DAS ZERBROCHENE SIEGEL
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1 Rezension
-Seit dem Verschwinden seiner einzigartigen Persönlichkeit vom Feld der zeitgenössischen Autoren hat es viele kritische Schriften über Felix Kennaston gegeben; und was seine Lebensumstände angeht, enthält Mr. Frosers Biography alles, was zu wissen notwendig wäre.-
I. Die Beschönigung der Eröffnung
Zyklus/Band Die Chroniken von Poictesme (6)
Autor James Branch Cabell
Original Cream of the Jest
Erscheinungsjahr 1917, dt. 1988
Verlag Bastei Lübbe
ISBN 3-404-20111-6
Subgenre Klassische Phantastik
Seitenzahl 242
Probekapitel -
Worum's geht:
Felix Bulmer Kennaston ist ein eher erfolgloser Schriftsteller, der aufgrund einer Erbschaft ein ganz erträgliches Leben mit seiner Frau Kathleen in Lichfield führen kann. Mit dem Abschluß der Arbeiten am Buch "Men who loved Alison" fällt ihm jedoch die Hälfte eines sonderbaren Siegels in die Hände. Die andere Hälfte besitzt Ettarre, die er in seinen Träumen als Horvendil geschaffen hatte. Während sein belangloses Alltagsleben weiter geht, geschehen Dinge, die ihn zum Grübeln bringen - wie real sind seine Träume, in denen er stets Ettarre, seiner "Traumfrau", begegnet wirklich? Und wie real ist die Realität?
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Die Geschichte ist in drei Erzählebenen verschränkt. Zunächst ist da der Ich-Erzähler der Geschichte namens Richard Fentnor Harrowby, der im selben Lichfield wie Felix Kennaston lebt. Dann gibt es Harrowbys Hauptfigur Kennaston, von welcher der fiktive Bericht handelt. Das Geschehen trägt sich im Süden der USA von 1907 bis 1915 zu. Das Setting selbst spielt zwar direkt keine Rolle, doch indirekt prägt das Milieu die Vorstellungswelten und Handlungsoptionen sehr, wo durch eine gewisse Authentizität erzeugt wird. Schließlich bleibt die Ebene der Träume Kennastons, die zuweilen Poictesme oder viele "reale" Orte der Vergangenheit wie Alexandria oder Whitehall zum Schauplatz hat; das Setting ist hier aber ein bloßes Ambiente und nur selten ernst zu nehmen.
Welcher Art die phantastischen Elemente sind, läßt sich nur schwer sagen. Zunächst ist da das fiktive Lichfield, welches aber ohne weiteres eine reale Stadt sein könnte. Dann sind da die Träume, in denen Kennaston zu Horvendil wird und immer seine Ettarre trifft, sie jedoch nie berühren (erreichen) kann. Mit ihr zusammen erlebt er viele Momente von großer historischer Bedeutung, die allesamt verdreht sind. So beschließt der alte Kaiser Tiberius den Jesus-Kult wegen seiner stabilisierenden Wirkung in den römischen Götterkreis mit aufzunehmen, wird jedoch von seinem griechischen Arzt vergiftet, damit dieses nicht geschieht - denn der Christ weiß, daß ein Glaube seine Märtyrer braucht. Doch ob diese Träume nun einfach nur Träume oder mehr sind, das erfährt der Leser nicht. Gerade die letzten Seiten verschärfen diese Aporie noch einmal.
Wer auf Drachen, Elfen, Zauberer, Zwerge oder dergleichen hofft, wird hier enttäuscht werden - nicht einmal das magische Schwert Flamberge spielt hier eine Rolle.
Figuren gibt es zwar einige, doch die meisten treten nur sehr kurz in einer Szene auf, wie Oliver Cromwell, Kaiser Napoleon oder Cristoforo Colombo, die etwas über die "Realität" sagen. Der Berichterstatter Harrowby, ein Seifenhersteller und Okkultist, und Kennastons Frau Kathleen treten etwas häufiger auf. Harrowby gibt nicht viel von sich preis, nur daß er Kennaston nicht sonderlich schätzt und (vielleicht daher) dessen Erlebnisse eher skeptisch beobachtet. Über Kathleen erfährt man noch weniger, wenngleich einiges über sie gesagt wird; die ehemalige Rezensentin kann gewisse Bücher einfach nicht mehr sehen, ist sehr pragmatisch und schätzt ihren Mann nicht ausreichend (wie Felix findet). Felix Kennaston ist ein nur mäßiger Schriftsteller, der viele Absagen bekommt. Doch glücklicherweise hat er reich geerbt und ist so finanziell unabhängig geworden. In den Träumen jagt er der Frau, die er von ganzem Herzen lieben kann (oder der Liebe selbst?) nach; als Horvendil hat er sie in der Gestalt der Ettarre fixiert. Felix gerät immer mehr ins Grübeln, was Realität und Sinn des Lebens sein könnte.
