GLORIANA

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Wertung: 3 von 5
1 Rezension
-Der Palast ist so groß wie eine mittlere Stadt.-
Das erste Kapitel
Zyklus/Band -
Autor Michael Moorcock
Original Gloriana or The Unfulfill'd Queen
Erscheinungsjahr 1978, dt. 1981
Verlag Heyne Bücher
ISBN 3-453-30710-0
Subgenre Pseudo-historisch
Seitenzahl 428
Probekapitel -
Worum's geht:
Seit 13 Jahren herrscht Königin Gloriana über das mächtige Albion, das vormals von ihrem gewalttätigen und wahnsinnigen Vater Hern beherrscht wurde. Alles scheint gut zu sein, aber hinter den Kulissen gärt es: Da ist die Königin, die keine sexuelle Befriedigung findet, der Lordkanzler Montfallcon, der heimlich Oppositionelle foltern und ermorden läßt von seinem Zögling Quire und die außenpolitisch fragile Lage - Polen und Arabien buhlen um die Gunst der Königin, sollte sie einer erhalten, wäre zu befürchten, daß die Tartaren sich mit dem anderen verbünden und Albion in einen Krieg hineinziehen. Doch Montfallcon weiß immer einen Weg die Situation nicht eskalieren zu lassen - bis es zu einem Zwist zwischen ihm und Quire kommt...

Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Die Geschichte spielt in einer Parallelwelt, etwa im 16. Jhd. - schwer auszumachen, da es keine Kreuzigung gab und keine Christen gibt. Es herrscht Religionsfreiheit, es steht jedem frei, ob er an griechische, germanisch oder die alten Götter (also Arioch und Kumpane - eine der wenigen Verbindungen zum Ewigen Helden) glaubt - doch außer in rhetorischen Bezügen spielen Götter oder Kirchen keine Rolle. Albion entspricht dem Britischen Reich, Großpolen wird von einer Wahlmonarchie mit starken Parlament regiert, Arabien von einem starken Kalifen; die Widersacher sind die mächtigen Tartaren. Doch die gesamte Geschichte spielt im Palast der Königin, einem gewaltigen Gebäudekomplex, durchzogen von Geheimenkammern und -gängen, bevölkert von einer riesigen Menge Adliger (im Glanze des Palastes), Diener (im Halbschatten) und Ausgestoßenen (im Schatten). Die bevorzugte Waffe ist der Degen (wie man damit jemanden enthaupten kann, ist mir zu tiefst unklar), aber es gibt auch Piken und "Feuerrohre".
Figuren treten außergewöhnlich viele auf, manche sind vage an historische Personen angelehnt (Dr. Dee war eine historische Persönlichkeit, Gloriana erinnert an Königin Viktoria etc). Auch wenn es genügend Raum für eine echte Charakterentwicklung - und überhaupt überzeugende Charaktere - gibt, so wird dieser kaum genutzt. Dem Leser wird nur eine sich vielfach wiederholende Korruption, die auf sexuellen Gefälligkeiten basiert, geboten. Die wichtigsten Personen seien hier kurz skizziert. Königin Gloriana, eine sexuell unbefriedigte Frau, die sich bemüht, den Frieden aufrecht zu erhalten und alle glücklich sehen will; sie schwankt zwischen Pflichtbewußtsein und Vergnügen im Laufe der Geschichte. Lordkanzler Montfallcon, dem die Sicherheit des Reiches wichtiger als alles andere ist; er greift zu verbrecherischen Mitteln zurück um den Frieden aufrecht zu erhalten. Käpt'n Quire, ein amoralischer Machtmensch, der seine Morde als Kunst versteht; er ist sehr gewieft und schreckt vor keiner Brutalität zurück: Um an gewisse Informationen zu gelangen, spießte er ein Mädchen im beisein ihrer Mutter auf eine Bratenspieß auf und röstete es. Una, die Gräfin von Scaith, die Sekretärin der Königin und ihre beste Freundin; sie ist eine lebens- und abenteuerlustige junge Frau. Doch neben diesen treten noch unzählige weitere Figuren auf, die geringere bis vollkommen belanglose Rollen spielen; ihnen ist zueigen, daß sie über eine einfache Etikettierung nur selten hinauskommen und einander häufig viel zu ähnlich sind.
Magie tritt nur als Kulisse auf, wenn Einhörner die Pracht des Palastes oder Glorianas Sex mit Tiermenschen ihre grenzenlose Suche nach Befriedigung verdeutlichen sollen.
Die Handlung ist eine Intrigengeschichte, die mitunter an eine klassische Tragödie erinnert. Quire inszeniert ein gewaltiges Schauspiel, bei dem (beinahe) alle nach seiner Pfeife tanzen, denn es gelingt ihm, die Menschen zu durchschauen und zu manipulieren (nicht weiter schwierig, sind die doch meist auf Sex versessen). Der Roman weist manche Schwäche und einige Stärken auf. Der Spannungsbogen ist auch so ein Ding; nur sehr langsam beginnt sich eine Spannung aufzubauen, hat man sich durch die ersten 160 Seiten durchgekämpft, wird man mit etwa 240 Seiten Hochspannung belohnt; rasant entwickelt sich der Plan des Schurken und manch überraschende Wendung sorgt für Kurzweil, es gibt einen Höhepunkt und die Spannung fällt schnell ab. Die letzten zwei Kapitel versuchen noch einmal Spannung aufzubauen, quasi wie in einer klassischen Kurzgeschichte, was allerdings unangemessen und aufgesetzt wirkt. Hinzu kommen die sich endlos hinziehenden, überaus detailreichen Beschreibungen der Pracht des Hofes und einige belanglose Seitenstränge der Geschichte (z.B. Wheldrakes Dichtungen), die wieder einiges an Fahrt aus der Geschichte nehmen.
Der Widerstreit zwischen dem Stoiker Montfallcon und dem Nietzsche-Anhänger Quire ist durchaus interessant, es wird aber keine glaubwürdige Szenerie entwickelt, die beide Seiten ernsthaft betrachtet; dieses ist meiner Meinung nach das größte Manko des Buches.
Achtung Spoiler!
Denn Quire ist eine Art Superstecher; er ist natürlich ein fulminanter Fechter, auch weiß er alle Personen zu durchschauen und zu manipulieren, während er selbst niemals durchschaut oder manipuliert wird. Alle lieben ihn, denn er ist sooo charismatisch. Am Ende kann er seine Pläne verwirklichen, weil er Gloriana so geschickt zu vergewaltigen weiß, daß sie sich in ihn verliebt. Diese Szene fehlt in der überarbeiteten Fassung (s.u.). Quire ist der pubertäre Wunschtraum eines unartigen Jungen.
Spoiler Ende.
Sprachlich bietet das Werk auf der eine Seite lange Aufzählungen, Bandwurmsätze und schlechte Gedichte, auf der anderen Seite aber auch ein sehr geschicktes Verschmelzen von Szenen. Im Großen und Ganzen ist der Sprachstil der Geschichte angemessen, besonders durch die altertümlich wirkende Kunstsprache, welche die Figuren sprechen.
Kurzer Hinweis: 1983 hat der Autor das Werk komplett überarbeitet, im Detail hat sich also etwas geändert (verbessert, wie ich meine), im Großen bleibt es aber unverändert.
(rezensiert von: Theophagos)


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Fazit: Eine gigantomanische Intrigengeschichte; wer sich an den pubertären Episoden und langen und detailreichen Beschreibungen nicht stört, wird mit einer sehr spannenden (ab dem 13. Kap.) Geschichte mit viel Potential belohnt - vielleicht sollte man allerdings die letzen zwei Kapitel nicht mitlesen.


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