DOMNEI

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1 Rezension
-In späteren Jahren erinnerte sich Perion an die zwei in Bellegarde verbrachten Wochen, wie sich jemand bei der Genesung von einer Krankheit an einen langen Fiebertraum erinnern mag, der allenthalben von einer unerträglichen elbischen Helle und von unaufhörlichen Gelächter erfüllt war.-
1. Wie Perion entlarvt wurde
Zyklus/Band Poictesme (in: Die schönste aller Frauen)
Autor James Branch Cabell
Original Domnei
Erscheinungsjahr 1913, dt. 1986
Verlag - (s. Anthologie)
ISBN - (s. Anthologie)
Subgenre Fun-tasy / Klassische Phantastik
Seitenzahl 150
Probekapitel -
Worum's geht:
Die blonde, blauäugige und blasse Melicent ist die schönste aller Frauen - und die Tochter des verschwundenen Glücksritters Dom Manuel. Sie hilft dem Gesetzlosen Perion, der die Dame über alles liebt, zu entkommen, denn sie liebt ihn ebenso. Ihre Liebe geht soweit, daß sie sich in die Hände des heidnischen Tyrannen Demetrios begibt, um Perion einmal mehr zu befreien. Demetrios macht sich daran, die Liebe der beiden zueinander zu brechen, während Perion jede Chance nutzt, um seine Liebste zu befreien. Jedem zur rechten Zeit behilflich ist der rätselhafte Jude Ahasuerus, während die Dame Melicent treu auf Perion wartet.
Bibibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Das Geschehen findet in einem Operetten-Mittelalter statt: Poictesme, wo die Geschichte ihren Anfang nimmt, erinnert wegen der Namen und Titel an eine französische Provinz, zumal es am Golf du Lion gelegen ist, aber schnell verlagert sich der Schauplatz ins heidnische Kleinasien, in eine unbenannte Provinz eines fiktiven Kaisers, wo der mächtige Tyrann Demetrios herrscht, der einen Krieg gegen alle Christen führt. Das ist häufig ein sehr klischeehaftes Bild mit den guten, blonden Christen im Westen und den grausamen, dunklen Heiden im Osten - es sind übrigens keine Sarazenen, sondern eher Überbleibsel der griechischen Antike - doch immer wieder wird dieses Bild umgedreht. Da ist ein jovialer und sehr frommer König, der Folter und Verrat schon plant, bevor der Feldherr noch eingesetzt ist, und der Aufstieg eines Kirchenmannes vom Bischof zum Papst mit Hilfe kleiner Bestechungen, der immer modisch gekleidet ist und es bedauert, keinen Feldzug gegen die Heiden führen zu können.
Neben den operettenhaften Schauplätzen gibt es nur wenige weitere phantastische Elemente; da ist das magische Schwert Flamberge, das den Träger unbezwingbar macht - und dann eine ganz andere Rolle spielt als man erwartet - und der unsterbliche Ahasuerus.
Dieser ist ein ruheloser Jude, er handelt und feilscht um jedes Ding und ist niemanden gegenüber loyal. Dieses ist natürlich eine deutliche Anspielung auf den Ewigen Juden Ahasver, der dem Heiland auf dem Weg zur Kreuzigung keine Rast gewährte und nun zur Strafe selber rastlos sein muß. Spät stellt sich heraus, daß Ahasuerus zu den drei Freiern von Melicent gehört. Der zweite ist Perion, ein gutaussehender Recke aus dem heimatlichen Poictesme, er ist ehrbar und wird keinen ungebührlichen Vorteil annehmen oder sein Wort brechen. Er setzt alles daran, seine Melicent, die ihn so innig liebt, zu befreien. Der dritte ist schließlich der Tyrann Demetrios, der übrigens seinen Vater Miramon Lluagor mit der Flamberge erschlug; er stellt seine Pracht, seine Macht und seine Grausamkeit offen zur Schau, sein Stolz treibt ihn zu manch törichter Tat - und doch, auf seine Weise liebt er Melicent und wünscht sich, von ihr beachtet zu werden. Die viertwichtigste Figur ist natürlich die schönste aller Frauen selbst: Melicent. Sieht man von der anfänglichen Aktivität ab, mit der sie sich in die Hände Demetrios' begibt, verhält sie sich völlig passiv und hält bloß an ihrer Liebe zu Perion fest. Daneben treten noch viele weitere Figuren auf, wie der Kirchenmann Ayrart de Montors, König Theodoret, die Zauberin Melusine oder Demetrios' erste Frau Callistion und deren Sohn Orestes. Runde Charaktere sind das nicht - es sind vielmehr Inkarnationen einer gewissen Verhaltensweise. Aber es ist auch nicht Cabells Ziel, die Liebesabenteuer einiger Personen darzustellen, sondern eine Komödie aufzuzeigen, in der verschiedene Personen immer dasselbe Stück mit denselben Rollen geben.
