Worum's geht:
Die begnadete Pianistin Sarah d'Albis hört die Erstaufführung
einer Partitur von Franz Liszt, die nach dem Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek
in Weimar entdeckt wurde und sieht mit ihren synästhetischen Sinnen
das Monogramm, das sie auf einem Anhänger um der Hals trägt.
Nicht genug: Es folgen 5 Verse als Warnung an die Farbenlauscher. Damit
ist für Sarah die friedliche Zeit der Suche nach einer möglichen
persönlichen Verbindung zu Liszt vorbei und sie wird in einen Strudel
von Ereignissen hineingerissen, denen sie genauso wenig entrinnen kann,
wie ein Skeleton, der im Eiskanal Fahrt aufgenommen hat. Sie erhält
Warnungen, denn ihr abwesender Blick im Konzert blieb nicht unbemerkt
Sie erhält Hilfe bei einem seltsamen Überfall - ausgerechnet
von einem Stalker, der sich ihr auf Richterbeschluss nicht nähern
darf. Nach einem weiteren Attentat in ihrem Hotelzimmer nimmt sie die
Enträtselung der Farbenschrift auf und begibt sich auf eine Reise
durch halb Europa. Jede neue Station stellt sie vor eine neues Problem,
das nur ein Synästhetiker lösen kann. Der Gegner im Hintergrund
arbeitet mit den modernsten Methoden elektronischer Kommunikation und
subliminaler Botschaften, denn er beherrscht dieses Medium meisterhaft
- aber er strebt nach mehr. Und er bleibt im Dunklen.
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Bewertet mit Sternen
(Besucher-Rezension):
Die Handlung ist nahezu unilinear, aber vielschichtig, ganz selten springt
der Themenfaden zu der Antagonistenseite über. Der Leser verfolgt
die Protagonistin aus miterlebender Perspektive und weiß nicht mehr
als sie. Die 50 Kapitel sind kurz genug, um keinerlei Langeweile aufkommen
zu lassen. Eigentlich wollte ich das Buch nur öffnen und plötzlich
war ich über hundert Seiten weiter. Vorsicht! Wer wichtige Termine
wahrzunehmen hat, fange besser nicht sofort an (oder er verschiebe seine
Termine, was vielleicht die bessere Lösung ist). Kurzum, das Buch
ist Spannung pur ohne mit übertriebenen Elementen zu arbeiten. Das
fantastische Element ist die ans übersinnliche grenzende synästhetische
Wahrnehmung, die mehrere Sinne koppelt, hier das Hören von Tönen
und die Wahrnehmung von Formen und Farben. Man vermutet heute, dass viele
Menschen eine derartige Teilwahrnehmung haben, aber so vollständig
wie bei Sarah d'Albis ist sie sehr selten ausgeprägt. Nur aufgrund
dieser Begabung kann sie den Spuren nachgehen, die Franz Liszt vor über
130 Jahren gelegt hat. Dabei entwickelt sich die Spurensuche auch zu einer
Reise ins eigene Ich, denn Sarah kennt ihren Vater nicht und die leibliche
Mutter starb früh. Mit der Entfaltung des Panoramas entwickelt sich
auch die Erkenntnis ihrer eigenen Abstammungslinie, die zu immer neuen
Überraschungen führt. Die Position als Kind ohne Herkunft scheint
zart und verletzlich zu sein, so verlief auch die Kindheit, jedoch bei
den Adoptiveltern entwickelt sich die musikalische Ausnahmebegabung. Verletzlichkeit
bleibt, aber Stärke kommt hinzu. Alle Hilfe kann nicht aus der Familie
kommen, sondern nur aus Wahlverwandtschaften. Und davon gibt es viele
aufgrund Sarahs Berufsumfeldes.
Das Hintergrundspanorama beginnt mit dem Prolog im März 1866, wo
bei der Uraufführung der missa solemnis in Paris seltsame Dinge geschehen,
als würden die Zuhörer durch die Musik fremd gesteuert. Die
übrige Handlung spielt im ersten Quartal 2005 und endet mit einem
Finale zeitgleich zur Grablegung des Papstes Johannes Paul II. In die
Verschwörung sind Elemente eingebaut, die Querverbindungen zu Isaus
Zyklus Kreis der Dämmerung schaffen, ohne das es jedoch nötig
ist, dieses Werk zu kennen.
Beim Lesen wird man durchaus ein wenig an Dan Browns Sakrileg erinnert,
aber der Aufbau ist ganz anders und die Spannung der Szenen ist nie durch
Überreizung gewonnen wie bei Brown. Isau hat exquisit recherchiert,
was er auch im Nachwort erläutert und auf seiner Website (www.isau.de)
belegt durch Quellenangaben der Hintergrundsrecherchen. Da das Buch sicherlich
einen großen Leserkreis gewinnen wird, kommt auch die Methode und
Gefahr subliminaler Botschaften, die in Musik verpackt werden können,
ins Bewusstsein vieler Menschen und wird dort ein Weilchen verbleiben.
Dies ist nicht gering zu schätzen, vor allem, da sich im Deutschland
der Gegenwart die elektronische Überwachung schneller denn je auszubreiten
beginnt. So geht von diesem Buch auch eine versteckte gesellschaftspolitische
Aussage aus. Nebenbei ist es ein Credo auf die positiven Eigenschaften
der Musik, die nie für dunkle Zwecke der Fremdsteuerung benutzt werden
dürfen. Die geschichtlichen Beispiele, wo dies doch getan wurde,
schärfen hoffentlich das Bewusstsein des Lesers und wecken ihn auf.
Trotz einiger Anklänge an Gewalt ist dieses Element nicht übertrieben,
wobei die Pianistin bis auf einen Notwehrakt immer in der Erleiderrolle
steckt. Grausamkeit ist ausgeblendet, so dass das Buch auch als Jugendbuch
bestens zu empfehlen ist. Sechzehn Jahre als Altersangabe des Verlags
ist vielleicht aus formalen Gründen etwas hoch gesetzt, lesen können
es auch jüngere Kinder. Da, wo Liebe ins Spiel kommt, bleibt sie
angedeutet und rein in der Form, wie es Jugendliche idealischerweise als
Vorbild aufnehmen können, ohne dass ein moralischer Zeigefinger winkt.
(rezensiert von: wolfcrey)
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