Worum's geht:
Als die berühmten Musiker Yvernes, Frascolin, Pinchinat und Sebastian
Zorn mit sanfter Gewalt auf die Insel Standard Island gebracht werden,
sieht es erst nach einer Entführung aus. Um so schlimmer, als die
vier deswegen ein Konzert in San Diego versäumen. Doch entpuppt sich
diese "Entführung" als ungewöhnlicher Auftrag für
die Musiker, denn auf Standard Island wohnen entsetzlich reiche und entsetzlich
miteinander verfeindete Menschen, denen die vier die Langeweile vertreiben
sollen
Ihre Konzerte auf der "Insel der Milliardäre" sind ein
voller Erfolg und auch die Reise des schwimmenden Eilands durch die warmen
und gemäßigten Breiten des Globus ist ein Genuß für
das Konzert-Quartett - vor allem, weil es ihnen nicht an Luxus und allen
vorstellbaren Annehmlichkeiten mangelt. So sehnen sich vor allem Pinchinat,
Frascolin und Yvernes bald nach ein wenig Abwechslung.
Sie ahnen nicht, das sie davon bald mehr bekommen sollen, als ihnen lieb
ist
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Warum's so gut
ist:
Dieser Roman ist im deutschsprachigen Raum auch unter dem Titel Die
Insel der Milliardäre erschienen, und dies würde den Kern
der Geschichte eigentlich besser treffen, denn der Titel, den der Verlag
Bärmeier & Nikel für seine Ausgabe gewählt hat, beschreibt
nur ein technisches Detail der künstlichen Insel, um die es hier
geht
Die Musiker Yvernes, Pinchinat, Frascolin und Sebastian Zorn sind zu ihrem
nächsten Konzert nach San Diego unterwegs, als sie einen folgenschweren
Unfall haben. Die Kutsche, mit der sie unterwegs waren, kann unmöglich
weiter fahren und so machen sich die vier mit ihren Instrumenten auf den
Weg. Als sie in einem Dorf, nicht weit von der Unglücksstelle entfernt,
ankommen, ist alles wie ausgestorben, nachdem die vier aber nicht irgendwelche
Musiker sind, sondern das berühmte Konzert-Quartett, das in Amerika
alle Häuser füllt, versuchen sie, mit einem Stück von Pawlow
in H-Moll Aufmerksamkeit zu erregen. Das gelingt ihnen auch, denn aus
der nun applaudierenden Menge tritt ein Mann auf sie zu und bringt sie
unter Lobpreisungen und Versprechungen in eine geheimnisvolle Stadt.
Bald erfahren Pinchinat, Frascolin, Yvernes und Sebastian Zorn, daß
sie von ihrem Führer zu einer schwimmenden, künstlichen Insel
gebracht worden sind, auf der furchtbar reiche Menschen Ruhe vor der Welt
suchen, und das sie die gelangweilte Bevölkerung mit ihrer Musik
unterhalten sollen
Die Geschichte, für sich genommen, gehört nicht zu der interessantesten
Jules Vernes. Als die Musiker auf der Propellerinsel Standard Island
angekommen sind, geschieht lange nichts Aufregendes. Verne beschreibt
den Kurs, den die schwimmende Insel nimmt, nennt Namen und Lage von Atollen
und Inseln, ergeht sich in nautischen Beschreibungen und der meteorologisch
exakten Wiedergabe von Wetter- und Strömungsverhältnissen.
Ein Raubtierüberfall gehört zu einer der spannenderen Stellen
der Romanhandlung, wobei diese Szene allerdings als eine reine Jagdorgie
geschildert wird, bei der niemand ruht, bis alle "Bestien" zur
Strecke gebracht sind. Die Tiere werden als wilde Ungeheuer dargestellt,
die es unbedingt zu vernichten gilt. Wenn man dies heute liest, runzelt
man unwillkürlich die Stirn, doch zu Lebzeiten Jules Vernes galten
die Natur und ihre Geschöpfe - die Tiere und Pflanzen (der Mensch
sah sich nicht als Teil der Natur, sondern als ihr überlegen und
damit über der Natur stehend) - als dem Menschen feindlich und man
feierte es als großen Triumph, wenn ein kapitaler Bär oder
Tiger erlegt wurde
So bietet der Ende des 19. Jahrhunderts erschienene
Roman eine Gelegenheit, sich in die damals herrschenden Vorstellungen
ein wenig hineinzudenken, obwohl es heute schwer nachzuvollziehen ist.
Die Originalausgabe dieses Romans erschien 1895 in zwei Bänden, wurde
in dieser Ausgabe neu übersetzt, sprachlich angepasst und gekürzt,
er ist mithin gut zu lesen. Es gibt jedoch leider ein paar sprachliche
Ausrutscher, die dem Werk etwas von seiner Würde nehmen. Dies ist
einer der schlimmsten: Sie übergaben sich, als müssten sie
einen Weltrekord im Kotzen aufstellen
Solche Wendungen stören
die Atmosphäre des Romans beträchtlich, denn im ausgehenden
19. Jahrhundert hat man sich bei derartigen Unpässlichkeiten gewählter
ausgedrückt.
Der Reiz dieser Erzählung liegt mithin auch eher im naturwissenschaftlich-technischen
Bereich:
Ein Eiland, zusammengefügt aus meterdicken Stahlplatten, angetrieben
mit zwei riesigen, jeweils am Steuerbord- und Backbordufer, befindlichen
Motoren - zusammen 10 000 000 PS stark - die die überdimensionalen
Schiffsschrauben dieser künstlichen Insel antreiben. Die Bewohner
verfügen über hochmoderne Technik - nicht nur in Form von Telefonen
und Telegraphen, sondern auch von Faxen, Radios, und Fernsehapparaten.
Die großzügig angelegten Parks und Avenuen werden mit elektrischen
Straßenlaternen beleuchtet und eine Trambahn befördert die
fußlahmen Inselbewohner zum gewünschten Ziel. Dies alles wird
über ein Schaltzentrum gesteuert, daß unseren heutigen Rechenzentren
ziemlich ähnlich ist.
Mit dieser Geschichte hat Jules Verne einmal mehr bewiesen, daß
er seiner Zeit weit voraus war, denn die nicht schwimmenden Varianten
von Standard Island sind überall auf der Welt Wirklichkeit
geworden.
(rezensiert von: Katerchen)
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