Worum's geht:
Xiao Yen wurde gegen den Willen ihrer Familie von ihrer Tante eine Ausbildung
zum Magier in der Schule von Meister Wei ermöglicht. Sie lernt dort
Papiermagie, mit der sie aus Papier gefaltete Tiere und Gegenstände
zum Leben erwecken kann, doch ein Mädchen in diesem Beruf entspricht
nicht den Traditionen, und so sind die einzigen, die Xiao Yen anstellen,
zwei Ausländer, die im Reich der Mitte Pferde verkaufen und fremder
und negativ auffallender gar nicht sein könnten. Als Geleitschutz
begleitet die junge Frau Udo und Ehran, und ihrer Begleitung findet sich
auch die geheimnisvolle Kurtisane Bei Xi.
Xiao Yen sieht bald überall Anzeichen dafür, daß ihr Land
bald von Barbaren aus dem Norden überfallen wird, doch sie traut
sich selbst und ihrer Magie nicht einmal zu, die kleine Reisegesellschaft
zu beschützen - geschweige denn, große Taten zu vollbringen...
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Warum's so gut
ist:
Zwei Voraussetzungen muß man mitbringen, wenn einen diese Geschichte
begeistern soll: Ein Faible für charakterbasierte Geschichten, und
Interesse an der Kultur des antiken Chinas. Diese Kultur, in der die Geister-
und Götterwelt und jede Menge Drachen ohne Bruch im Alltag inbegriffen
und ganz natürlich sind (für Spezialisten: die Geschichte ist
zur Zeit der Tang-Dynastie angesiedelt), wird mit viel Liebe zum Detail
und in einer sehr schön angepaßten Sprache dem Leser nähergebracht,
und man hat das Gefühl, nach der Lektüre dieses Buches eine
ganz gute Vorstellung vom Leben in diesem China zu haben. So ist eines
der wichtigsten Prinzipien im Leben der jungen Protagonistin ihre Pflicht
gegenüber der Familie - und genau diese zereißt sie förmlich.
Während ihre Mutter erwartet, daß sie der Tradition folgt und
einen gut gewählten Mann heiratet, wünscht das Familienoberhaupt,
ihre Tante, daß sie Papiermagier wird und große Taten vollbringt.
In sich abwechselnden Kapiteln werden Xiao Yens Abenteuer bei ihrem ersten
Auftrag mit der Geschichte ihrer Ausbildung verwoben, so daß man
am Ende gleichzeitig ein Bild davon bekommt, wie sie zu einer so unsicheren,
von Zweifeln zerissenen Person geworden ist, und wie sie diese Zweifel
überwindet. Dabei entwickelt die Figur eine erstaunliche psychologische
Tiefe, doch muß man in Kauf nehmen, daß die Kapitel aus der
Vergangenheit der Geschichte viel Tempo entziehen.
Die abenteuerliche Handlung des Romans ist tief in der chinesischen Mythologie
verwurzelt und durchaus interessant, aber der Fokus für Spannung
und Entwicklung liegt ausschließlich auf dem Hauptcharakter. Xiao
Yens Magie ist für Fantasy-Leser nicht nur eine exotische Abwechslung
(Magie durch "Origami" zu wirken war bisher noch nicht da!),
sondern auch ein sehr überzeugendes, stimmiges Konzept, das dem Roman
Eigenständigkeit und viele gute Einzelszenen schenkt. Kleine Details,
wie etwa eine erzählte Geschichte, oder ein Wettkampf mit gefalteten,
magischen Tieren sind Triebfedern für die Handlung und tauchen in
den miteinander verwobenen Kapiteln in anderer Form immer wieder auf.
Zusätzlichen Charme verleiht dem Buch ein feiner, sehr subtiler Humor,
der vor allem im Verhältnis zwischen den Bewohnern des Reichs der
Mitte und den beiden Ausländern zu Tage tritt (die beiden stammen
übrigens aus dem Reich Karls der Großen...).
Eine schöne bibliographische Zusammenstellung am Ende des Buches
gibt interessierten Lesern nicht nur die Möglichkeit, die Recherchen
der Autorin nachzuvollziehen, sondern auch erste Anhaltspunkte, wenn man
sich weiter über das historische China informieren will.
(rezensiert von: mistkaeferl)
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