INSEL DES TODES - GESPENSTERGESCHICHTEN

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1 Stern = übel
Wertung: 4 von 5
1 Rezension
-Meine Gedanken galten dem Ding im Kamin, das durch den Schlot herabgekrochen war. Aber, so fragte ich mich, sein groteskes Bild vor Augen, wie kann ein Ding ohne Arme kriechen...?-
Insel des Todes
Zyklus/Band -
Autor Markus K. Korb
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 2005
Verlag Eloy Edictions
ISBN 3-938411-06-6
978-3-938411-06-3
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 242
Probekapitel -
Worum's geht:
Dass die Gespenstergeschichte zu Unrecht ein eher biederes Image innerhalb der zahlreichen Phantastikthemen innehat, zeigt Markus K. Korb mit dieser Sammlung, die auf den Spuren der klassischen Schauerschreiber M.R. James, Montague Summers, William Hope Hodgson, etc. wandelt.

11 Erzählungen von Markus K. Korb:
- Schatten
- "X" bedeutet "Schatz"
- Das Gesicht am Fenster
- Schattenverwobener Pavillon im Licht der ringförmigen Dunkelsonne
- Van Deres Gewächshaus
- Bungalow am Strand
- Der verbotene Hain
- Lost America
- Die Kapelle im entlegenen Teil des Dorffriedhofs
- Die kalte Anni
- Insel des Todes

Bewertet mitSternen (Besucher-Rezension):
Ein Photograph sucht sich als Motiv für ein neues Buch eine verfluchte Villa aus. Auf der Suche nach guten Motiven zeigen sich ihm plötzlich Gespenster in den Schatten des Hauses und er muß unfreiwillig erfahren, welche Verbrechen hier stattgefunden haben.
Ein wenig konstruiert aber ein sehr guter Opener. Gespickt mit filmreifen Bildern, die der Autor im Kopf des Lesers entstehen läßt ("Ein Lichtspalt ließ seine Haare hell glänzen, als er mit beiden Händen hoch in die Vorhänge griff und sie mit Schwung auseinander stieß, so dass er einen Moment mit wagerecht gestreckten Armen und gesenktem Kopf dastand.").

"X" bedeutet "Schatz", vermutet eine Gruppe Abenteurer, die auf einer Insel im Packeis tatsächlich ein Schiffswrack findet, das in einer unterirdischen Höhle eingeschlossen ist. Wären da nur nicht die Funkmeldungen der an Bord zurückgebliebenen Kameraden, die von schwankenden Gestalten im Nebel und von umherwandernden Erscheinungen im verlassenen Basislager der Schatzsucher sprechen.
Ebenfalls eine sehr schöne, stimmungsvolle Geschichte, die leider gegen Ende etwas hastig und unrund wird. Es wirkt so, als hätte der Autor die zentralen Ideen der Story (eingeschlossenes Schiff, geisterhafte Erscheinungen) abgearbeitet und hätte nun zu einem Ende kommen müssen.

Während des Besuches bei seinen Großeltern auf einer Nordseeinsel erscheint einem Jungen des Nachts Das Gesicht am Fenster. Zufälligerweise erfährt er, dass sich sein Großvater und dessen Freund in den bestehenden Kriegszeiten als Fluchthelfer nach Norden betätigen. In der nahegelegenen, verfallenen Mühle stößt der Junge auf ein Geheimnis, das sein Großvater verbergen wollte.
Eine gute Story, die beständig die Spannung steigert und das auch bis zum Ende durchhält. Ebenfalls eine Geschichte über das Erwachsenwerden, wie bei Markus Korb des öfteren zu finden.

In der Nähe eines alten Tempels beobachten drei Freunde eine Sonnenfinsternis. Am Eingang dieses Schattenverwobenen Pavillons im Licht der ringförmigen Dunkelsonne glaubt einer der Männer seine Geliebte zu erkennen, die sich gerade auf Reisen befindet. Er folgt ihr während der Eklipse in den Tempel, und dort verwischen sich die Grenzen von Leben und Tod.
Ein sehr schönes Beispiel, wie der Autor durch die Beschreibung von vermeintlichen Kleinigkeiten Atmosphäre erzeugt ("... und sah dabei zu Boden, wo das ungemähte Gras im Wind zitterte. Der Lufthauch spielte auch mit Maries glockenförmigem Kleid, hob es leicht empor, so dass Hans ihre weißbestrumpften Waden sehen konnte"). Ebenso wird durch die Beschreibungen der Personen eine zeitliche Zuordnung gemacht (Zylinder, Frack, Weste), ohne diese explizit vorzusetzen. Dadurch wird der Leser gefordert und das Interesse aufrecht erhalten.

