DER LÜGNER VON UMBRIEN

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1 Rezension
-"Seid Ihr er, der dreimal sein eigenes Leben rettet und einen Säugling vor dem Ertrinken bewahrt, der ein Mädchen sowohl im Leben als auch im Totenreich trifft, der in London und Marseille der Pest begegnet, um schließlich über das Meer zu fahren, ohne etwas anderes zu besitzen als eine Silberkette, geschmiedet für einen König, geschenkt einem Emir und gestohlen von einer Hure?" Giuseppe richtete sich auf und kratzte sich die Rippen. "Das ist ziemlich viel auf einmal", murmelte er.-
Erstes Kapitel
Zyklus/Band -
Autor Bjarne Reuter
Original Lønghalsen fra Umbrien
Erscheinungsjahr 2004, dt. 2005
Verlag Heyne
ISBN 3-453-00227-x
Subgenre Pseudo-historisch
Seitenzahl 507
Probekapitel -
Worum's geht:
Italien im 14. Jhd.: Mit einem Karren voller Salben, Tinkturen und Pülverchen zieht Giuseppe Emanuele Pagamino durch die Lande. Sein Selbstverständnis als Mediziner leidet keinesfalls darunter, dass die Beulenpest für ihn auch als Plünderer kostbarer Grabbeigaben ein lukratives Geschäft ist. In einer Villa im verseuchten Florenz stößt er auf den Gärtnerlehrling Arturo, der als Einziger des Hauses vom Tod verschont geblieben ist. Dieser überascht ihn mit einer Prophezeiung seines verstorbenen Meisters und schließt sich Giuseppe an. In der Bischofsstadt werden derzeit eine Frau, die mit dem Teufel Unzucht getrieben haben soll, und ihr Sohn in den Kerkern der Inquisition festgehalten. Als wichtigste Zutat zu einem Elixier, das Unsterblichkeit verleiht, benötigt Giuseppe noch den Fingernagel Luzifers - da kommt ihm dessen Sohn gerade gelegen. Doch der Besuch in Luccas Kerkern ist nur der Anfang eines Katz-und-Maus-Spiels mit der Kirche und Bischof Agostino. Und einer langen Reise, auf der Giuseppe von Arturo, dem Esel Bonifatius und der Prophezeiung des alten Meisters begleitet wird.

Warum's so gut ist:
Der Vollständigkeit halber darf man Giuseppe nicht nur als Lügner bezeichnen: Er ist Grabschänder, Hochstapler, Fliegendompteur und Egozentriker ersten Ranges. Strotzend vor schmieriger Selbstgefälligkeit und purem Egoismus erscheint er oft als regelrechte Landplage. Doch bemerkt der Leser genau, dass Giuseppe seine überhebliche Selbstdarstellung als Blendwerk einsetzt um hartnäckige Verfolger und auch das eigene lästige Gewissen zu überlisten. Und dass hinter dem Blendwerk ein Herz steckt, das endlich Frieden finden will. Er hat die Welt bereist und Höhen und Tiefen durchlebt, ist mit allen Wassern gewaschen und hat im selben Maße an Weisheit gewonnen, wie er an Dummheit nicht verloren hat. An diesem wunderbaren Schlitzohr, das als redegewandter Schelm und als tragische Figur auftritt, hat Reuter sein Können voll ausgelebt. In den geschickt gestrickten Dialogen, in denen er Giuseppe federleicht und oft hintergründig daherfabulieren lässt, kommt seine große Sprachgewandtheit besonders zur Geltung.
Wie Giuseppe selbst, trägt auch die mittelalterliche Welt, durch die er zieht, die verschiedensten Gesichter. Die Ursprünglichkeit der Landstriche vermittelt mal das Gefühl von sicherer Zuflucht, mal von beklemmender Feindseligkeit. Die Stationen seiner Flucht wirken wie ein Kaleidoskop mittelalterlichen Lebens und auch die Hölle und das Paradies sind auf Erden anzutreffen. Die Menschen, denen Giuseppe begegnet, zeichnen sich durch Eigenschaften aus, die man als Leser lange nicht vergessen wird: Jeder für sich genommen könnte schon ein Märchen füllen.
Nie verweilt die Geschichte lange an einem Fleck, Rastlosigkeit und Vergänglichkeit bilden das Grundthema. Vom grundlegenden Erzählstrang führen kleine Fasern zu erstaunlichen Episoden am Rande. Und immer schafft es der Autor die großen Themen ohne Pathos anzugehen. Die menschlichen Charaktere in seinen Romanen werden zu Schauplätzen, auf denen Gut und Böse, Überirdisches und allzu Menschliches sich begegnen. Leben und Tod sind Dinge, die das, was die Philosophie über sie sagt, ganz hinter sich gelassen und in Giuseppe einen lakonischen, für einen Lügner äußerst ehrlichen Berichterstatter gefunden haben.
Durch den überraschenden Schlussteil, der in der heutigen Zeit spielt, eröffnet sich nochmals eine neue Perspektive auf diese wundersame Geschichte.
(rezensiert von: Nungu)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Fazit: Eigentlich ein historischer Roman - und doch eine Märchengeschichte voller Wunder.


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