Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Die Ereignisse tragen sich weitgehend im Herzogtum Mactha und dem großen
Wald zu, doch da die Geschichte sehr handlungsorientiert ist, sind die
Beschreibungen der Umwelt eher beiläufig und dienen dem Erzeugen
von Stimmungen. Die Länder der Gabala erinnern an eine Mischung aus
frühem englischen Mittelalter, Malorys Artus-Sage und Robin Hood;
die Bevölkerung ist bitter arm und geht einfachen Berufen nach, sie
ist beinahe rechtlos und wird vom reichen Adel geknechtet. Die Ritter
der Gabala erinnern an die Ritter der Tafelrunde, sie sind umhergezogen
um Streit zu schlichten und Recht zu schaffen. Der magisch hochbegabte
Waffenmeister ist das Pendant zu Merlin. Viele Namen sind der keltischen
Kultur entliehen: Gwydion, Lámfhada, Llaw Gyffes etc. Die Gesetzlosen
in den Walddörfern haben zeitweilig einen gewissen Robin Hood-Flair.
Nicht ganz in diese keltophile Grundstimmung passen die Nomaden. Diese
sind beinahe zur Gänze in das Land integriert, doch jetzt hat der
König beschieden, daß sie von minderwertigen Blut sind, ihre
Anwesenheit im Reich schwächt es, sie sind eine Krankheit, die es
auszutreiben gilt - wem dieses nicht bekannt vorkommt, den rate ich, sich
doch einmal die Geschichte Deutschlands im frühen zwanzigsten Jahrhundert
anzusehen. Insgesamt ist das Setting zusammengestückelt, dennoch
konnte Gammell ein kohärentes Ganzes daraus schaffen.
Es gibt eine große Zahl von Figuren, alleine im Personenregister
sind zweiundzwanzig unterschiedliche Personen verzeichnet, davon sind
aber nur vier Frauen. Die Charaktere der Figuren sind nicht besonders
komplex ausgefallen, die meisten sind nur mit wenigen schwungvollen Strichen
skizziert, sie haben nur einen ausgeprägten Charakterzug und eine
dazugehörige besondere Fähigkeit. In der Zusammenstellung sind
aber einige interessante Figuren dabei. Grunzer war ein Sklave, er ist
häßlich und wurde vielfach mißhandelt, bis er entfloh
und zu einem gefürchteten Dieb und Mörder wurde. Mit roher Brutalität
ist er der Anführer einer Räuberbande geworden, dem es keinerlei
Gewissenbisse bereitet, wenn er Menschen sterben läßt. Dennoch
entwickelt der verachtete Unhold eine tugendhafte Seite, denn Nuada, der
Sagendichter, zeigt ihm, wie es ist wenn man geachtet wird. Llaw Gyffes
ist ein ehemaliger Grobschmied, dessen Frau ermordet wurde. Nachdem er
sich rächte, wurde er zum Tode verurteilt, konnte aber in den Wald
entkommen. Seitdem baut sich langsam eine Legende um ihn auf, doch er
will nichts davon wissen. Er ist in die begehrte Arian verliebt, betrachtet
dieses Gefühl aber als Verrat an seiner tote Frau. Mannan ist ein
ehemaliger Ritter der Gabala, doch er war zu feige um durch das dunkle
Tor zu reiten. Nun sucht er nach einem Weg, den verzauberten Helm abzusetzen,
denn sein Bart wächst ständig und droht ihn zu erwürgen.
Eigenartig ist auch Ubadai, der nomadische Diener des Grafen Errin. Nun
wird nirgendwo eine Andeutung über Homosexualität gemacht, was
bei all diesen klassischen Helden auch schräg wäre, aber der
wortkarge Fährtenleser ist so maßlos loyal zu seinem Herren,
daß es an wahre Liebe grenzt.
Ruad Ro-fhessa ist ein großer Handwerker, denn er weiß die
Farben - also Magie - zu nutzen. Für ihn ist die schwarze Farbe,
die Erde, am stärksten, mit ihrer Hilfe kann er wunderschöne
Singvögel aus Gold fertigen oder machtvolle magische Waffen, die
jede Rüstung durchdringen. Neben dem Schwarz gibt es noch das Grün
des Heilers Gwydion, das unschuldige Gelb des Sklavenjungen Lug, das harmonische
Weiß des Friedens, welches Nuada mit seine Geschichten zu beschwören
vermag und das Rot der Krieger, erzeugt durch Zorn und Gewalt. Seit dem
Verschwinden der Gabala sind die Farben aus dem Gleichgewicht geraten,
das Rot droht alles hinwegzuspülen. Wer die Farben benutzt, der muß
keine Zaubersprüche aufsagen, sondern mit seinem Geist nach den Farben
ausgreifen und die notwendigen Verbindungen formen, wobei möglicherweise
Hilfsmittel, wie ein Stück Fleisch um den Krebs einer Frau aufzunehmen,
nötig sind. Daneben tauchen noch eine Reihe von Fabelwesen auf, die
meisten sind gräßliche Monster, die vom König gesandt
wurden, um seine Feinde im Wald zu zerreißen. Auch wenn es in der
Geschichte viele magische Elemente gibt, sind sie doch auf der Welt eher
selten.
Ritter dunkeln Rufes ist mit nur knapp 400 Seiten ein relativ kurzes
Fantasy-Epos. Die Helden wachsen schließlich über sich selbst
hinaus, und auch wenn sie dunkle Flecken auf ihren Westen haben und die
Männer des Königs nicht durch und durch böse sind, ist
dieses doch ein Kampf um das Leben der Welt. Es gibt etwa zehn Handlungsstränge,
die sich mal aufsplitten und dann wieder mit anderen verbinden, bis es
am Ende den großen Showdown gibt. Die Fabelwesen, die brutale Politik
des Königs und das z.T. rigorose Ableben von Sympathieträgern
sorgen zwar für eine düstere Stimmung, sind aber weder konsequent
noch eindringlich genug geschildert, um tiefgreifenden Schauder auszulösen.
Außerdem ist das Geschehen zu sehr im Physischen verhaftet, es gibt
wohl innere Konflikte, aber diese werden zu schnell und nicht besonders
überzeugend gelöst, die obligatorische Liebesgeschichte mit
Hindernis gehört dazu. Der Sprachduktus, das schnelle Voranschreiten
und die z.T. sehr spannende Geschichte sind dagegen typische Elemente
der Sword & Sorcery, so passen die unkomplizierten und schnell lesbaren
Sätze gut zum forschen Tempo. In der Wortwahl vergreift sich der
Autor manchmal, z.B. wenn er davon schreibt, daß etwas wie eine
Kanonenkugel einschlägt.
(rezensiert von: Theophagos)
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