Bewertet mitSternen
(Besucher-Rezension):
Geomancer ist einer meiner von Zeit zu Zeit getätigten Spontankäufe
gewesen. Bevor ich angefangen habe zu lesen, habe ich nur einen schnellen
Blick auf bisherige Rezensionen zu dem Autor hier auf BP geworfen, eine
mittelmäßige Bewertung gefunden, ohne sie zu lesen, und bin
somit mit relativ neutraler Erwartung ans Buch gegangen.
Nach nun 78 gelesenen Seiten ist für mich jedoch Schluss. Schon vorher
habe ich mich mehrfach überwinden müssen, doch noch weiterzulesen,
inzwischen habe ich aber die Hoffnung auf Besserung aufgegeben. Im Folgenden
kommt also hauptsächlich eine Auflistung all meiner Kritikpunkte
an dem Buch.
Grundsätzlich ist der Aufbau der Welt recht interessant angelegt.
Eine Gesellschaft, die sich anscheinend durch einen Krieg vom Zustand
der Aufklärung immer mehr in ein totalitäres System verändert
hat, ist eine schöne Idee. Um mehr Ressourcen - auch menschliche
- für den Krieg aufzubringen, werden Kinder schon in frühester
Kindheit in die Lehre verkauft und befinden sich damit quasi in einem
Zustand bezahlter Sklaverei. Von den Frauen wird zusätzlich erwartet,
dass sie ihrem Volk durch das Gebären von möglichst vielen Kindern
dienen. Dies sind alles gute Ansätze, die nur leider sehr schlecht
umgesetzt werden.
Am auffälligsten wird dies am unkonsequenten totalitären System.
So wird das Arbeitsverhältnis allgemein als der Sklaverei nah beschrieben.
Vorgesetzte oder Höherrangige haben die Macht, Auszubildende oder
auch andere Arbeiter, die sich nicht freigekauft haben, beliebig an andere
Arbeitsplätze, wie beispielsweise die "Gebärfabriken",
weiterzuverkaufen. Am Eingang von Fabriken, Minen und Städten sind
überall Wachen postiert, die allerdings scheinbar keine echte Aufgabe
haben. So scheint Tiaan, der Hauptcharakter, nahezu dauerhaft ohne die
erforderliche Erlaubnis die Wachen zu passieren, ohne dafür mit Konsequenzen
rechnen zu müssen. Auch ihr Freund, ein Minenarbeiter, kann sich
nicht nur frei nehmen, wenn er seinen Wochensoll erreicht hat, sondern
er kann dies auch noch tun, ohne sich abzumelden. Des Weiteren verhalten
sich die Charaktere eigentlich dauerhaft so, als wären sie in einer
aufgeklärten Gesellschaft aufgewachsen und nicht als Arbeitssklaven
ohen Bildung abseits ihres Arbeitsgebiets.
Auch ansonsten weist die Szenerie logische Schwächen auf. Beispielweise
verfügen die Menschen zwar zum einen über hochfiligrane Technik,
die es ihnen ermöglicht, große Kriegmaschinen zu bauen und
dank magischer Kristalle zu steuern, zum anderen besteht aber die Ausrüstung
dieser Gefährte und der Menschen aus mittelalterlichen Waffen.
Diese Brüche in der Logik setzen sich leider in jeder Größenordnung
fort. Zum Beispiel findet die Produktion der Steuereinheiten der Kriegsmaschinen
in einem großen Fabrikkomplex mit mehreren hundert Mitarbeitern
statt. Der dazu benötigten logistischen Organisation widersprechen
jedoch einige andere Details. Zum Beispiel muss sich Tiaan persönlich
zu ihrem Freund in die Mine begeben, um den Rohstoff für den Steuerkristall
zu bekommen, der dort von ihrem Freund geschärft wird. Als würde
dies nicht ausreichen, scheint der Abbau in der Mine, der auf mehreren
Ebenen abläuft, völlig willkürlich zu sein, da besagter
Freund nach eigenem Gutdünken seinen Arbeitsplatz wechseln kann.