Felix Kennaston weist viel Ähnlichkeit mit dem Autoren Cabell selbst auf: Beide sind unverstandene Schriftsteller, finanziell unabhängige Gentlemen des Südens, die kurze Zeit für ein frivoles Buch hochgelobt wurden und mit einer sehr pragmatischen Frau verheiratet sind, die ihre Bücher nicht liest; dennoch gibt es deutliche Unterschiede - Felix Kennaston bleibt schließlich eine fiktive Romanfigur. Während Kathleen und Harrowby nur schwach charakterisiert werden und ihre Handlungen nicht immer erklärt werden, bleiben sie doch stets plausibel. Felix dagegen ist eine runde Figur, auch wenn er zur Exzentrik neigt.
Der Plot ist schwer einzuordnen. Auf der Erzählebene Harrowbys kann man dieses als desillusionierenden Entwicklungsroman in Form eines Berichtes lesen - fast schon ein Widerspruch in sich. Auf der Erzählebene Kennastons erfährt man von seinem Eheleben, seinen Erfolg und Scheitern als Schriftsteller, sein Grübeln über Sinn und Zweck des Daseins und über die Liebe. Auf der Ebene Horvendils stehen die geschichtswissenschaftlichen, bzw. geschichtsphilosophischen Witze im Vordergrund, durch diese gibt es aber eine deutliche Anbindung an die Chroniken von Poictesme-Reihe und es zieht sich eine leise Liebesgeschichte/Geschichte über die Liebe hindurch.
Doch einen Plot im üblichen Sinne gibt es nicht; es ereignet sich Episode auf Episode, einen Zusammenhang auf der Handlungsebene scheint es nicht zu geben. Die Episoden erzählen zwar viel über Felix Kennaston und seinen Lebensweg (den des Poeten), aber sie erzählen eben keine zusammenhängende Geschichte. Eine aus der Handlung erwachsende Spannung gibt es daher nicht. Wer sich für die cabellschen Ansichten über die möglichen Lebensauffassungen interessiert, dem wird aus der Gegenüberstellung verschiedener Auffassungen (Ritter, Galan, Poet) eine Spannung erwachsen. Dieses jedoch erfordert nicht nur ein sehr konzentriertes Lesen, sondern darüber hinaus die Bereitschaft, über die geschilderten Dinge - in dieser wie in den anderen Poictesme-Geschichten - intensiv nachzudenken. Wer Das zerbrochene Siegel einfach herunterliest, wird zwar eine bisweilen komische, aber vielfach langweilige und sehr wirre Biographie eines erfolglosen Schriftstellers der Südstaaten lesen.
Erzählt wird die Geschichte scheinbar als Bericht vom Ich-Erzähler Harrowby, doch vielfach liest sich die Schilderung mehr wie eine Erzählerlose-Erzählung aus personaler Perspektive, so sehr dominiert Kennastons Blickwinkel. Der Stil läßt sich wohl am besten als leicht emphatisch beschreiben, doch es wird vor allem eine melancholische Ironie vermittelt. Auch hier gelingt es Cabell scheinbar widersprüchliches elegant zu verbinden.
Diese Geschichte bildet den Abschluß Der Biographie des Lebens Dom Manuels - Der Chroniken von Poictesme. Auch wenn die Geschichte sehr früh geschrieben und veröffentlicht wurde, ist es gerade wegen des fehlenden Plots sehr sinnvoll wenigstens Die Legende von Manuel und Jürgen vorher zu lesen - eine fortlaufende Handlung gibt es zwar nicht, aber für das Reflektieren über die Lebensauffassungen ist die Kenntnis dieser beiden Geschichten überaus hilfreich.
(rezensiert von: Theophagos)
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Fazit: Richard Harrowby berichtet von den letzten, sonderbaren Jahren des Felix Kennaston, dem letzten Nachfahren des großen Dom Manuels; eine beinahe philosophische Betrachtung über den Sinn des Lebens und der Liebe - weit entfernt von der populären Fantasy.


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