch einmal zu besuchen. Die verborgenen Geheimnisse
Im verlassenen Capri erkennt der verpätete Besucher erst jetzt.
Markus Korb at its Best. Die Nachvollziehbarkeit der Handlungen, der Aufbau
der Atmosphäre, das langsame Eindringen des Unerwarteten an einem
Ort voller unschuldiger Erinnerungen. Die verzerrte Perspektive kindheitlicher
Erinnerungen. Diese Geschichte kann auf zweiter Ebene als "coming
of age"-Geschichte verstanden werden. Ein immer wiederkehrendes Thema
in Korbs Werken.
Ist Der Schnitter hinter den Reihen wirklich nur eine Gestalt aus
den Geschichten der Großeltern oder ein Verrückter, der Sommer
um Sommer Jungs ins Maisfeld lockt, um diese zu töten?
Wieder eine Geschichte über Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden.
Statt eines psychologischen Gutachtens liefert Markus Korb hier allerdings
einen "sauberen" Slasher. Keine neue Idee aber hervorragend
umgesetzt.
Scherzende und feiernde Jugendliche am nächtlichen Lagerfeuer bringen
Das Ding aus dem Weiher dazu aufzutauchen und sich seine Opfer
zu holen.
Keine wirkliche Geschichte, aber eine hervorragende stilistische Fingerübung,
die man keinesfalls Nachts am Lagerfeuer in der Nähe eines Sees lesen
sollte.
"Wir warten im Schatten" raunt das körperlose Wesen,
das den Erzähler gepackt hält. "Als Fluch sollst du um
unsere wahre Natur wissen und uns zukünftig überall erkennen."
Für etwas unglücklich halte ich hier die einleitende Warnung
des Erzählers. So ist der Leser sicher, dass der Protagonist keinen
Schaden nimmt. Auch ansonsten ist die Story eher nichtssagend.
Ein Terrorist soll für seinen Auftraggeber Krankheitserreger aus
einem Schiffswrack stehlen. Nach erfolgreichem Auftrag wird er
auf dem Rückweg allerdings zu einem Gejagten seiner eigenen Beute.
Hier stimmt einfach alles. Die eingestreuten Erinnerungen des Terroristen,
die diesen dem Leser vertraut machen. Der einsame Weg durch die apokalyptische
Landschaft. Das Schiffswrack, das zu einem modernen Ort des Schreckens
wird. Perfekt.
Der Titel und das Cover der Veröffentlichung sind etwas irreführend,
denn Wasser als bestimmendes Element kommt in den wenigsten dieser Sommergeschichten
vor. Statt dessen nehmen immer wieder einsame Bauwerke und verwaiste urbane
Einrichtungen eine zentrale Rolle in den Geschichten ein. Verlassene und
verfallene Zivilisationruinen, erhitzt von der Hochsommersonne, beherrschen
die Szenarien (In der Unterführung, Geo-Caching, Im
verlassenen Capri, Schiffswrack) und bilden die unsichere Bühne
für einige erschreckende Stücke. Gebäude oder Bauwerke
als unverzichtbare Bestandteile ist eines der immer wiederkehrenden Elemente
bei Markus Korb. .
Ein zweites wiederkehrendes Thema ist der Mensch, den der Mensch am meisten
fürchten muß (Geo-Caching, Sommer-Eis) und nicht
die Schreckgeschöpfe, die man in einer Horror-Story eigentlich erwartet.
In einigen Erzählungen ist das phantastische Element auch gar nicht
zwinged für das Gelingen der Geschichten notwendig. Im verlassenen
Capri würde auch ohne die vage Erscheinung im Tickethäuschen
funktionieren, ebenso wie Sommer-Eis ohne den radelnden Geist des
Eisverkäufers (die bildliche Vorstellung davon hat aber zugegebenermaßen
schon was). Mit diesen allzu menschlichen Schrecken knüpft Markus
Korb an sein Nachts an und verweist zugleich auch auf sein großes
Vorbild Edgar Allan Poe, der ebenfalls den Menschen selbst als größtes
Schreckgespenst kultiviert hat.
Markus Korbs Schilderungen sind wieder einmal treffsicher und präzise,
so dass ein Eintauchen in die Geschichten sofort möglich ist. Er
seziert formlich die Details, die sich diesmal weniger in dunklen Ecken
finden, sondern dem grellen Sonnenlicht ausgesetzt sind ("Die Leichen
von Fliegen, Ohrwürmern und anderem Geschmeiß trieben träge
umher, drehten sich wie in Zeitlupe in ihrem Totentanz. Manch ein Beinchen
zuckte noch." Der Pool). Man könnte dem Autor vorwerfen,
dass ihm Atmosphäre und Stimmung wichtiger sind als Motivationen
und Gefühszustände seiner Figuren. Dafür beherrscht er
den Aufbau von Stimmung durch bildliche Beschreibungen auch wie kaum ein
anderer der jüngeren deutschen Autoren.
Wie bereits in Nachts ist auch hier eine Fortsetzungsgeschichte
enthalten, die durch die Weiterentwicklung eine neue Sichtweise auf die
Ereignisse zulassen (Der Pool und Frau Truegers letzter Tag).
Überhaupt scheinen Markus Korbs Geschichten, obwohl nicht darauf
hingewiesen wird, teilweise im gleichen lokalen Rahmen zu spielen. Das
Motto von Wasserscheu legt nahe, dass auch diese Story an der Otterbucht
(bekannt aus Nachts) spielt und auch in Sommer-Eis wird
der See mit dem "im Seegrund verankerten Floß" genannt.
Stephen King benutzt diesen "Trick" mit Bangor und Castle Rock
ebenfalls (wenn auch offensichtlicher) damit der Leser sich gleich "zu
Hause" fühlt und ein größerer Zusammenhang suggeriert
wird. Markus Korb hat in Wasserscheuübrigens einige Verweise
auf King eingebaut, so liest Franz B. Trueger aus Der Pool beim
Entspannen die King-Story Das Floß, der Titel Der Schnitter
hinter den Reihen erinnert sofort an Kings Kinder des Zorns.
Das hervorragende Cover und die Innenillustrationen stammen von Mark Freier,
der sich derzeit zu Recht über mangelnde Aufträge bestimmt nicht
beschweren kann.
(rezensiert von: Greyshirt)
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