REISE ZUM MOND UND ZUR SONNE

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1 Rezension
-Es war Vollmond, klarer Himmel, und es hatte neun Uhr abends geschlagen, als wir, vier meiner Freunde und ich, aus einem Haus in Clamart bei Paris zurückkehrten, wo der junge Monsieur de Cuigy, der dort der Grundherr ist, uns bewirtet hatte.-
Zyklus/Band -
Autor Savinien Cyrano de Bergerac
Original Estats et Empires de la Lune et du Soleil
Erscheinungsjahr 1657/1662, dt. erstmals vollständig 2005
Verlag Eichborn
ISBN 3-8218-0732-6
Subgenre Utopischer Roman
Seitenzahl 360
Probekapitel -
Worum's geht:
Nachdem der Ich-Erzähler mit einigen Freunden über das Wesen und die Funktion des Mondes philosophiert hat, beschließt er, um die Wahrheit zu ergründen, auf den Mond zu reisen. Schließlich gelingt es ihm, mit Hilfe einer selbstgebauten Rakete und dem reichlichen Gebrauch von Ochsenmark, die Anziehungskraft der Erde zu überwinden. Er landet auf dem Mond und zwar genau an der Stelle, an der sich das irdische Paradies befindet. Dort trifft er den Propheten Elias. Die Beiden beginnen ein Streitgespräch, in dem Cyrano solch lästerliche und ketzerische Thesen vertritt, daß Elias ihn aus dem Paradies wirft. Cyrano wird von den Mondbewohnern aufgegriffen, die ihn für einen Affen halten, weil er sich nicht wie sie auf allen Vieren fortbewegt. Der Dämon des Sokrates erzählt ihm alles, was er über das Leben auf dem Mond wissen muß. Cyrano kommt an den Hof der Königin und wird dort zu einem anderen "Affen", einem Spanier, in einen Käfig gesperrt. Wieder liefert er sich höchst ketzerische Streitgespräche über die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Philosophie. Schließlich wird Cyrano vom Teufel höchstpersönlich auf die Erde zurückgebracht.
Cyrano reist zu einem Freund nach Toulouse, das zur damaligen Zeit wegen seines Aberglaubens und seiner Hexenprozesse berüchtigt war. Er verfaßt Die Reise zum Mond und wird prompt als Hexer verhaftet. Cyrano gelingt die Flucht und mittels einer weiteren einfallsreich gebauten Maschine fliegt er zur Sonne. Bald gerät er wieder in juristische Schwierigkeiten. In der Provinz der Vögel wird er eines schrecklichen Verbrechens bezichtigt, des Menschseins. Trotz seiner mangelnden Urteilskraft maßt sich der Mensch an, über alle Lebewesen zu bestimmen und sie auszurotten. Dafür wird Cyrano der Prozeß gemacht. Dank einer guten Tat entgeht er dem Todesurteil und so bekommt er die Gelegenheit, einiges über die Liebe zu erfahren.

Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Eine kurze Inhaltsangabe kann Cyrano de Bergeracs Reise zum Mond und zur Sonne nicht gerecht werden. Cyrano ergreift in seinem mutigen Werk Partei für die Aufklärung und gegen die Kirche und andere Autoritäten seiner Zeit. Nun hält er aber keine Philippica gegen Aberglauben und Volksverdummung, seine Waffen sind Esprit und Witz, Ironie und Satire. De Bergeracs Florett ist die geschliffene Sprache, mit der er für seine Überzeugungen ficht. Auf dem Mond wird Cyrano von den Priestern beim König angezeigt, weil er es gewagt hat zu behaupten, daß die Welt der Lunarier nur ein Mond sei und keine Erde, er hingegen von der Erde käme und nicht etwa vom Mond, wie die Lunarier glauben. Man holt ihn aus seinem Käfig, der Groß-Pontifex hält eine Anklagerede und am Ende wird Cyrano an alle Ecken der Stadt geführt, wo er seine Überzeugung widerrufen muß: "Untertanen, ich erkläre, daß dieser Mond hier kein Mond ist, sondern eine Erde, und daß diese Erde dort keine Erde ist, sondern ein Mond. Das ist, was die Priester für gut erachten, das Ihr glauben sollt." Die ganze Schilderung ist eine geistreiche Anspielung auf den Prozeß gegen Galileo Galilei.
Köstlich und außerordentlich einleuchtend ist auch die Episode, in der der Dämon des Sokrates Cyrano vor Augen führt, daß Gott den Menschen keineswegs mehr liebt als Kohlgemüse, ja warum ihm wahrscheinlich am Kohl mehr gelegen ist als an den Menschen. Und alle, die noch der Auffassung anhängen, die Sonne drehe sich um die Erde, versucht de Bergerac mit diesem Beispiel zu überzeugen: "Es wäre gerade so lachhaft zu glauben, der große leuchtende Körper drehe sich um einen Punkt, mit dem er nichts zu schaffen hat, als sich vorzustellen, wenn wir eine gebratene Wachtel sehen, man habe, um sie zu rösten, den Kamin um sie herum gedreht."
Cyrano de Bergerac bezieht sich immer wieder auf philosophische und wissenschaftliche Werke zeitgenössischer Geistesgrößen wie Pierre Gassendi, Hieronymus Cardanus, Tommaso Campanella und anderen, die dem heutigen Leser nicht mehr geläufig sind. In solchen Fällen leistet der hervorragende Anhang mit seinen Anmerkungen ausreichend Hilfe.
Aber nicht nur Cyranos Umgang mit den philosophischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen seiner Zeit faszinieren, sondern auch die Tatsache, daß ganz offensichtlich sich andere und dazu völlig unterschiedliche Künstler von ihm haben inspirieren lassen. Die futuristischen Flugmaschinen erinnern an Jules Verne, Swift scheint sich Anregungen für Gullivers Reisen geholt zu haben, in Schillers "Die Räuber" finden sich Gedanken über Vaterschaft, die denen Cyrano de Bergeracs verblüffend ähnlich sind und daß die Herrschaftsverhältnisse umgekehrt werden, die Tiere die Menschen in Käfige sperren und sie als minderwertige Geschöpfe ansehen, hat man unter anderem in Planet der Affen gesehen.
Savinien Cyrano de Bergerac findet ohne Mühe dreieinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod den Weg in die Herzen seiner Leser.
(rezensiert von: Top Dollar)

Wertung
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Fazit: Geistreiches Plädoyer für Aufklärung und Gedankenfreiheit, das Unterhaltung auf hohem Niveau bietet.


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