Worum's geht:
Finn Hasselblatt lebt wie ein Phantom über den Dächern der Stadt.
Nur Turmfalke Six kennt seine Verstecke. Als ein Fremder beginnt, sich
nachts auf den Dächern sehen zu lassen, will Finn der geheimnisvollen
Gestalt nachgehen und stolpert, ehe er sich´s versieht, in eine
mysteriöse Geschichte hinein: Eine Flasche, die nicht zerbricht,
ein Mädchen, das sein Leben retten muss, die geheimnisumwobene Kummerschule
auf der Flussinsel und ein Junge, der barfuß durch den Schnee läuft,
bringen sein zurückgezogenes Leben bald völlig durch-einander.
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Warum's so gut
ist:
Im Laufe des Lebens trifft ein Mensch unzählige Entscheidungen. Darunter
auch manche, durch die sich sein Leben so grundlegend verändert,
dass er ein neuer Mensch wird. In diesem Falle spaltet er sich in eine
Tatsache, die in der getroffenen Seite der Entscheidung besteht, und eine
Möglichkeit, die der verworfenen Seite entspricht. Die Möglichkeit
verschwindet sofort aus seinem Leben. Was aber passiert danach mit diesen
Möglichkeiten? Können wir ihnen noch einmal begegenen? Um dieses
interessante Gedankenspiel herum hat Clou seinen Roman aufgebaut.
Ausgeschmückt wurde er mit wunderbaren Figuren. Ob Silber, der Graffiti-König
der Stadt, Daphne, das Haarorakel, das auf seinem Hausboot Audienzen gibt,
oder van Lunteren, der Kopfjäger, der Stimmungen mit den gezwirbelten
Schnurrbartspitzen spüren kann - alle sind etwas ganz Besonderes.
Anfangs liest sich der Roman als phantastische Spannungsgeschichte. Die
unzerbrechliche Flasche des Doktor York steht im Mittelpunkt der Handlungen
und führt die Hauptcharaktere zu einander. Alles wunderschön
zu lesen - zunächst - aber zu viele Rätsel stiften nach und
nach derartig Verwirrung, dass sich erst auf Seite 200 die Ahnung einstellt,
worum es eigent-lich genau geht. Der Leser wird auf so einige Ideen gebracht,
die vielversprechend wirken, sich aber schnell irgendwie verlieren. Hier
und da wird ein Hinweis auf die Vergangenheit gegeben, doch auch das hilft
nicht, die Geschichte flüssiger zu machen.
Als die Reise nach Ypsiland beginnt, wird leider die unterhaltende Geschichte
von einer Metaphernschlacht verdrängt, in der auf Teufel komm raus
der Tiefgang des Möglichkeiten-Gedankenspiels vermittelt werden soll.
Nachdem man von Feldern des Zweifels, Mühlen des Zweifels und Zwickmühlen,
von der Entscheidungswüste Psi, dem Dilemmaya-Tal, von den Nonos,
von Nihil Nisi und vom ultimativen Scheidepunkt genug gelesen hat, traut
man sich kaum noch zu entscheiden, ob man nun Erdbeer- oder Kirschmarmelade
aufs Brötchen schmiert. Zwar glänzt der Autor auch hier in Sachen
Figurengestaltung (Die Nonos stopfen sich Watte in die Ohren, damit
sie die Herzen ihrer Opfer nicht brechen hören. Denn dazu führt
es, wenn man zu lange in einem Dilemma schmort. Ein ekelhaftes Geräusch,
sage ich dir.), aber die plakative Bedeutungsschwere macht sich vor
allem dadurch bemerkbar, dass es den Lesenden immer mehr Kraft kostet
eine gewichtige Seite weiterzublättern. Schade um die vielen tollen,
sehr lesenswerten Passagen.
(rezensiert von: Nungu)
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