Wo soll das nur enden? - Zu Endlosserien, Zyklomanie und dem Überblick

Dicke Bücher und langer Atem
Angesichts der dicken Wälzer im Fantasy-Regal, die nicht selten 500 Seiten locker überschreiten und dann noch 25 Folgebände aufweisen, könnte man annehmen, das Genre sei nur etwas für Leute mit sehr langem Atem oder Bücherfresser. Solche Schmöker und das Problem des Überblickes bei mehrteiligen Zyklen wirkt auf so manchen unbedarften Leser auch noch abschreckend.
Von wegen in der Kürze liegt die Würze - je mehr Seiten, desto besser! Dieses Konzept liegt nahe, stimmt aber bei näherer Betrachtung gar nicht.

Reihen ohne Ende
Über tausende von Seiten Niveau und Qualität zu halten, glückt selbst meisterlichen Schriftstellern eher selten. Und doch gibt es sie tatsächlich, die Endlosserien, die stramm auf Band dreißig zulaufen oder ihn bereits überschritten haben. Dabei stellt sich die Frage, ob es tatsächlich Geschichten gibt, die so lange erzählt werden müssen, oder ob der Autor sich einfach weigert, seinen Goldesel abzuschlachten. Meistens ist leider schon nach den ersten Bänden klar, woher der Wind weht: Die Bücher werden dicker, der Inhalt leider immer dünner. Dabei ist es völlig egal, ob man immer noch in der anfänglichen Geschichte steckt und diese einfach langsam wie eine Schnecke voran kriecht, oder der Autor schon die Fortsetzung der Fortsetzung schreibt und dabei dieselbe Geschichte wieder und wieder erzählt, höchstens mit geänderten Schauplätzen und Charakteren.
Zu dumm, daß gerade Fantasy eigentlich nach einer durchkonstruierten Geschichte schreit, deren Ende dem Autor schon am Anfang bekannt ist - zu dumm, daß sich viele Reihen so lesen, als hätte der Autor irgendwann aufgegeben so zu tun, als wüßte er, wo er hin will.
Warum aber Zyklomanie, Reihenbildung, Sagawahn und Serientäter?

Gründe der Zyklomanie
Seit Tolkien ist die Trilogie die Königsdisziplin der Fantasy, aber es gibt nur relativ wenige echte, abgeschlossene Trilogien. Spätestens die Übersetzung ist nicht selten das Ende einer Trilogie, denn viele deutsche Verlage gehen nach dem aus 1 mach 2-Prinzip vor, und -simsalabim- schon ist es ein Sextett. Man kann es einem Autor ja nicht verdenken, daß er sich ein Türchen für eine Fortsetzung offenhält, wenn er unter Schweiß, Blut und Tränen eine eigene, detailierte Welt erschaffen hat, und diese vielleicht für weitere Episoden nutzen möchte.
Auch das shared-world-System, bei dem verschiedene Autoren Geschichten erzählen, die auf einer gemeinsamen Welt spielen, hat viele locker zusammenhängende Endlos-Zyklen beschert, bei denen der Überblick gegen Null geht, weil die einzelnen "Serien in der Serie" zu verschiedenen Zeiten spielen.
Abgeschlossene Einzelbände sind dagegen eine Seltenheit - aber auch das ist verständlich, denn in der Regel braucht es eine gewisse Zeit, um den Leser in eine fremde Welt einzuführen.

Um was ging es da nochmal schnell?
All das ergibt für den Fantasy-Leser ein nicht zu unterschätzendes Problem: Man ist in beliebig viele nicht vollendete Zyklen eingelesen, müßte sich theoretisch hunderte von Charakteren und Einzelplots merken, denn schließlich will man ja auch beim nächsten Band im nächsten Jahr noch dabei sein - da lernt man die in betrüblich wenigen Büchern vorhandenen "Was bisher geschah"-Absätze schätzen; nur daß diese bei so manchem ausufernden Werk gut und gerne ein eigenes Buch abgeben würden. Ansonsten muß man sich nochmal durch die ganzen Bände kämpfen - doch gerade die Endlosserien laden wegen mangelnder Qualität nicht unbedingt zu mehrmaligem Lesen ein.
Eine andere Möglichkeit wäre, einfach zu warten, bis alle Bände erschienen sind, und sich erst dann ins Vergnügen zu stürzen. Aber wer ist schon so geduldig?
Fazit: Mehrteiler - immer wieder gerne, denn sie gehören mit in die Zauberkiste der Fantasy, aber doch nicht mehr Teile als nötig!

Wann erscheint der nächste Band? Ein Blick in die Buchvorschau sorgt für Erleuchtung...