Außerdem fördert er auf Anfrage Tiaans nach einem kurzen Arbeitsplatzwechsels
und etwas Stochern einen Kristall der gewünschten Art zu Tage. Irritierend
dabei ist nur, dass dies eigentlich seine dauerhafte Aufgabe ist, und
man sich fragt, warum er denn vorher nicht seiner Arbeit nachgekommen
ist und dort nachgeschaut hat, wo er diesen Kristall dann findet.
Jede Unstimmigkeit für sich ließe sich vielleicht noch in irgendeiner
Form erklären oder mit etwas gutem Willen ignorieren. Es ist die
schiere Masse, die einen zur Verzweiflung bringt. Leider endet die Liste
der Kritikpunkte allerdings noch nicht mit den logischen Schwächen.
Zusätzlich schafft es der Autor nämlich nicht, die Charaktere
in glaubhafter Form handeln zu lassen.
Auf allen 78 Seiten, die ich gelesen habe, waren sie nämlich abwechselnd
damit beschäftigt, vollkommen vorhersehbar oder unglaublich dämlich
zu agieren. Die Charaktere sind so klischeehaft angelegt, dass es fast
schon komisch wirkt. Da ist zum einen natürlich die unglaublich talentierte,
unschuldige Heldin aus zerrütteten Familenverhältnissen, da
sie aus einer der Gebärfabriken stammt, demnach ihren Vater nicht
kennt und kein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hat. Trotz dieser
Handicaps und der weiter oben beschriebenen nicht existierenden Kindheit
hat sie es irgendwie geschafft, nahezu alle Werte eines aufgeklärten
Menschens in sich zu vereinen. Des weiteren gibt es den ehrgeizigen Verehrer,
der sich vollkommen naiv von der eifersüchtigen und ebenso ehrgeizigen
Mitarbeiterin Tiaans verführen und später erpressen lässt.
Hinzu kommt ein verständnisvoller väterlicher Freund und ein
Vorarbeiter, der sich nicht entscheiden kann, ob er nun eine Person ist,
die die Arbeiter mit Drohungen klein hält, oder der Verständnis
für andere Menschen hat und nur von oben zu hartem Durchgreifen gezwungen
wird.
Bei diesen Grundlagen überrascht es nicht, dass man schon im Voraus
erahnen kann, dass im nächsten Moment die große Liebe Tiaans
auftauchen wird. Auch dass Tiaan sich mit ihren engsten Freund über
Dinge unterhält, die für beide keinen neuen Informationen enthalten,
weil der Leser in die Welt und den Hintergrund Tiaans eingeführt
werden muss, passt nur stimmig ins trostlose Bild. Die einzigen Überraschungen,
die es noch gibt, sind dann leider auch noch schlechter Art und durch
die Dämlichkeit der Charaktere verursacht. So ist beispielsweise
Tiaan tatsächlich schockiert, als sie feststellt, dass ein bestimmter
Geschichtsband nicht in der Bibliothek existiert, obwohl sie einige Seiten
vorher dem Leser mitgeteilt hat, dass es verboten sei, diese Geschichte
zu erzählen. Das Tragische ist, dass der Autor Aktionen dieser Art
zu benötigen scheint, um seine Hauptperson in eine Notlage zu manövrieren,
an der dann wahrscheinlich die eigentliche Geschichte aufgehängt
wird. Da ich jedoch das Lesen bereits abgebrochen habe, bevor es soweit
kommt, kann ich nicht sicher sein, dass sich auch diese Vermutung bestätigen
wird.
Allgemein kann ich aus all den oben geschilderten Gründen nur von
dem Buch abraten. Der Autor schafft es, die gute Grundlage der Geschichte
durch eine Vielzahl von groben handwerklichen Schnitzern zu verderben.
(rezensiert von: Calavera)
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