Worum's geht:
Um 1800: In der Familie des Medizinalrats Stahlbaum wird Weihnachten gefeiert.
Pate Droßelmeier, eigentlich Obergerichtsrat, aber mit Freude an
feinmechanischen Arbeiten, schenkt der siebenjährigen Marie und ihrem
älteren Bruder Fritz, eine wunderschöne Spieluhr. Doch die Kinder
verlieren bald die Lust an dem Geschenk, weil die Figuren sich immer nur
auf dieselbe Weise bewegen können. Fritz spielt lieber mit seinen
Soldaten, Marie bevorzugt einen ziemlich häßlichen Nußknacker,
der aber freundlich lächeln kann. Am späten Abend kommt das
Spielzeug in einen Glasschrank. Die Geschwister mögen sich gar nicht
von ihm trennen und freuen sich an den schönen Dingen, die in ihm
aufbewahrt werden. Schließlich bleibt Marie ganz allein vor dem
Schrank zurück. Schlag Mitternacht erwacht das Spielzeug zum Leben
und das Zimmer ist plötzlich voller Mäuse. Eine heftige Schlacht
entbrennt zwischen den verfeindeten Lagern. Als der Nußknacker in
höchste Gefahr gerät, fällt Marie in Ohnmacht und verletzt
sich. Später, an ihrem Krankenbett, erzählt ihr Pate Droßelmeier
das Märchen von der harten Nuß, in dem die Prinzessin
Pirlipat in einen Gnom verwandelt wird und nur von einem jungen Mann erlöst
werden kann. Doch die Prinzessin erweist sich gegenüber ihrem Retter
als höchst undankbar
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Hoffmanns phantastisches Märchen schildert zu Beginn eine idyllische,
aber realistische Bürgerlichkeit. Die Kinder dürfen den ganzen
Tag lang nicht die gute Stube betreten. Die Abenddämmerung bricht
herein, die Geschwister warten aufgeregt und weil kein Licht angezündet
wird, auch ein wenig ängstlich, auf die Bescherung. Als es völlig
finster geworden ist, meinen sie Flügelrauschen und Musik zu hören,
sie sehen einen hellen Schein und wissen, daß das Christkind nun
fortgeflogen ist. Es ertönt ein Glöckchen, die Tür wird
geöffnet und das Weihnachtszimmer erstrahlt im hellen Glanz. Marie
und Fritz sind glücklich mit ihren Geschenken, auch wenn sie -wie
Kinder nun mal so sind- schnell die Lust an Droßelmeiers mechanischem
Wunderwerk verlieren. Nur der Pate will nicht so recht in das Idyll passen.
Zwar lieben ihn die Geschwister, da er gut zu ihnen ist und ihnen stets
die schönsten Geschenke macht, aber er ist kein hübscher Mann:
klein und mager, mit Runzeln im Gesicht, auch fehlt ihm das rechte Auge,
das durch ein schwarzes Pflaster ersetzt worden ist. Sein Äußeres
und die Tatsache, daß er als Spielzeugmacher im wahrsten Sinn des
Wortes die Puppen tanzen lassen kann, machen ihn zu einer zwielichtigen
Person und der Leser kann sich nie sicher sein, ob der liebe, gute Pate,
der so schöne Geschenke macht und der kranken Marie Märchen
erzählt, nicht vielleicht doch ein böser Zauberer ist. Hoffmann
spielt mit den Erwartungen des Lesers und ironisiert sie gleichzeitig.
Vor allem das Märchen von der harten Nuß mit der undankbaren
Prinzessin, steckt voller ironischer Seitenhiebe und zeichnet das satirische
Bild eines Königshofes. Das Gegenstück zu Prinzessin Pirlipat
ist die reine, gutherzige und opferbereite Marie. Nußknacker
und Mausekönig ist aber nicht nur ein idyllisches und lustiges
Märchen, es verbreitet auch Angst, Schrecken und ein gewisses Maß
an Abscheu und zwar nicht nur für die kleine Marie.
Wer glaubt, der Mausekönig hieße so, weil er eine Krone trägt
und der königliche Herrscher über alle Mäuse ist, der irrt.
Der Hoffmannsche Mausekönig ist zwar auch Monarch und Befehlshaber
seiner Truppen, aber wer den gebräuchlicheren Begriff "Rattenkönig"
kennt, der kann sich eine ungefähre Vorstellung vom Aussehen des
Mausekönigs machen. Wenn eine Ratte in einem Wurf mehrere Jungen
zur Welt bringt und deren Schwänze sich unentwirrbar miteinander
verknoten, so daß sie sich nicht voneinander trennen lassen, nennt
man dies einen "Rattenkönig". Er wirkt wie ein Körper
mit vielen Köpfen und genauso sieht Hoffmanns Mausekönig aus
- ein Körper, sieben Köpfe, kein wirklich schöner Anblick,
schon gar nicht wenn er von dem genialen Illustrator Maurice Sendak gemalt
worden ist.
Die meisten Illustrationen Sendaks sind wunderschön, weil er sie
im Stil des 19. Jahrhunderts gemalt hat und alle Figuren klassizistische
Gewänder tragen, so daß man glaubt, ein altes Märchenbuch
in Händen zu halten. Aber es gibt auch Bilder, auf denen die Figuren
bedrohlich wirken, allen voran der bösartige Mausekönig, aber
auch Pate Droßelmeier macht nicht gerade den Eindruck eines liebenswürdigen,
gütigen Mannes und es gibt eine riesengroße Abbildung des Gesichtes
des Nußknackers, bei der man nicht weiß, ob man sich fürchten
oder darüber lachen soll.
Die Farben sind übrigens gedeckt und nicht so bunt wie auf der Abbildung
des Covers.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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