Eine Floristin trifft sich nach Feierabend mit dem Aristokraten Van Dere. Nach einer abenteuerlichen Reiseschilderung, mit der Entdeckung einer bis dato unbekannten fleischfressenden Pflanze als Höhepunkt, begleitet sie ihn auf sein Anwesen, um diese Pflanze im Vollmondlicht in Van Deres Gewächshaus blühen zu sehen.
Wiederum eine sehr atmosphärische, leicht humorige Geschichte, die allerdings das Thema der Zusammenstellung nicht ganz trifft. Leider kann man das Ende der Geschichte auch schon früh erahnen, was der Qualität aber keinen Abbruch tut.

Ein Junge führt ein Mädchen zu einem zerfallenen Bungalow am Strand, um sie dort in der Einsamkeit der Nacht zu verführen. Der Bungalow ist ehemals einem Feuer zum Opfer gefallen und das Mädchen muß erkennen, warum es den Jungen immer wieder hierher zieht.
Sehr gute, sehr dichte Story mit einem wirklich überraschenden Finale. Die Einsamkeit des Hauses am Strand ist förmlich spürbar. Während der Autor auf äußere Schrecken lauschen läßt ("Dort oben", flüstert sie mir zu. "Läuft dort jemand umher?"), kommt die wahre Bedrohung aus einer gänzlich anderen Richtung. Gegen Ende ist der Leser dem Grauen ebenso schutzlos ausgeliefert wie das Mädchen.

Ein junges Liebespaar gerät bei einem Spaziergang in den sagenumwobenes Waldstück, von dem ihre Ahnen Unheimliches zu berichten wissen. In dem verbotenen Hain stoßen Sie auf ein Bauwerk, dass von sterbenden Göttern bewohnt wird. Das Mädchen möchte den Göttern helfen, die ursprüngliche Botschaft des Einklangs von Mensch und Natur wieder zu verbreiten.
Eine schöne Dark Fantasy-Geschichte, die ein unvohergesehenes Finale liefert. Die Stimmung ensteht hier aus der Vereinigung von verschiedenen Archetypen der Fantasy- und Gruselliteratur (verfluchter Wald, geheimnisvoller Tempel, sterbende Götter, grausame Mischwesen).

Der Fotograph Troy Paiva ist ständig auf der Suche nach Friedhöfen der Ziviliation, um diese abzulichten und seiner Bildersammlung "Lost America" hinzuzufügen. Beim nächtlichen Besuch der "Leiche" des Phoenix Trotting Park wird ihm gezeigt, worauf die amerikanische Kultur in Wahrheit aufgebaut ist.
Zu dem wirklich originellen Setting der Geschichte ließ sich Markus Korb durch die real existierende Website www.lostamerica.com inspirieren (Ein Besuch dort vertieft die Wirkung der Geschichte enorm). Der Gang durch die sterbenden Gebäude ist wie immer sehr präzise dargestellt, wodurch ein Großteil der Stimmung vemittelt wird. "Lost America" hebt sich in sofern von den anderen Geschichten ab, dass hier eine Botschaft transportiert wird. Durch die Wahl des Handlungsortes und der Geistermanifestationen wird unmittelbar dargestellt, dass die Unterdrückung und teilweise Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner zugunsten einer kurzlebigen Spaßgesellschaft erfolgt ist.

Warum sollte jemand Die Kapelle im entlegenen Teil des Dorffriedhofs anzünden? Vielleicht wegen dem, was er dort im verfallenen Beichtstuhl gesehen hat?
Leider muß man die Geschichte als verzichtbar bezeichnen. Die Erscheinungen bleiben zu vage, die Erklärungen bleiben aus und am Ende der ohnehin kurzen Geschichte bleibt nur ein ratloses Schulterzucken.

Die kalte Anni ist mehr als ein Schauermärchen für unartige Kinder, und das Grauen, das sie bringt, ist schrecklicher als der Tod.
Leider wirkt auch diese Story bemüht und das Fehlen wäre verschmerzbar. Formal allerdings top.

