Worum's geht:
T'ang Ao gelingt es zwar im fortgeschrittenem Alter, die Doktorprüfung
als einer der besten abzuschließen, doch aufgrund einer Intrige
bleibt ihm die weitere Beamtenlaufbahn verwährt. Mißmutig umherziehend
beschließt er, seine Heimkehr so weit wie möglich aufzuschieben.
Da kommt es ihm gerade recht, daß sein Schwager Lin, ein Kaufmann,
eine längere Seereise antritt und er ihn begleiten kann. Es geht
auch alles ganz gut, bis die beiden ins Land der Frauen gelangen und der
König sich in Lin verliebt...
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Auch wenn die Geschichte im China des 7. Jhd. n. Chr. beginnt, spielt
doch der größte Teil im Land der Frauen, einem Phantasieland,
in dem die Geschlechterrollen umgekehrt sind. Mit Ausnahme eines Flusses,
der regelmäßig über die Ufer tritt, werden weder Natur
noch Architektur weiter beschrieben, das ist aber auch nicht weiter nötig,
denn im Zentrum der Erzählung steht das Geschlechterverhältnis
und insbesondere die Rolle der Frau. Anzumerken ist hier eine für
Leser der westlichen Welt sonderbare Eigenart: Die Bezeichnung "Frau"
wird nicht nach physischen Geschlechtsmerkmalen, sondern nach der gesellschaftlich
besetzten Rolle vergeben. So kommt es, daß die Frauen lange Bärte
im Alter haben und die Männer Kinder zur Welt bringen. Ausführlich
wird der Alltag der Frauen dargestellt, wenngleich dieser überspitzt
wird - so faulen dem Kaufmann Lin beispielsweise die Zehen der eingebundenen
Füße in nur wenigen Tagen ab.
Die Handlung wird vor allem von T'ang Ao und Lin Tschi-yang getragen.
T'ang ist ein Gelehrter im fortgeschrittenem Alter, aufgrund einer Intrige
ist ihm die weitere Beamtenlaufbahn verwehrt. Da er gerne reist - aber
schon ganz China in den letzten 20 oder 30 Jahren gesehen hat - und nach
dem Debakel nicht zurück nach Hause mag, schließt er sich seinem
Schwager Lin an. Er ist ein kluger, doch bisweilen etwas weltfremder Mensch,
auch wenn er den Gesetzesbruch scheut, schreckt er nicht davor zurück,
nur Gewalt wendet er nicht an.
Lin ist ein junger Kaufmann, er besitzt ein Schiff und versucht mit den
geladenen Gütern ein möglichst vorteilhaftes Geschäft (bei
möglichst wenig Aufwand) abzuschließen. Lin ist außerdem
recht gutaussehend - alles Eigenschaften, die ihm zum Verhängnis
werden. Auch wenn er kein Held ist, der alles stoisch erträgt und
zuweilen verzagt, so hält er doch seine Versprechen und geht dafür
manches Risiko ein.
Daneben gibt es noch ein paar weitere Figuren, wie den Steuermann To,
die geborene Lü, die Ehefrau Lins, und deren Tochter Wan-ju neben
einigen namenlosen Anderen. Ihre Rolle ist jedoch relativ untergeordnet.
Doch allen Charakteren ist eine Glaubwürdigkeit zu eigen, die man
selten findet, es sind eben keine Helden und Schurken, sondern Menschen,
die ganz menschlich auf ihr Umfeld entsprechend der Rolle, die sie in
der Gesellschaft haben, reagieren.
Die Geschichte befaßt sich hauptsächlich mit Lins Leiden als
Frau, hinzu kommt noch T'angs Handeln um Lin zu befreien; dieses fällt
allerdings sehr zahm aus, ist er doch ein Gelehrter, der zu dem um das
Gute bemüht ist (sich also nicht in seinen Charakterfehlern sonnt).
Wer hier spannende Intrigen und aufregende Kämpfe erwartet, wird
enttäuscht - zwar fließt auch Blut, aber nur als Ergebnis von
Strafe, die auch nur begrenzt hart ausgeführt wird um den schönen
Körper nicht zu beschädigen.
Die Geschichte schwankt zwischen humorvoll, aufgrund der grotesken Situationen,
in die die beiden Schwager geraten - wenn z. B. von einer langbärtigen
Palastdame die "beiden reizenden Arschbäckchen" mit den
Gesichtern von Pan An und Sung Yü (sprichwörtlichen Schönheiten
des chinesischen Altertums) verglichen werden - und tragisch, wenn Lin
die Schmerzen nicht länger ertragen kann und darum bettelt getötet
zu werden, die Qualen der langsamen Hinrichtung aber auch nicht erträgt
und sich schließlich in sein Schicksal fügt.
Sprachlich ist das Werk durchaus gelungen; die Sätze sind zumeist
kurz und trocken, was mitunter etwas ungewöhnlich ist, aber das Vokabular
beschreibt sehr treffend und vielschichtig die Szenen.
Im Land der Frauen ist eigentlich kein eigenständiges Werk,
sondern eine Auswahl an Szenen aus dem Werk Djing Hua Yuan (Spiegel
und Blume in seltsamer Beziehung); das Ende wirkt daher auch etwas seltsam
und die Kürze ist auch das größte Manko der Geschichte:
Man wünscht sich mehr.
(rezensiert von: Theophagos)
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