Worum's geht:
Wie die Titelseite so treffend verrät, sind in diesem Buch Märchen
und Erzählungen versammelt, die Oscar Wilde geschrieben hat. Außerdem
beinhaltet der Band noch sechs Gedichte in Prosa. Die Titel lauten: Der
junge König, Der Geburtstag der Infantin, Der Fischer und seine Seele,
Das Sternenkind, Der Glückliche Prinz, Die Nachtigall und die Rose.
Der eigensüchtige Riese, Der ergebene Freund, Die bedeutende Rakete,
Das Gespenst von Canterville, Die Sphinx ohne Rätsel, Der Modellmillionär,
Der Lehrer der Weisheit, Das Haus des Gerichts, Der Künstler, Der
Mittler, Der Meister, Der Schüler.
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Warum's so gut
ist:
Es sind traurige Märchen, die uns Oscar Wilde hier erzählt.
Die meisten Menschen, die dem Leser begegnen, sind so hartherzig, daß
es einen frösteln läßt. Die Kälte der zwischenmenschlichen
Beziehungen in den Geschichten überträgt sich auf den Leser.
Natürlich gibt es auch warmherzige Charaktere, die zu Mitgefühl
fähig sind, aber diese werden auf Erden nur selten belohnt. Oft gehen
sie an ihrer Umwelt zugrunde und erst nach ihrem Tod erfahren sie durch
ein göttliches Zeichen Gerechtigkeit.
In Der Glückliche Prinz sind eine Statue und eine Schwalbe
mitleidvoller und barmherziger als die Einwohner der Stadt.
In Die Nachtigall und die Rose opfert sich eine Nachtigall für
die Liebe.
Der Geburtstag der Infantin erzählt von der Kälte und
Gefühllosigkeit am spanischen Hof.
Im Märchen Der junge König hat außer der Titelfigur
niemand Mitleid mit den im Elend lebenden Arbeitern, noch nicht einmal
der Bischof.
Die Märchen stimmen den Leser melancholisch, jedoch ohne ihn zu deprimieren,
denn Oscar Wilde verteilt auch im traurigsten Märchen noch ironische
Seitenhiebe auf die gute Gesellschaft, selbstgerechte und von sich eingenommene
Menschen, Dünkelhaftigkeit und besserwisserische Kritiker (was den
Rezensenten besonders amüsiert hat). Aus manchen Sätzen Oscar
Wildes spricht kaum verhüllte Selbstironie, auch diese Stellen gehören
zu denen, die man mit Vergnügen liest.
Ist der Tenor der Märchen trotz mancher humorvoller Einschübe
überwiegend traurig, so ist es in der berühmten Geschichte Das
Gespenst von Canterville umgekehrt. Zwar hat diese Erzählung
ein bewegendes Ende, aber bis dahin amüsiert sich der Leser königlich
über das englische Gespenst, das unter den nüchternen, pragmatischen
und respektlosen Amerikanern so sehr leidet, daß es beschließt,
nicht öfter zu spuken als es seine heilige Pflicht ist.
Der Ton der Erzählungen und der Prosa-Gedichte ist naturgemäß
nüchterner als der, der in sehr poetischer und ausschmückender
Sprache verfaßten Märchen. Trotzdem klingen die Märchen
niemals kitschig oder schwülstig. Allerdings scheint die Übersetzung
nicht ganz treffsicher zu sein. Über einen jungen Mann schreibt Wilde
angeblich: Er war alle Monate an die Börse gegangen; aber was
sollte ein Schmetterling unter Stieren und Bären. Das fragt sich
der Rezensent auch, verkörpern doch Bulle und Bär das Auf und
Ab an der Börse.
Dafür sind die Illustrationen passend, die von dem berühmten
Jugendstilmaler Heinrich Vogeler stammen.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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