Vier Schiffbrüchige stranden auf einer Felseninsel, die von einem verlassenen Anwesen überragt wird. Entgegen der ersten Vermutung, aufgrund allgegenwärtiger Gittertüren, in einem verlassenen Gefängnis zu sein, stellt sich das Gebäude auf der Insel des Todes als ehemalige Irrenanstalt heraus, die darüber hinaus gar nicht so verlassen ist.
Die Geschichte ist deutlich länger und entspannter angelegt als der Rest der Sammlung. Markus Korb läßt sich bei allem mehr Zeit. Beim Weg vom Strand zum Haus, beim Rundgang durch das Gebäude, bei den Überlegungen der Gruppe, wie denn weiter vorzugehen ist. Sobald sich Korb auf seine schicksalsgebeutelten Personen und deren Beweggründe konzentriert, stellen sich allerdings leichte Wiederholungserscheinungen ein. Auch kann man sehr früh erahnen, was denn weiter passiert, befindet man sich doch in einer Gespenstergeschichte. Glücklicherweise ist die Geschichte zu kurz, um wirklich Langeweile aufkommen zu lassen, und die grob vorhersehbare Handlung wird einigermaßen überraschend entwickelt. Leider bleiben die Manifestationen des Bösen ohne weitere Erklärungen und man muß annehmen, dass die Geister sich rächen wollen (obwohl unsere Schiffbrüchigen keinen Bezug zu den ehemligen Peinigern haben). Der Erzähler der Geschichte ist übrigens Ambrose Bierce, der spurlos in den Wirren der mexikanischen Revolution verschwunden ist und dessen genaue Ablebensumstände tatsächlich nicht geklärt sind.
Zu Insel des Todes ließ sich Markus Korb von seinem Autorenkollegen Thomas Wagner inspirieren. Der Prolog ist dessen Erzählung Ein Wurm namens Ewigkeit entnommen und auch im Handlungsverlauf gibt es eine direkte Textübernahme aus Wagners Geschichte. Ich halte das für ein sehr interessantes Experiment. Warum nicht Elemeten einer bestehenden Geschichte neue Seiten abgewinnen. Schließlich hat bereits Jules Verne die Fortsetzung zu Poes Arthur Gordon Pym geschrieben.

Markus Korb wird gerne als neuer Edgar Allan Poe gehandelt. Der Vergleich ist meines Erachtens nicht ganz zutreffend. Korb versteht es zweifellos, souverän unheimliche Stimmungen zu erzeugen. Diese resultieren allerdings eher aus den detaillierten Beschreibungen der Äußerlichkeiten und der treffenden Wortwahl. Wo Poe in seine Protagonisten eingedrungen ist, bleibt Markus Korb an der Oberfläche. Das Äußere scheint wichtiger zu sein als das Innenleben der Figuren. Seine Geschichten sind allerdings sehr atmosphärisch, zielstrebig und ausnahmslos gut konstuiert. Das rückt ihn eher in die Nähe von H.P. Lovecraft. Die Form der Kurzgeschichte ist für Korbs präzisen Stil wie geschaffen. Zeit genug, um Stimmung aufzubauen, doch zu kurz, um sich wiederholen zu müssen.
Sein Stil ist sehr modern und wirkt nicht antiquiert; er versucht nicht, den Ton der Vorbilder zu kopieren.
Die Geschichten spielen ausnahmslos in ihrem eigenen Mikrokosmos ohne einen Blick auf die äußere Welt zu werfen. Dadurch sind die Stories konzentriert und es besteht für den Autor nicht die Gefahr, von der zentralen Handlung abzuweichen.
Oftmals beginnen die Geschichten zentriert mit einem Dialog oder einer Personengruppe, um sich dann zu entfalten und ein größeres Bild zu zeigen. Diese Vorgehensweise erinnert sehr an einen Film, in dem sich die Kamera von einem zentralen Punkt immer mehr entfernt, um am Ende eine Totale zu zeigen.
Ebenso wie in einem Film benutzt Markus Korb auch gerne eine "bildliche Sprache", z.B. die Beschreibung kleiner Gesten, die wiederum den Leser zu den richtigen Schlüssen leiten.
Damit versteht er es, den Leser von den ersten Sätzen einer Erzählung an zu fesseln.
Insel des Todes ist nach zahlreichen Anthologiebeiträgen Korbs dritte komplette (professionelle) Buchveröffentlichung, was - gemessen an der hohen Qualität der Beiträge - erstaunt.
Das perfekt stimmige Titelbild stammt einmal mehr von Coverstar Mark Freier, die stimmigen Innenillustrationen von Kollege Timo Kümmel. Beide haben sich als Coverdesigner/Illustratoren zu Recht einen Namen gemacht, der aus der aktuellen Kleinverlagsszene nicht mehr wegzudenken ist.
Eine absolute Empfehlung also meinerseits für alle Gespensterfreunde, die den Autor noch nicht entdeckt haben. Diejenigen, die Markus Korb bereits kennen, werde sich den Band ohnehin nicht entgehen lassen.
(rezensiert von: Greyshirt)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Der adressierte Junge

Fazit: Elf moderne Gespenstergeschichten in der Tradition der Klassiker ohne diese plump nachzuahmen.


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