LYCIDAS
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Wertung: ø 4.25 von 5
2 Rezensionen
-Die Welt ist gierig, und manchmal verschlingt sie kleine Kinder mit Haut und Haaren. Emily Laing erfuhr dies, bevor ihre Zeit gekommen war.-
Kapitel 1: Dombey & Son
Zyklus/Band Die uralte Metropole (1)
Autor Christoph Marzi
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 2004
Verlag Heyne
ISBN 3-453-53006-3
Subgenre Phantastik
Seitenzahl 859
Probekapitel -
Worum's geht:
Die junge Emily lebt in einem Waisenhaus in London, in dem schreckliche Zustände herrschen - sie hat dort bei einer Züchtigung mit dem Rohrstock ein Auge verloren; andere, hübschere Kinder werden von Zeit zu Zeit abgeholt und kommen verängstigt und verletzt wieder zurück.
Eines Tages wird Emily von einer Ratte angsprochen, die sich als Lord Brewster vorstellt und ihr den Auftrag gibt, auf die kleine Mara, einen Neuzugang im Waisenhaus, ein Auge zu haben. Emily traut ihren Ohren kaum, doch noch in der selben Nacht wird Mara entführt - von einem Werwolf, der kurz darauf auch Emily, die Zeugin der Entführung, beseitigen will. Nur mit Hilfe der Ratten gelingt Emily die Flucht, und diese sind es auch, die den eigenbrötlerischen Alchemisten Wittgenstein dazu überreden, sich um das Mädchen zu kümmern. Wittgenstein führt Emily in die Uralte Metropole, eine Stadt unter der Stadt, die von Elfen, Irrlichtern, gefallenen Göttern und derlei Unglaublichkeiten mehr bevölkert wird. Dort spielt die entführte Mara eine wichtige Rolle in den Intrigen um die Vorherrschaft - und Emily ist zusammen mit Wittgenstein, ihrer Freundin Aurora und dem Elfen Maurice Micklewhite dazu ausersehen, Mara zu befreien...
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Man nehme eine ganz gewaltige Dosis Neil Gaiman und löse darin allerhand literarische Klassiker von Gustav Meyrink über Charles Dickens bis hin zu Oscar Wilde und John Milton auf, bringe das Ganze mit einer Prise China Miéville zum Reagieren, und fertig ist ein phantastisches Wunder-Elixier, ein spannendes winterliches Lesevergnügen im dunklen London, das doch vor buntem Leben überschäumt.
Es dauert ein wenig, bis man sich in die Umstände einfindet, auf die Christoph Marzi seine Erzählung aufbaut: Emily lebt in einem Waisenhaus, in dem es zugeht wie zur Blütezeit der Industrialisierung, und ihr Retter ist ein wenig modern anmutender Alchemist - aber sie hört auch gerne CDs und geht shoppen. Hat man diese anfangs seltsame, mit steigender Seitezahl aber durchaus logische Konstellation erst einmal akzeptiert, kann es losgehen, und den haarsträubenden und spannenden Abenteuern im London darunter und im London darüber steht nichts mehr im Wege. Fast kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus, was Marzi alles an Ideen auffährt: gefallene Götter residieren in stillgelegten U-Bahn-Linien, längst totgeglaubte Dichter betreiben kuriose Läden und wunderschöne Engel erfreuen die Menschheit als Straßenmusikanten. Einerseits macht es Spaß, sich auf die Jagd nach den literarischen Vorbildern zu begeben, denen der Autor hier ein ganz eigenes Denkmal setzt, andererseits kommt einem einiges schlicht zu bekannt vor. Speziell bei Gaiman wurde sich ein wenig zu offensichtlich und vor allem zu ausnehmend bedient, die Grundideen aus American Gods findet man in Lycidas genauso wieder wie das Setting und sogar zwei Figuren aus Niemalsland (die hier allerdings nicht dieselbe Intensität erreichen). Zwar macht Marzi niemals einen Hehl aus seiner Verehrung für Neil Gaiman, aber dennoch wäre hier weniger mehr gewesen, zumal das Buch ohnehin vor Ideen überquillt. Manchmal gibt es so viele im Einzelnen faszinierende Bilder, einen Overkill an Ideen, der so bombastisch ist, daß er den Leser einfach aus der Bahn der Geschichte lenkt.
Dennoch bleibt es über die 850 Seiten hinweg spannend, und die Charaktere, die mit wenig Aufwand eindrucksvoll zum Leben erweckt werden, müssen etliche überraschende Wendungen verkraften. Das erste Drittel allein wäre schon ein eigener kleiner Roman gewesen.
Sprachlich ist Marzi eine schöne Symbiose aus Moderne und der Hinterlassenschaft seiner literarischen Vorbilder gelungen, ein ungewöhnlicher und sehr angenehmer Stil. Allein die Vielzahl an Vorausdeutungen und Vorwegnahmen bremst an manchen Stellen mehr als daß sie vorantreiben würde. Hier verhält es sich wie mit der unüberschaubaren Fülle der Ideen: Der Leser wird teilweise mit zu viel des Guten überfordert. Eine empfehlenswerte Lektüre für lange, gemütliche Leseabende zum Staunen, Nachdenken und Mitfiebern ist Lycidas trotzdem.
(rezensiert von: mistkaeferl)
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1 vorhanden

