Worum's geht:
Eine junge Studentin erzählt ihrem Geliebten aus ihrer Vergangenheit.
Dabei greift sie auf die Märchen zurück, die ihr Großvater
einst erzählt hat. Die Heldin dieser Märchen ist die Königstochter
Herod, mit der sich die Studentin immer mehr identifiziert, bis Realität
und Phantasie zusammenfließen.
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Warum's so gut
ist:
Hans Bemmann erzählt in einer sehr schönen poetischen Sprache
das Märchen von der Königstochter Herod, die eines Tages den
Hof ihres Vaters verläßt und auf ihrer Reise viele Abenteuer
bestehen muß. Sie trifft auf Riesen, Menschenfresser, vielköpfige
Ungeheuer und böse Zauberer, aber auch immer wieder auf sprechende
Tiere, die ihr hilfreich zur Seite stehen. Wie die junge Studentin kann
auch der Leser mühelos in diesem Märchen versinken und sich
in die Figur der Herod hineinträumen.
Die Erzählerin benutzt in der Realität diese Geschichten, um
sich über das Wesen der Menschen klar zu werden und um ihrem Geliebten
ihre Gefühle zu offenbaren. Und da ist der Haken des Romans. Sobald
sich die Geschichte der Realität zuwendet und die Botschaft sich
nicht mehr hinter den Bildern des Märchens verbirgt, sondern die
junge Frau ganz offen über die Beziehung zwischen den Geschlechtern
und über die Menschen philosophiert, merkt der Leser sehr schnell,
daß sich hinter der Ich-Erzählerin keineswegs eine junge Studentin
verbirgt, sondern ein älterer Herr, dessen Frauenbild aus den Fünfzigern
stammt und der eine Abneigung gegen den Feminismus hegt. Bemmann möchte
seine allen Gefahren trotzende, unabhängig denkende Herod nicht als
frühe Emanze mißverstanden wissen und macht dies gleich am
Beginn der Geschichte klar, indem er die Ich-Erzählerin sagen läßt,
daß ihr Großvater sie ermuntert hat, "meine weibliche
Eigenart
durchzusetzen
Und diese Erinnerung hat mich stärker
beeindruckt als jene viel später aufgenommenen, von Frauen geäußerten
feministischen Parolen." Obwohl Die Gärten der Löwin
zum ersten Mal 1993 veröffentlicht wurde, ist die reale Welt in diesem
Roman die Welt der fünfziger Jahre, dies merkt man auch daran, wie
der Autor das Land Italien beschreibt. Man tritt mit falschen Erwartungen
an diese Geschichte heran, wenn man glaubt, einen Schlüsselroman
über eine junge Frau der Gegenwart in der Hand zu halten.
Wenn man aber im Blick behält, daß Hans Bemmann tatsächlich
ein älterer Herr war als Die Gärten der Löwin veröffentlicht
wurde, dann wirkt der Roman authentisch und vermittelt einen liebenswerten
altmodischen Charme.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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