Dem Autoren gelingt mit dieser Geschichte ein höchst erstaunlicher Spagat, denn einerseits ist es eine kitschige Liebesromanze mit einer treuen Prinzessin, einem schönen Helden und einem häßlichen Schurken und ewiger Liebe, und andererseits ist es eine Satire eben darauf mit tumben und zynischen Figuren.
Vorsicht Spoiler!
Besonders gelungen ist die Auflösung der Geschichte - oder der Mangel an Auflösung. Drei Blickwinkel auf Melicent liegen nahe: Sie könnte erstens einfach nur bewundernswert, schön und liebenswert sein, wie Perion findet; zweitens könnte sie eine sehr schöne, aber auch völlig tumbe Kuh sein, die der Realität nicht ins Auge zu blicken vermag, wie Demetrios meint, oder drittens könnte sie vielleicht ein schönes Stück Fleisch, aber auf jeden Fall eine bewundernswerte, schöne Seele sein, wie Ahasuerus meint. Vielleicht aber hat Melicent mehr von ihrem Vater Dom Manuel als auf dem ersten Blick zu sehen ist. Dieser war ein einfacher Schweinehirte und ihm gelang es mit Hilfe eines sehr passiven Verhaltens den Menschen zu zeigen, was sie sehen wollten, und so zu einem großen Herren zu werden. Welche dieser vier Auflösungen zutrifft, überläßt Cabell dem Leser - vielleicht treffen in dieser Komödie der Frauenverehrung ja auch aller vier zu?
Spoilerende.
Bisweilen wird der Geschichte Antisemitismus vorgeworfen. Mit der Figur des Ahasuerus werden einige antijüdische Klischees bedient - er ist ein Verräter, häßlich, ein Schacherer und hat den Heiland auf dem Gewissen. Aber die Figur ist ironisch gebrochen, denn er ist sicherlich nicht schlechter als die anderen und möglicherweise sogar derjenige, der am mitmenschlichsten ist. Sicherlich aber schätzt er - im Gegensatz zu den anderen - die Seele und nicht das Fleisch und er gibt nicht vor besser zu sein, als er ist - Bigotterie überläßt er den guten Christen.
Dieses ist zwar der eigentliche dritte Teil der Poictesme-Reihe, aber er läßt sich ohne weiteres alleine lesen, auch wenn ein paar Anspielungen verloren gehen (die übrigens auch erst später aufgefüllt wurden - Domnei war das erste phantastische Werk Cabells aus dieser Reihe), wenn man den zweiten Band, Der silberne Hengst, wo z.B. das Schicksal Miramon Lluagors abgewickelt wird, nicht gelesen hat. Der erste Band, Die Legende von Manuel, zeigt die junge Melicent und hilft die im Spoiler angesprochene vierte Option zu erkennen.
Auch sprachlich gelingt dem Verfasser der Spagat. Mal ist der Stil von klebriger Süße, mal von feinem Spott und dann von harschem Zynismus geprägt. Die Wortwahl ist immer treffend.
(rezensiert von: Theophagos)
Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
-
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Fazit: Wer Fantasy zum Mitdenken mag und Kitsch ertragen kann (oder gar mag), dem sei diese Komödie um die Liebe ans Herz gelegt.


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