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
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Niemalsland

Fazit: Spannende, unter der Last der Ideen fast zusammenbrechende Schnitzeljagd nach literarischen Versatzstücken.



weitere Rezensionen:

Lycidas:
Bewertet mit Sternen (Besucher-Rezension):
Es ist schon erstaunlich, was Christoph Marzi in seinem Erstlingswerk hier für ein Feuerwerk an Ideen abbrennt. Jede Seite bringt neue Wendungen, Hintergründe und Details zur komplexen Geschichte des Waisenkindes Emily Laing. Marzi bedient sich dabei bei einer schier endlosen Fülle von Quellen, Zitaten und Anlehnungen an Literarische Klassiker, Mythologie und Theologie. Beginnt der Roman zunächst wie ein Charles Dickens Klassiker wandelt er sich schnell zu einem Mix aus Neil Gaiman und John Milton, nur um dann einige Seiten später an Krimi-Klassiker à la Arthur C. Doyle zu erinnern. Und immer noch sind viele andere offensichtliche Quellen (Gustav Meyrink, Philip Pullman, …) hier nicht genannt.
Aber gerade diese schiere Vielfalt von Ideen ist die einzige wirkliche Schwäche dieses Romans. Es ist unzähligen Handlungssträngen zu folgen und allen Protagonisten genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Dennoch dürfte dieses dem Lese-Neuling manchmal ein leichtes Gefühl von Verwirrung bescheren. Doch der Leser wird belohnt, es erwartet ihn eine unheimlich detaillierte und spannende Geschichte mit zwar nicht sehr komplexen, aber dennoch absolut authentischen Figuren.
Es bleibt mir noch, den etwas ungewöhnlichen Sprachstils Marzis zu würdigen. Er findet eine gelungene, zeitgemäße Sprache und schafft es dennoch mühelos die Atmosphäre eines mystischen und geheimnisvollen Londons zu zeichnen.
Man darf gespannt sein, ob auch der bereits bei Heyne veröffentlichte Nachfolger Lillith, diese Fülle an Ideen halten wird.

Am Ende noch ein besonderes Lob an den Heyne Verlag, der den Roman ein schönes und ansprechendes Artwork verpasst hat, was ja leider bei diesem Verlag keine Selbstverständlichkeit ist.
(rezensiert von: Dominik M. Aufderheide)

gesamt
Welt
Sprache
Aufmachung
Story

Fazit:
Marzi präsentiert einen absolut fasziernenden Spaziergang durch die Geschichte der phantastischen Literatur und bietet, trotz vielerlei bekannter Motive, ein ebenso spannendes wie berühendes Debut. Großes Lob.

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